Hamburg. Hamburgs Wirtschaftssenator Michael Westhagemann über den Shut-down, Soforthilfen und seine eigene berufliche Zukunft.

Nun sind Michael Westhagemanns in der freien Wirtschaft gelernten Fähigkeiten als Krisenmanager gefragt. Der frühere Norddeutschland-Chef des Elektronikkonzerns Siemens und heutige Wirtschaftssenator muss mit dafür sorgen, dass die Betriebe in der Stadt mit möglichst wenigen Schrammen durch die Coronakrise kommen.

Hamburger Abendblatt: Herr Senator, wir hoffen, es geht Ihnen gesundheitlich gut.

Michael Westhagemann: Ja, mir geht es sehr gut – und auch meine Familie ist wohlauf.

Arbeiten Sie im Homeoffice oder gehen Sie noch ins Büro?

Westhagemann: Ich bin jeden Tag im Büro. Auch viele meiner Mitarbeiter kommen täglich in die Behörde, aber wir haben selbstverständlich erhöhte Hygiene- und Sicherheitsstandards eingeführt, sodass wir das Infektionsrisiko minimieren. Zudem bleiben selbstverständlich auch bei uns in der Behörde Beschäftigte weiter zu Hause, von denen eine Ansteckungsgefahr ausgehen könnte. Freiwilliges Homeoffice wird ebenfalls genutzt.

Für wie dramatisch halten Sie die Coronakrise – wird Hamburgs Wirtschaft lediglich mit Blessuren aus ihr herauskommen oder droht der Totalschaden?

Westhagemann: Von Totalschaden würde ich nicht sprechen. Aber die Lage ist schon ernst, das merke ich vor allem, wenn ich mit Vertretern aus den Branchen und der Wirtschaftsverbände spreche.

Wie werden aus Ihrer Sicht die Auswirkungen auf das Herzstück der Hamburger Wirtschaft, den Hafen, sein?

Westhagemann: Der Hafen wird beim Containerumschlag wegen der rückläufigen Mengen aus China eine Delle verkraften müssen. Allerdings ist es bereits ein gutes Zeichen, dass die Produktion in China nun wieder hochgefahren wird. Für uns ist aber entscheidend, dass der Hamburger Hafen geöffnet bleibt – und das stellen wir sicher. Ansonsten bekämen ganz Deutschland, Ost- und Nordeuropa erhebliche Versorgungsprobleme. Das werden wir verhindern. Aktuell gibt es aber auch Unternehmen im Hafen, die von der Coronakrise härter getroffen werden. Deshalb haben wir zusammen mit der HPA beschlossen, dass diese Firmen sich in den nächsten drei Monaten die Mieten und Pachten stunden lassen können. Und auch das Hafengeld wird reduziert.

Machen Sie sich größere Sorgen um den Luftfahrtsektor in Hamburg mit Airbus und dem Flughafen?

Westhagemann: Wie den Hafen müssen wir auch den Flughafen geöffnet lassen, allein schon wegen der Notflüge. Dennoch sehen wir natürlich, die dramatisch rückläufige Zahl an Passagieren und Flügen. Deshalb wurden die Beschäftigten in Kurzarbeit geschickt. Mit Airbus bin ich im regelmäßigen Austausch. Zum Glück kann das Werk in Hamburg relativ eigenständig agieren und den Betrieb hoffentlich weiter aufrechterhalten.

Vor allem Kleinstunternehmen und Solo-Selbstständige stehen nun wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand. Seit Montagmittag sollte man online Anträge auf Soforthilfen absenden können. Bis 16.30 Uhr war das noch nicht möglich - warum?

Westhagemann: Wir waren eigentlich guter Dinge, doch bei einem Sicherheitscheck wurde ein Datenleck festgestellt. Und das muss erst geschlossen werden. Wir tragen Verantwortung für die Sicherheit der sensiblen Daten, die uns anvertraut werden. Das ist absolut wichtig.

Was ist Ihr Ratschlag an die Antragssteller?

Westhagemann: Ich rate jedem Antragsteller, bevor er loslegt, sich auf der Internetseite der Hamburger Investitions- und Förderbank (www.ifbhh.de) zu informieren. Dort haben wir alles, was es zu beachten gibt, detailliert aufgelistet.

Wie wollen Sie sicherstellen, dass keine Trittbrettfahrer, die entweder schon vor den Corona-Maßnahmen nahezu pleite waren oder eigentlich gar keine Hilfen bräuchten, die staatlichen Gelder abgreifen?

Westhagemann: Unsere Soforthilfe ist für diejenigen gedacht, die durch die Coronakrise in Liquiditätsprobleme geraten sind. Denen wollen wir unbürokratisch und schnell helfen. Wir werden aber im Nachgang stichprobenartig auch Vorgänge überprüfen.

Wird auch das Vermögen des Antragsstellers überprüft?

Westhagemann: Nein, das zunächst nicht. Antragsberechtigt sind Unternehmen, die am 31. Dezember 2019 nicht in Schwierigkeiten waren. Der Antragsteller muss zudem versichern, dass seine wirtschaftliche Tätigkeit seit dem 11. März 2020 durch die Coronakrise wesentlich beeinträchtigt ist.

Wie lange hält Hamburgs Wirtschaft diesen radikalen Shut-down noch aus, ohne nachhaltigen Schaden zu nehmen?

Westhagemann: Wir müssen aktuell noch mit Hochdruck daran arbeiten, dass wir die Ansteckungskurve nach unten drücken. Bis Ostern sollten wir dann einen klaren Plan erstellen, wie wir wieder ins Wirtschaftsleben zurückkehren können. Hier denke ich unter anderem an den Einzelhandel, gastronomische Betriebe oder auch Friseure.

Coronavirus – Die Fotos zur Krise:

Das heißt: Spätestens nach Ostern sollte wieder ein wenig Luft in das ökonomische System gelassen werden?

Westhagemann: Ja, nach Ostern sollte Hamburgs Wirtschaft langsam wieder anlaufen.

Was halten Sie von Politiker-Aussagen, diese Krise werde keinen Arbeitsplatz kosten?

Westhagemann: Davon halte ich gar nichts, denn diese Aussage ist nicht haltbar. Die Krise wird Arbeitsplätze kosten.

Wäre es nicht sinnvoll, in einigen Wochen zumindest jüngere und gesunde Menschen wieder voll am Arbeits- und gesellschaftlichen Leben teilhaben zu lassen und die Ausgangssperren dahingehend zu lockern?

Westhagemann: Ich denke schon, das wir uns mit einem solchen Szenario beschäftigen müssen. Denn vor allem bei Älteren und Menschen mit Vorerkrankungen ist der Coronaverlauf doch wesentlich dramatischer als bei jüngeren Gesunden. Und man darf auch nicht die immens hohen wirtschaftlichen und sozialen Folgen der aktuellen Isolation vergessen.

Würden Sie persönlich jetzt schon wieder einen Urlaub in den Hamburger Sommerferien planen oder gar buchen?

Westhagemann: Das wäre mir noch zu früh.

Ach ja, bleiben Sie nun eigentlich Wirtschaftssenator? Die Grünen hatten ja ein Auge auf ihre Behörde geworfen.

Westhagemann: Das entscheidet am Ende der Bürgermeister. Ich habe Peter Tschentscher aber klar signalisiert, dass ich den Job gerne weitermachen möchte.

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