Hamburg. Nach Rekordumsätzen fürchtet der Einzelhandel ein ausbleibendes Ostergeschäft – besonders groß ist die Sorge bei Süßwarenherstellern.

Wie das Ostergeschäft abläuft, wissen Hamburgs Einzelhändler in normalen Zeiten ziemlich genau. Gefragt sind Schokoladen-Eier, Osterhasen in Glanzpapier und bunte Dragee-Eier, frische Lebensmittel und Backzutaten für das Festtagsmahl, den Kaffeeklatsch; und als Dekoration Frühlingszweige sowie bunte Blumen.

„Wir gehen davon aus, dass es in diesem Jahr ganz anders läuft als sonst. Die großen Familienfeiern wird es nicht geben“, sagt Frank Ebrecht, Geschäftsführer des Edeka-Händlers Niemerszein mit acht Filialen in Hamburg und als Lebensmittelhändler quasi zum Allgemeinversorger in Coronazeiten avanciert. Die große Herausforderung sei, vor den Feiertagen mit einem passenden Angebot auf eine ungewisse Nachfrage zu reagieren, sagt der Kaufmann. So wurden etwa gerade österliche Süßigkeiten bislang weniger gekauft als sonst. Die Ständer sind oftmals noch prall gefüllt. „Das Ostereiersuchen bei den Großeltern fällt in diesem Jahr eben weg.“

Nach Rekordumsätzen das Oster-Corona-Dilemma

Nach Wochen mit Rekordumsätzen und Hamstereinkäufen zu Beginn der Coronakrise hat sich das Kaufverhalten im Lebensmittelhandel zuletzt eingependelt. Jetzt kämpfen Supermärkte und Discounter um die Kunden im wichtigen Ostergeschäft. Dabei stecken die Händler in einem Dilemma. Einerseits wollen sie möglichst viel verkaufen, andererseits auch einen Kundenansturm, Lieferengpässe und leer gekaufte Regale vermeiden.

Der Handelsverband Deutschland (HDE) und der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels haben deshalb einen Anruf gestartet und die Bürger um einen planvollen Einkauf gebeten. „Gehen Sie vorausschauend einkaufen. Überlegen Sie bereits jetzt, was Sie für die Feiertage benötigen“, heißt es in dem ungewöhnlichen Appell, der am Freitag veröffentlicht wurde.

Sorge vor einem Ansturm kurz vor Ostern

Auch Edeka-Kaufmann Robin Struve mit zwölf Märkten in Hamburg macht sich wie viele Kollegen Sorgen, dass die Kunden wie in früheren Jahren ihre Ostereinkäufe vor allem am Gründonnerstag und am Ostersonnabend erledigen wollen. In der vergangenen Woche hätten sich die Kundenströme schon besser verteilt. „Die Leute kaufen seltener ein, dafür aber mehr auf einmal.“

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Nur in frühen Morgen- und späteren Abendstunden gäbe es teilweise noch Warteschlangen vor den Geschäften, weil wegen der Abstandsregeln nur eine begrenzte Kundenzahl die Läden betreten dürfe. „Wir packen den ganzen Tag Ware nach“, sagt er und versucht die Angst vor Versorgungslücken abzubauen. Auch besonders begehrte Artikel wie Toilettenpapier, Nudeln, Mehl und Hefe würden immer wieder nachgeliefert. „Wie sich die Kunden vor Ostern verhalten, lässt sich im Moment schwer einschätzen“, so Lebensmittelhändler Struve, der bereits vor einigen Tagen zu einem frühzeitigen Einkauf aufgerufen hatte.

Ostern zu Corona-Zeiten: Abschied vom "kleinen Weihnachten"

Auch wenn die Lebensmittelbranche mit ordentlichen Umsätzen rechnen kann, ist schon jetzt klar, dass das Ostergeschäft insgesamt angesichts bundesweiter Geschäftsschließungen deutlich geringer ausfallen wird. „Ostern hatte sich in den vergangenen Jahre zum kleinen Weihnachten entwickelt, das wird 2020 anders sein“, sagt Brigitte Nolte, Hamburger Geschäftsführerin des Handelsverbands Nord.

