Berlin. Viele Reinigungskräfte stehen vor der Arbeitslosigkeit. Dabei hängt von ihnen in der Corona-Krise viel ab – etwa in Krankenhäusern.

Ihr Einsatz beginnt meist, wenn die öffentlich wirksame Arbeit getan ist. Wenn die Chirurgen die Operation beendet haben, sind sie zur Stelle. Wenn das Pflegepersonal den Essenssaal geräumt hat, rücken sie an. Bevor im Büro der erste Mitarbeiter den Computer hochfährt, waren sie schon da: Gebäudereiniger sind in der Corona-Krise gefragter denn je.

„Wir sorgen dafür, dass Krankenhäuser gereinigt werden, Feuerwehrfahrzeuge nach Einsätzen und Flugzeuge, die Infizierte transportiert haben, desinfiziert werden. Ohne die Reinigung stehen diese Abläufe still, dann passiert nichts mehr“, sagte Johannes Bungart, Geschäftsführer des Bundesinnungsverbandes des Gebäudereiniger-Handwerks, unserer Redaktion.

Corona-Krise: Gebäudereiniger erhalten wenig Lohn – und leisten viel

Den Gebäudereinigern kommt in der Krise eine besondere Funktion zu. Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen unterliegen strengen Hygienevorschriften. Wird die Reinigung nicht gewährleistet, kann der Betrieb nicht aufrecht erhalten werden.

Eine Reinigungskraft wischt den Boden eines Operationssaals.
Eine Reinigungskraft wischt den Boden eines Operationssaals. © imago/photothek | Ute Grabowsky/photothek.net

Doch die Reinigung wird von Arbeitskräften im Niedriglohnsektor gewährleistet. Wer nach Lohngruppe 1 bezahlt wird, erhält 10,80 Euro die Stunde, bei Lohngruppe 4, also Arbeitern mit Fachkenntnis und Erfahrung, sind es 12,75 Euro die Stunde.

Krankenstand ist in der Corona-Krise stark gestiegen

Dafür verrichten die Gebäudereiniger nicht nur körperliche Arbeit, sie stehen in der Krise an der vordersten Linie. Gab es einen Corona-Fall, müssen sie das Gebäude reinigen. In Krankenhäusern erleben sie den täglichen Kampf hautnah mit.

Die Folge: Die Anzahl an Krankmeldungen ist regelrecht explodiert. „Normalerweise liegt der Jahresschnitt bei sechs bis acht Prozent. Jetzt liegt er zwischen 30 und 50 Prozent. Und die Tendenz ist steigend“, sagt Bungart. Er könne die Ängste der Mitarbeiter verstehen, aber: „Wenn fast jeder zweite Beschäftigte krank ist, dann belastet das die Branche enorm.“

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Gebäudereinigung zählt nicht überall zu den systemrelevanten Berufen

Ein Grund für den hohen Krankenstand sieht Bungart darin, dass die Gebäudereinigung nicht in allen Bundesländern als Teil der systemrelevanten Infrastruktur angesehen wird. Das führt zu skurrilen Situationen, etwa bei dem Unternehmen von Kathleen Berngruber. Sie beschäftigt in ihrer Firma HT Service mit Sitz in Halle an der Saale 500 Mitarbeiter.

In Sachsen-Anhalt zählen Gebäudereiniger nicht zur kritischen Infrastruktur. Im vom Sitz der Firma 15 Kilometer entfernten Sachsen dagegen schon. „In Sachsen-Anhalt haben Mitarbeiter Sorge, wie sie die Kinder betreuen können. Wenn sich am Ende Mitarbeiter krank melden, weil sie keinen anderen Ausweg sehen, belastet derartige Nichterfüllung staatlicher Aufgaben unser Unternehmen durch anfallende Lohnfortzahlungskosten zusätzlich“, sagte Berngruber unserer Redaktion.

In systemrelevanten Berufen haben Eltern ein Anrecht auf Kinderbetreuung. Ist ein Beruf nicht als solcher anerkannt, müssen sie die Kinderbetreuung neben dem normalen Arbeitspensum leisten.

Umsatzrückgang bis zu 40 Prozent

Insbesondere bei der Arbeit in Krankenhäusern und in der Pflege sei die Identifikation der Mitarbeiter mit ihrer Arbeit sehr hoch, berichtet Berngruber, die Mitarbeiter hätten „ein hohes Pflichtbewusstsein“, die Krankenstände seien noch gering.

Trotzdem seien die Sorgen groß. Denn noch schlimmer als der Krankenstand trifft das Unternehmen die weggebrochenen Aufträge, seitdem viele Firmen ihre Produktion gestoppt haben oder ihre Mitarbeiter ins Home Office geschickt haben.

