Hamburg. Asklepios möchte ausländische Fachkräfte einstellen. Sie sind ausgebildet und sprechen Deutsch – arbeiten dürfen sie dennoch nicht.
Nicht nur für Außenstehende ist dieser Widerspruch schwer zu begreifen: Wie auch in anderen Hamburger Krankenhäusern können in der zum Asklepios-Konzern gehörenden Heidberg-Klinik in Langenhorn etliche dringend benötigte Betten nicht mit Patienten belegt werden, weil es an Pflegepersonal fehlt. Andererseits könnte das Unternehmen nach eigenen Angaben „sehr kurzfristig“ mehrere Hundert qualifizierte Pflegekräfte zusätzlich in seinen deutschen Standorten einsetzen, wenn die Bürokratie das nicht weiterhin verhindern würde.
Denn die von Asklepios längst ausgewählten Aspiranten auf die Arbeitsplätze kommen von den Philippinen und aus Indien. Sie alle haben ein entsprechendes Studium abgeschlossen, verfügen über mindestens ein Jahr Berufserfahrung im Herkunftsland und haben dort zudem einen neunmonatigen Deutsch-Intensivkurs absolviert, meist bei einem Goethe-Institut.
Was ihnen fehlt, ist ein Visum, die Anerkennung ihrer Qualifikation in Deutschland oder die Arbeitserlaubnis am jeweiligen Arbeitsort. „Allein in Hamburg warten derzeit 16 Intensivpflegekräfte, sechs OP-Pflegekräfte und zehn allgemeine Krankenschwestern auf den Abschluss der formalen Prüfung“, sagt ein Asklepios-Sprecher: „Bis zu acht Monate kann es dauern, bis die Ausländerbehörde die Arbeitserlaubnis erteilt.“
Asklepios zahlt Deutsch-Kurse und kümmert sich um Anträge
Juan de la Cruz *) von den Philippinen ist seit Ende Juni in Deutschland und seit Anfang November in Hamburg, aber seine Arbeitserlaubnis für die Heidberg-Klinik wird er voraussichtlich erst Mitte bis Ende Februar erhalten. Bis dahin darf der 32-jährige nicht einmal auf der Station ein Praktikum machen, um den künftigen Arbeitsplatz schon einmal kennenzulernen. Das indische Ehepaar Merin Thomas *) und Vijo George *) kam Anfang Mai in Deutschland an. Die beiden dürfen in dem Krankenhaus in Langenhorn zwar wenigstens schon als Pflegehelfer arbeiten, eine ihrer Qualifikation entsprechende Arbeitserlaubnis werden aber auch sie wohl erst Mitte bis Ende Februar bekommen. Die dreijährige Tochter des Ehepaars lebt bis dahin weiter bei Verwandten in Indien.
„Alle diese Menschen zeigen unglaublich viel Motivation und Einsatzbereitschaft“, sagt Stefanie Ludwig, Integrationsbeauftragte der Asklepios Klinik Nord mit den Standorten Heidberg, Ochsenzoll und Wandsbek. Wie viel Geduld aber auch erforderlich ist, zeigt das Beispiel eines weiteren Filipinos: Er wurde im September 2017 von Asklepios ausgewählt, von März 2018 bis Januar 2019 belegte er einen Deutsch-Intensivkurs in Manila. Die Kursgebühr und eine Unterhaltsbeihilfe übernimmt Asklepios. Mitte Juli traf der junge Mann im Asklepios-Schulungszentrum in Darmstadt ein, seitdem bekommt er volles Gehalt.
Dort erhielt er Ende August seine Anerkennung als Krankenpfleger. Asklepios meldet alle philippinischen Job-Kandidaten zunächst in Hessen an, weil die Bearbeitungszeit bei den dortigen Behörden nach Angaben des Unternehmens vergleichsweise kurz ist. Noch Ende August kam der Filipino in Hamburg an, wo sein Arbeitgeber sofort den Antrag auf Arbeitserlaubnis bei der zuständigen Ausländerbehörde stellte. Im Dezember lag die Genehmigung immer noch nicht vor, sodass der gesamte Vorlauf bis zur Arbeitsaufnahme nun bereits 26 Monate in Anspruch nahm.
