Hamburg. Weil die Studios geschlossen sind, bestellen Hamburger Unmengen an Geräten für zu Hause. Händler wie Amazon werden überrannt.

In der Corona-Krise gewinnen die eigenen vier Wände zunehmend an Bedeutung. Denn viele Hamburger richten sich nicht nur einen Bereich für Homeoffice ein, das Zuhause dient oftmals auch als Ersatz für die seit dem 16. März geschlossenen Fitnessstudios. „Die Nachfrage nach Fitnessgeräten ist in den letzten Wochen durch die Covid-19-Situation explosionsartig gestiegen“, sagt Katharina Schiller, Sprecherin des Onlinehändlers und Otto-Konkurrenten Galaxus.

Das Problem für viele Hobbysportler, die auch in Corona-Zeiten nicht auf ihr gewohntes Workout verzichten wollen: Viele Hersteller wurden mit Bestellungen überrannt und sind für mehrere Wochen nicht lieferfähig. „Diesen Nachfrageschub haben sowohl Händler als auch Lieferanten so nicht vorhergesehen“, sagt Schiller dem Abendblatt. Besonders gefragt seien aktuell vor allem Hanteln, Bauchtrainern, Springseile und Widerstandsbänder.

Verbraucherschutz warnt vor Händlern aus China

Manche Onlinehändler geben die Lieferzeit immerhin von vorn herein mit mehreren Wochen, teilweise sogar Monaten an. Andere werben mit der üblichen Dauer von maximal fünf Werktagen, ergänzt mit einem Hinweis, dass diese wegen der Corona-Krise möglicherweise doppelt so lange ausfallen könne. Doch wie ein Selbsttest des Abendblatts ergeben hat, werden aus fünf oder zehn Tagen schnell zwei Monate, auf die der Kunde auf sein bestelltes Produkt warten muss – ohne zu wissen, ob die Ware jemals geliefert wird.

Das Internet ist voll mit unseriösen Anbietern, von denen die meisten aus China stammen. „Ich würde von solchen Händlern abraten“, warnt Rechtsexpertin Julia Rehberg von der Verbraucherzentrale in Hamburg. „Wenn der Verkäufer in China sitzt, gilt nicht das übliche Widerrufsrecht wie in der EU.“

Zudem sei die Qualität der Ware oftmals mangelhaft und eine Rücksendung erweise sich als schwierig. „Die Durchsetzung der Rechte ist aussichtslos“, sagt Rehberg. Die Anwältin rät Verbrauchern, die Ware nicht vorab zu zahlen und im Vorfeld darauf zu achten, ob ein Käuferschutz angeboten werde. „Man sollte sich beim Online-Kauf Zeit nehmen, mit wem man Geschäfte abwickelt“, sagt Rehberg.

Fitness: Wie Amazon lange Lieferzeiten rechtfertigt

Der weltweit größte Onlinehändler Amazon bietet diese Informationen nicht auf den ersten Blick an. Wer überprüfen will, woher die Ware kommt, muss mit einem Klick detaillierte Informationen über den Verkäufer aufrufen. Auf Anfrage räumt der Versandriese längere Lieferzeiten ein und erklärt diese mit einer Priorisierung der Produkte. „Hierzu gehören insbesondere Lebensmittel, Gesundheits- und Körperpflegeprodukte und Artikel, die für die Arbeit von zu Hause benötigt werden“, teilt eine Sprecherin mit.

Alle weiteren Fragen lässt Amazon unbeantwortet. Das Unternehmen signalisiert wenig Interesse aufzuklären, warum manche bei Amazon betriebenen Händler Ihre Kunden momentan nicht ausreichend über die Lieferung informieren.

Unterstützung erhält der US-Konzern vom Bundesverband Onlinehandel (BVOH). „Sollten Lieferzeiten über die angegebene Zeit hinausgehen, dann ist das insbesondere in der Corona-Situation vorher nicht absehbar“, sagt Sprecherin Cindy Mattern. Da die Nachfrage über den Absatz der Vorjahre kalkuliert wird, seien nun Lieferengpässe entstanden. „Darüber hinaus gibt es Plattformen, bei denen eine Angabe der Lieferzeit über 4 Wochen nicht möglich ist“, sagt Mattern.

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Um den Käufer nicht mehrere Monate auf seine Bestellung warten zu lassen, hat Galaxus einen neuen Weg eingeschlagen. Der Schweizer Onlinehändler, der auch ein Büro in Hamburg-Bahrenfeld bezieht, gesteht zwar ein, dass die Wartezeit für Fitnessprodukte zwischen wenigen Tagen und einigen Wochen mitunter stark variiere.

Doch anders als bei Amazon, könne der Verbraucher die Produkte nach ihrer Verfügbarkeit filtern. „Unsere Kunden können sich zum Beispiel nur Produkte anzeigen lassen, die auf Lager und damit sofort verfügbar sind“, sagt Sprecherin Katharina Schiller und verspricht: „Wir bieten keine Produkte an, deren Lieferzeit mehrere Monate beträgt. Diese werden dann im Shop deaktiviert.“

Wie Online-Händler Amazon den Kampf ansagen

Ein logistischer Vorteil von Galaxus in Zeiten von unterbrochenen Lieferketten ist außerdem das eigene Lager in Krefeld nahe der niederländischen Grenze, von wo aus ein Großteil der Bestellungen bedient werde. Ein Trumpf, den auch der Hamburger Handelskonzern Otto ausspielt. „Wir sind größtenteils lieferfähig, auch wenn es bei einigen Produkten natürlich längere Wartezeiten gibt“, sagt Sprecher Frank Surholt.

Anders als bei amerikanischen oder asiatischen Anbietern ist die Ware bereits in den vier in ganz Deutschland verteilten Hochregallagern vorhanden. Solche Lager binden zwar Kapital und wurden bislang nicht selten innerhalb der Branche als überholt verspottet. Doch in der Krise sind sie unverzichtbar, um eine für den Kunden akzeptable Lieferzeit zu gewährleisten.

Otto kann dem Verbraucher diese Sicherheit bieten. Und das, obwohl „die Kauffrequenz im gesamten Fitnesssektor stark zugenommen“ habe, wie Surholt sagt. Alleine bei Hanteln sei die Nachfrage um 600 Prozent gestiegen. Bislang sind die Gewichte aber noch ausreichend in den Lagern verfügbar. Durch dieses System, sagt Surholt, „sind wir ganz gut aufgestellt.“ Ein Zustand, der aktuell nicht auf jeden Onlinehändler zutrifft.