Nicht nur Berngruber geht es so. Bundesinnungsverband-Geschäftsführer Johannes Bungart beziffert den Umsatzrückgang der Branche seit März auf bis zu 40 Prozent. „Viele Vertragspartner stornieren ihre Aufträge, ohne zu zahlen. Juristisch ist das nicht möglich. Aber mit Jura kommt man in der aktuellen Krise leider nicht sehr weit“, sagt er.

Die Folge: „Viele Unternehmen sind jetzt schon in den roten Zahlen. Die jetzige Situation werden sie maximal bis Ende April aushalten.“

IG BAU erwartet 50.000 Kündigungen

Noch deutlicher wird Ulrike Laux vom Bundesvorstand der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU): „Der Gebäudereinigung in Deutschland stehen dramatische Wochen bevor: Es wird massenhaft Kurzarbeit geben – insbesondere in dieser Karwoche und in der Woche nach Ostern. Sogar Massenkündigungen sind wahrscheinlich“, sagte Laux unserer Redaktion.

„Bis Ende April erwartet die IG BAU, dass rund 200.000 der insgesamt 650.000 Beschäftigten der Gebäudereinigung ohne Arbeit dastehen werden: 150.000 mit Kurzarbeitergeld und 50.000 ohne Job – gekündigt.“

Minijobber sind besonders betroffen

Als erstes wird es dabei wohl die Minijobber treffen. Rund 250.000 der 700.000 Gebäudereiniger arbeiten auf 450-Euro-Basis. Sie haben keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld und sind leicht kündbar. Da sie nicht sozialversicherungspflichtig angestellt sind, haben sie auch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld I, sondern würden direkt Hartz IV beziehen müssen.

Sowohl die Gewerkschaft als auch die Arbeitgeber dringen auf eine Lösung: „Es ist mir nahezu egal, wie geholfen wird. Sei es, dass die Minijobber ins Kurzarbeitergeld mit aufgenommen werden oder wenigstens die Sozialabgaben der Arbeitgeber befristet übernommen werden. Wichtig ist, dass schnell etwas passiert. Sonst wird es zu einem Kahlschlag kommen“, sagt Bungart.

Unternehmen suchen Zwischenlösungen

In den Unternehmen selbst werden Zwischenlösungen gesucht. Doch die Möglichkeiten sind begrenzt, sagt Thomas Conrady, Geschäftsführer des Gebäudedienstleistungsunternehmens Cowa, das vor allem in Baden-Württemberg, Bayern und der Schweiz aktiv ist. „Beispielsweise bieten wir an, Urlaub vorzuziehen. Für den März konnten wir so Lösungen finden. Wenn die Situation aber anhält, wird es schwierig“, sagte Conrady unserer Redaktion.

Auch würde man Mitarbeiter in Bereiche vermitteln, wo derzeit dringend Bedarf bestehe, „etwa in der Landwirtschaft und in Kliniken“, sagt Conrady. Weitere Möglichkeiten habe das Unternehmen kaum.

Rückwirkend zum März sei 22-prozentige Kurzarbeit beantragt worden, auch von den Stundungsmöglichkeiten habe man Gebrauch gemacht. Für Soforthilfen ist das Unternehmen mit 3500 Mitarbeitern zu groß. Kredite wiederum kommen in der Branche kaum in Betracht. Die müssen schließlich irgendwann zurückgezahlt werden.

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    „Die jährliche Gewinnquote liegt in normalen Jahren bei 3 bis 3,5 Prozent“, sagt Johannes Bungart. 80 Prozent der Kosten seien Lohnkosten, bei einem Umsatzrückgang von 40 Prozent gebe es kaum andere Spielräume, als beim Personal zu kürzen.

    Es ist die Krux dieser Branche: Einerseits wird sie in der Krise gebraucht. Laut einer repräsentativen Forsa-Umfrage, die unserer Redaktion vorliegt, empfindet jeder vierte Deutsche die Arbeit der Gebäudereiniger wichtiger als zuvor, 96 Prozent bewerten die Arbeit als wichtig.

    Andererseits droht die Massenarbeitslosigkeit. Diejenigen, die trotz der Angst vor dem Virus tagtäglich für die Sauberkeit in systemrelevanten Einrichtungen wie Krankenhäuser oder Pflegeheimen sorgen, sollten zumindest belohnt werden, etwa mit Bonuszahlungen, findet die IG BAU. „Es ist jetzt an der Zeit, denen, die Deutschland in der Corona-Krise sauber halten, zu danken“, sagte Ulrike Laux.

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