Berlin. Regierungschefs der Autoländer haben sich auf ein Modell einer Abwrackprämie geeinigt. Doch Widerstand gegen Prämie wächst.

Die Forderungen liegen auf dem Tisch, eine Entscheidung ist aber noch nicht gefallen. Um die Nachfrage nach Autos anzukurbeln, dringen die Chefs der deutschen Autohersteller auf eine Kaufprämie. Am Montag einigten sich mit Stephan Weil (SPD), Markus Söder (CSU) und Winfried Kretschmann (Grüne) die Ministerpräsidenten der „Autoländer“ Niedersachsen, Bayern und Baden-Württemberg auf ein mögliches Modell.

Am Dienstag diskutierten die Auto-Bosse darüber mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und mehreren Ministern. Per Telefonschalte empfing die Kanzlerin neben den Chefs der Autobauer VW, BMW, Daimler und Opel auch Manager der Zulieferer zum Autogipfel. Beschlossen wurde noch nichts. Aber der Zeitplan wird konkreter. Unsere Redaktion beantwortet die wichtigsten Fragen zum Autogipfel.

Hat der Autogipfel eine Entscheidung gebracht?

Konkrete Maßnahmen wie etwa eine mögliche Auto-Kaufprämie wurden noch nicht beschlossen. Aber es wurde sich auf einen Zeitplan geeinigt. Bis Ende Mai, spätestens Anfang Juni soll über eine mögliche Autoprämie entschieden werden. Dann könnte eine solche Prämie bereits Mitte Juni ausgezahlt werden.

Bis dahin wird sich der Markt wohl zurückhaltend entwickeln. Laut dem Ifo-Institut befinden sich 94 Prozent der Autobauer in Kurzarbeit, die Geschäftslage ist auf den tiefsten Wert gefallen, seitdem das Münchener Wirtschaftsforschungsinstitut den Index erhebt.

Und auch die Autohändler reagieren verhalten. Wie aus einer Analyse des Center Automotive Research der Universität Duisburg-Essen hervorgeht, gewähren die Autohändler so geringe Rabatte wie seit sieben Jahren nicht mehr. „Im April hatten die Autohäuser drei Wochen lang geschlossen. Man hätte meinen können, dass sie nun verkaufsfördernde Rabatte anbieten. Dem ist aber nicht so. Eine mögliche Deutung ist, dass auf eine Prämie seitens der Politik gewartet wird“, sagte Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer unserer Redaktion.

Was fordert die Autoindustrie?

Anfangs hatten die deutschen Autobauer lediglich eine höhere Prämie für umweltfreundliche Antriebe gefordert. Eine solche „Innovationsprämie“ biete die Chance, die Wirtschaft anzukurbeln und den Umstieg der Kunden auf klimaschonende Technologien zu beschleunigen, hatte etwa BMW-Chef Oliver Zipse gesagt.

Doch mittlerweile wollen die Autobauer mehr. Volkswagen-Chef Herbert Diess forderte eine technologieunabhängige Kaufprämie, auch Daimler-Chef Ola Källenius befürwortete eine Förderung über alle Segmente hinweg.

Hildegard Müller, Chefin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), dringt auf eine Entscheidung. „Vor allem viele kleine und mittelständische Unternehmen der Automobilindustrie befinden sich in einer prekären Lage aufgrund der aktuellen Krise und brauchen bald positive Signale“, sagte Müller nach dem Treffen in einer Telefonschalte mit Journalisten. „Kaufprämien würden sich nach kurzer Zeit rechnen, durch sich selbst finanzieren und haben zudem einen positiven Effekt durch den Rückgang der Kurzarbeit“, sagte Müller.

Neben der Auto-Kaufprämie geht es auch um eine Stundung von Sozialversicherungsbeiträgen, wenn Unternehmen durch die Corona-Krise in Schieflage geraten. Zudem wurde über neue Bedingungen für Abschreibungen verhandelt.

Was wollen die Autoländer-Chefs?

Stephan Weil, Markus Söder und Winfried Kretschmann fordern eine Kaufprämie in Höhe von 3000 Euro für moderne Benziner und Dieselautos ab Schadstoffklasse 6d-Temp und 4000 Euro für Plug-in-Hybride, Elektro- und Wasserstoffautos.

Wer ein älteres Auto mit Euro-3- oder Euro-4-Norm abgibt, soll zusätzlich 1000 Euro Abwrackprämie bekommen. Wer einen modernen Verbrenner kauft und später auf ein E-Auto umsteigt, soll 1000 Euro Umstiegsprämie bekommen. Elektro-Ladestationen solle zur Hälfte der Staat bezahlen.

Besteht Einigkeit in der Regierung?