Zwei Jahre Wartezeit für ausländische Krankenpfleger nicht unüblich
„Zwei Jahre sind keineswegs unüblich“, so Ludwig. Das beginne mit der Wartezeit von ungefähr sechs Monaten auf ein Visum bei den deutschen Botschaften in Asien, die höchste Hürde warte dann aber am späteren Arbeitsort: „Für die Arbeitserlaubnis in Hamburg müssen die Ausländerbehörde hier, die Gesundheitsbehörde und ein spezielles Team bei der Bundesagentur für Arbeit in Essen zusammenwirken – und dabei hakt es am meisten.“
Unterlagen gingen verloren, gleich gelagerte Fälle würden ganz unterschiedlich entschieden, außerdem sei die Hamburger Ausländerbehörde telefonisch praktisch nicht erreichbar. Und wenn ein Visum nur sechs Monate lang gelte, müsse bei der Ausländerbehörde auch gleich noch ein neues beantragt werden, anderenfalls droht zwischenzeitlich eine Abschiebung.
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„Pro ausländischer Pflegekraft rechnen wir mit Ausbildungskosten von etwa 20.000 Euro“, sagt der Asklepios-Sprecher. Durch die „Langsamkeit der verschiedenen beteiligten Behörden“ erhöhten sich die Kosten aber um weitere 5000 Euro. Weil es die künftigen Mitarbeiter schon wegen der Bleiberechtsproblematik schwer haben, auf dem regulären Weg eine Wohnung in Hamburg zu finden, stellt ihnen Asklepios zeitlich begrenzte Gemeinschaftsunterkünfte auf dem Firmengelände zur Verfügung.
Asklepios: Arbeitsmarkt für Pflegekräfte sei „leer gefegt“
Der Konzern hatte nach eigenen Angaben bereits mehr als 800 Pflegekräfte allein auf den Philippinen ausgewählt. Davon seien seit 2018 aber erst 155 nach Deutschland gelangt, davon 57 nach Hamburg. „Inzwischen haben wir unsere Anwerbung verlangsamt, weil uns bei der langen Wartezeit die Interessenten wieder abspringen oder auch ihre Deutschkenntnisse wieder verlieren“, so der Firmensprecher.
Angesichts des krassen Pflegekräftemangels sei die „Verschleppung durch die deutschen Behörden“ ein Skandal – „und zwar nicht zuletzt auf dem Rücken der Patienten in Deutschland“. So habe die Hamburgische Krankenhausgesellschaft ermittelt, dass allein in Hamburg in den kommenden fünf Jahren 5700 Pflegekräfte fehlen werden. Der deutsche Arbeitsmarkt für Pflegekräfte sei aber „leer gefegt“, heißt es von Asklepios.
Hunderte Ausbildungsplätze blieben unbesetzt, weil junge Arbeitssuchende „den schweren Beruf häufig scheuen“. Beim Hamburger Einwohnerzentralamt, zu dem die Ausländerbehörde gehört, hieß es zu den von Asklepios genannten Problemen: „Die aufgezeigten Kritikpunkte sind uns bekannt.“ Man stehe dazu bereits in Kontakt mit dem Klinikbetreiber und habe für den Jahresanfang einen Termin verabredet, „in dem die einzelnen Punkte besprochen werden sollen“.
Zudem befinde sich Hamburg derzeit „in der Vorbereitung der Umsetzung des neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetzes“, das zum 1. März 2020 in Kraft treten wird. In diesem Zusammenhang werde die Stadt eine neue „kundenorientierte und wettbewerbsfähige zentrale Servicestelle“ für Unternehmen und zuwandernde Fachkräfte unter einem Dach einrichten.
CDU sieht bei den Behörden hohen Personalbedarf
Anfang Dezember hatten mehrere Hamburger Bürgerschaftsabgeordnete der CDU-Fraktion in einem Antrag an den Senat darauf hingewiesen, dass das neue Gesetz eine Frist von nur zwei Monaten für die Bearbeitung der Anerkennungsverfahren vorsieht, wovon man aber noch „weit entfernt“ sei. Beim Personal der entsprechenden Behörden bestehe „massiver Aufstockungsbedarf“.
Beim Klinikbetreiber Asklepios ist man denn auch skeptisch, ob das Fachkräfteeinwanderungsgesetz in der Praxis eine Verbesserung bringen wird. Für Juan dela Cruz und seine künftigen Kollegen aus Indien geht das Ringen mit der Bürokratie unterdessen weiter. „Für uns bedeuten die vielen Stunden, die wir in der Ausländerbehörde auf einen Termin warten müssen, großen Stress“, sagt Vijo George. Seine Frau ergänzt: „Wir werden von Bekannten aus Indien natürlich gefragt, welche Erfahrungen wir hier in Deutschland machen. Ich muss dann sagen: Geht nicht gerade nach Hamburg.“