Berlin. Der Antrag auf das Kurzarbeitergeld ist riesig. Fast eine halbe Million Firmen beantragen die Hilfe. Es werden wohl noch mehr werden.

Seit die Bundesregierung den Zugang zum Kurzarbeitergeld aufgrund der Coronakrise erleichtert hat, erlebt die Bundesagentur für Arbeit einen Ansturm der Unternehmen.

Allein in den vergangenen vier Wochen seien 470.000 Anträge gestellt worden, berichtete Detlef Scheele, Chef der Bundesagentur für Arbeit.

Zum Vergleich: Vor der Krise im Februar hatten nur 1900 Firmen Kurzarbeitergeld beantragt. Wie viele Arbeitnehmer konkret in die Kurzarbeit gehen müssen, lasse sich erst nach Sichtung der Anträge ermitteln, so Scheele.

Corona-Krise: Mehr Kurzarbeit als in Finanzkrise wird erwartet

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) geht bereits davon aus, dass die Coronakrise deutlich mehr Arbeitnehmer in die Kurzarbeit bringen wird, als das die Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2008/09 vermochte.

Damals befanden sich bis zu 1,4 Millionen Beschäftigte in Kurzarbeit. Als das Arbeitsministerium zuletzt die Anforderungen für die Beantragung der Leistung senkte, rechnete das Ministerium mit 2,15 Millionen Beziehern von Kurzarbeitergeld. „Wir können nicht jeden Arbeitsplatz garantieren, aber wir werden mit den Mitteln, die wir haben, um jeden Arbeitsplatz kämpfen“, versprach Heil.

Corona-Krise spiegelt sich in der Arbeitslosenstatistik noch nicht wider

Geprägt ist die aktuelle Situation aber vor allem von Ungewissheiten. Noch kann niemand sagen, wie viele Jobs die Krise am Ende wirklich kosten wird. In der am Dienstag vorgelegten Statistik der Bundesagentur für Arbeit ging die Arbeitslosenquote im Vergleich zum Februar sogar um 0,2 Prozent zurück. 5,1 Prozent der Arbeitnehmer waren zum Stichtag 12. März arbeitslos.

Arbeitsagentur-Chef Scheele geht davon aus, dass sich diese Zahl nun deutlich erhöhen wird – auch weil die Voraussetzungen gelockert sind. Wer in der Krise etwa Hartz IV beantragt, muss derzeit keine Vermögensprüfung ablegen. „Grundsicherung ist ein Bürgerrecht und niemand, der darauf angewiesen ist, muss sich schämen“, sagte Heil.

Kipping: Einkommensprüfung für Paare aussetzen

Trotzdem gibt es Kritik an der derzeitigen Regelung. Linken-Chefin Katja Kipping forderte, dass auch Paare von der Einkommensprüfung befreit werden sollten.

Linken-Chefin Katja Kipping will die Einkommensprüfung auch bei Paaren aussetzen.
Linken-Chefin Katja Kipping will die Einkommensprüfung auch bei Paaren aussetzen. © dpa | Jörg Carstensen

„Jetzt in der Krise ist die Anrechnung der Partnereinkommen besonders absurd“, sagte Kipping unserer Redaktion. Die Bürokratie werde erhöht und auch, wer in nichteheähnlichen Gemeinschaften zusammenwohne, müsse beweisen, dass es sich lediglich um eine Wohngemeinschaft handele.

Heil wiederum hält für eine solche Nachjustierung die derzeitige Rechtslage als nicht gegeben. „Ich will aber nicht ausschließen, dass wir noch weitere Maßnahmen ergreifen werden“, sagte er. Zuletzt hatte er offen gelassen, ob Hartz IV-Bezieher einen Bonus in der Krise erhalten könnten.

Handwerk will Kurzarbeit auf Auszubildende und Minijobber ausweiten

Weitere Maßnahmen werden nicht nur bei der Grundsicherung, sondern auch beim Kurzarbeitergeld gefordert – etwa von Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer.

Er kritisierte, dass Unternehmen Kurzarbeit für Auszubildende erst nach einer Sperrfrist von sechs Wochen beantragen dürften. Dies könne zu Kündigungen führen. „Das will aber niemand, schon gar nicht unsere Handwerksbetriebe selbst, denen Ausbildung sehr am Herzen liegt“, sagte Wollseifer unserer Redaktion.

Heil wiederum will an der Regelung festhalten: „Die Ausbildungsgehälter sind jetzt schon oft niedrig, sie sollen durch Kurzarbeit nicht weiter reduziert werden.“

Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer will die Kurzarbeit-Regelung auch für Auszubildende und Minijobber ausweiten
Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer will die Kurzarbeit-Regelung auch für Auszubildende und Minijobber ausweiten © dpa | Christoph Soeder

Neben den Auszubildenden forderte Wollseifer auch, die Kurzarbeiter-Regelungen auf Minijobber auszuweiten. Insbesondere im Gebäudereiniger- und im Lebensmittelhandwerk würden diese Berufsgruppen wichtige Teile der Belegschaft bilden.

„Sollten diese Betriebe zahlungsunfähig werden und pleite gehen, dann geht damit auch ein ganz wesentlicher Teil der Grundversorgung verloren“, warnte Wollseifer.

Bundesarbeitsagentur stellt sich neu auf

Zu welcher enormen Belastung der Antrag auf die Kurzarbeit führt, machte Bundesarbeitsagentur-Chef Scheele deutlich. Seine Agentur muss sich in kürzester Zeit umstrukturieren.

Bearbeiteten vor der Krise noch 770 Mitarbeiter die Antragsstellung des Kurzarbeitergeldes, sind es jetzt 4500. Auch die Telefonie wurde mehr als vervierfacht: Statt von 4000 Mitarbeiter kümmern sich nun 18.000 Beschäftigte telefonisch um die Anliegen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer. So kommen Arbeitgeber und Arbeitnehmer an das Kurzarbeitergeld.

Bundesarbeitsagentur hat Rücklagen von 26 Milliarden Euro

Zum anderen wird die Kurzarbeit zur finanziellen Belastung für die Bundesarbeitsagentur – und damit auch für den Bund selbst. „100.000 Kurzarbeiter kosten bei einer Reduzierung ihres Arbeitsumfangs von 50 Prozent pro Monat 79 Millionen Euro“, rechnet Scheele vor.

Nur könne noch niemand sagen, ob die durchschnittliche Arbeitszeitreduzierung der Unternehmen nicht über 50 Prozent hinausgehe. Viele Unternehmen insbesondere in der Gastronomie hätten ihre Arbeit schließlich ganz niedergelegt und würden zu 100 Prozent auf das Kurzarbeitergeld zurückgreifen. Noch steht genug Geld zur Verfügung: Insgesamt hat die Bundesagentur für Arbeit Rücklagen in Höhe von 26 Milliarden Euro.

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