Nach ihren Berechnungen fallen in der Hansestadt an jedem Tag, an dem die Geschäfte geschlossen sind, im Schnitt Umsätze in Höhe von 27 Millionen Euro weg. Aber nicht nur die Einkaufsmöglichkeiten fehlen, die Krise und deren ungewisses Ende drückt massiv auf die Konsumstimmung der Deutschen. „Die Geschenke werden kleiner ausfallen“, so die Handelsexpertin.

Nach Weihnachten sei Ostern der zweitwichtigste Kaufanlass des Jahres, sagt HDE-Geschäftsführer Kai Falk. Es sei schwer zu prognostizieren, wie sich das Geschäft entwickele. Auch er geht davon aus, „dass aufgrund der Beschränkungen weniger gekauft wird als in anderen Zeiten“. Ein Teil der Umsätze werde sich mit Sicherheit ins Internet verlagern. „Aber es wird keine komplette Kompensation geben“, so Falk.

Süßwarenindustrie befürchtet Umsatzeinbruch

Betroffen sind alle Branchen. Ostern werden oft auch Bücher, Spielwaren und Parfümerieprodukte verschenkt. Besonders hart dürfte es für die Süßwarenhersteller werden, die in den vergangenen Jahren immer wieder neue Rekordzahlen mit Umsätzen von bis einer knappen Milliarde Euro im Ostergeschäft gemeldet hatten. Auch für dieses Osterfest wurden nach Angaben der Industrie insgesamt 220 Millionen Schoko-Osterhasen produziert. Die satten Gewinnmargen, die sich mit den teuren Saisonprodukten machen lassen, werden aber wohl geringer ausfallen.

„Wir rechnen mit Umsatzeinbußen“, heißt es etwa beim Lübecker Marzipan-Hersteller Niederegger. Zwar stehen die Ständer mit Produkten des Traditionshauses auch 2020 in den Supermärkten zwischen Flensburg und Füssen, aber noch ist offen, wie viel tatsächlich verkauft wird. Zudem fehlten wegen der Ladenschließungen wichtige Absatzmöglichkeiten etwa in Fachgeschäften und in Tourismusregionen.

Dagegen läuft der Außer-Haus-Verkauf im Stammgeschäft in Lübeck weiter, auch der Verkaufsbereich im Travemünde Café und der Fabrikverkauf sind geöffnet. „Aber es kommen wegen des Kontaktverbots weniger Kunden“, sagt Sprecherin Kathrin Gaebel. Niederegger hat inzwischen zusätzlich zum Onlineshop einen Lieferservice eingerichtet, der nach Angaben der Sprecherin gut angenommen wird. Zahlen wollte sie nicht nennen.

Arko gibt sich trotz Umsatzrückgang optimistisch

Wie bei Niederegger hofft man auch beim Süßwarenhändler Arko aus dem schleswig-holsteinischen Wahlstedt auf eine steigende Kauflust in den letzten Tagen vor dem Fest. „Wir denken, dass sich die Menschen mal wieder etwas gönnen wollen“, sagt Susanne Bodmann aus der Geschäftsleitung dem Abendblatt.

In Hamburg sind 18 der 20 Arko-Läden geöffnet. Es kämen weniger Kunden, so die Arko-Managerin. Vor allem in Einkaufszentren sei das deutlich zu spüren. Auch Arko hat einen Bestellservice eingerichtet, der Kunden direkt aus den Filialen beliefert. „Wir werden ein Ostergeschäft haben, aber ein geringeres als sonst“, sagt Susanne Bodmann.

Besondere Rabattaktion für Ostersüßwaren

Edeka, immerhin Deutschlands größter Lebensmittelhändler, hat für die letzte Woche vor Ostern eine ganz besondere Werbeaktion beschlossen. Um einen zusätzlichen Anreiz zu bieten, die Ostereinkäufe schon am Wochenbeginn zu erledigen, sollen die Preise für alle Ostersüßwaren in den Edeka-Märkten bereits Montag und Dienstag vor dem Fest um 20 Prozent reduziert werden, teilte die Handelsgesellschaft mit. Ein Novum.

Bislang waren die Preise für Osterhasen und Co. erst nach den Feiertagen reduziert worden. Einzelne Kaufleute, darunter Edeka Struve, wollen die Rabatte sogar bis Mittwoch verlängern.