Zwar zeigten sich Vertreter der Automobilindustrie nach dem Gespräch mit der Kanzlerin zufrieden, doch abgesegnet ist eine Prämie damit noch lange nicht. Denn innerhalb der Regierungsparteien gibt es Widerstand. „Das Resultat wäre einzig ein Strohfeuer, das vor allem Mitnahmeeffekte auslöst, aber kein nachhaltiges Wachstum anstößt“, sagte Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrats von CDU/CSU, unserer Redaktion. „Nach der ‚Abwrackprämie‘, die bei der Finanzkrise 2009 zum Einsatz kam und offenkundig ineffizient war, erneut ein ähnliches Instrument aufzusetzen, ist nicht zielführend. Schon die Diskussion hierüber ist kontraproduktiv und führt zu Attentismus bei Kunden“, betonte Steiger.

Die SPD schließt eine grundsätzliche Prämie nicht aus, will aber keine Verbrenner fördern. „Angesichts der weiterhin enormen Herausforderung des Klimawandels macht es absolut keinen Sinn, Technologien von gestern zu fördern, um die Konjunktur anzuschieben“, sagte SPD-Verkehrspolitikerin Kirsten Lühmann unserer Redaktion. „Zudem wären damit nicht nur enorme wirtschaftliche Wertverluste verbunden; auch ökologisch ist das Verschrotten von absolut fahrtüchtigen Fahrzeugen nicht sinnvoll“, meinte Lühmann.

Warum ist die Debatte so hitzig?

Nach der Finanzkrise 2009 wurde die Auto-Industrie schon einmal mit einer Abwrackprämie gefördert. Damals waren die bereitgestellten fünf Milliarden Euro binnen neun Monaten aufgebraucht. Nun trifft die Krise nahezu alle Branchen, trotzdem fordern die Autobauer Hilfe. „Die Autobauer sind unkoordiniert vorgeprescht, zugleich haben sie alle aktiviert, die Gewerkschaften, die Ministerpräsidenten der Autoländer, die Zulieferer. Es wirkte, als wollte man einen staatlichen Kaufanreiz mit der Brechstange herbeiführen“, sagte Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität St. Gallen.

Für Ärger sorgt zudem, dass die Autokonzerne weiter Dividenden und Boni auszahlen – obwohl sie bereits Kurzarbeitergeld beanspruchen und Steuergeld für die Prämie verlangen.

Das sorgt für Verstimmung. „Ich glaube, dass viele verstanden haben, dass wenn man Staatshilfen in Anspruche nimmt, das Zahlen von Dividenden und Boni eine sehr komplizierte Idee ist – um es mal höflich auszudrücken“, sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) bei „Anne Will“. Und Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer stellt gegenüber unserer Redaktion klar: „Wo öffentliches Geld fließt, dürfen keine Dividenden oder Boni gezahlt werden.“

Wirkt eine Abwrackprämie überhaupt?

„Konjunkturell kann eine Auto-Kaufprämie deutlich positive Wirkungen auf den Autoabsatz haben. Wenn die Prämie groß genug ist und zeitlich oder als Gesamttopf befristet, dann werden sich viele Haushalte zum Auto-Neukauf bewegen lassen“, sagte Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), unserer Redaktion. Das habe die Abwrackprämie 2009 gezeigt.

Anders sieht das die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer. Sie nannte die Abwrackprämie beim TV-Sender Phoenix „völlig ineffektiv“. Auch das Münchener Ifo-Institut, das mit einer schweren Rezession rechnet, wertete die Wirkung der Abwrackprämie als „recht begrenzt“, da drei Viertel der in Deutschland gebauten Autos exportiert werden. Dass Autounternehmen auch in der Krise erfolgreich sein können, zeigte zuletzt Tesla. Dennoch wütete Elon Musk über die Corona-Maßnahmen.

Kritik kommt auch aus dem Mittelstand. „Konsumanreize wären der falsche Weg“, sagte Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW), unserer Redaktion. Zwar sei die Automobilbranche von „elementarer Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Deutschland“, doch die Erfahrung mit der Abwrackprämie nach der Finanzkrise habe gezeigt, dass „generelle Kaufprämien lediglich einen Strohfeuer- und Verschiebeeffekt auslösen“, sagte Ohoven.

Der Mittelstands-Präsident sprach sich stattdessen für eine Investitionsprämie für neue Technologien aus. Zudem sollten Unternehmen die Möglichkeit erhalten, ihre Verluste aus dem Krisenjahr mit den Gewinnen der Vorjahre verrechnen zu können. „Zugleich sollten Gewerbebetriebe, die jetzt ihren Fuhrpark erneuern, steuerliche Hilfen erhalten“, sagte Ohoven.

Was sind Alternativvorschläge?

Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer schlägt vor, die Mehrwertsteuer auf hochpreisige Produkte, etwa Autos oder Möbel, zeitweilig zu senken. Ein anderes Modell schwebt dem ökologischen Verkehrsclub Deutschland (VCD) vor. VCD-Bundesvorsitzende Kerstin Haarmann forderte gegenüber unserer Redaktion ein „Startgeld für grüne Mobilität“, das an die Bürger ausgezahlt werden solle.

„Damit kann man sich etwa eine BahnCard, ein ÖPNV-Abo oder ein E-Rad oder Lastenrad kaufen. Oder man nutzt das Startgeld für Car- und Bikesharing-Angebote oder auch als Beitrag zum Kauf eines E-Autos“, sagte Haarmann.

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