Hamburg. Das Start-up Terrorists of beauty will mit seinen Produkten die Schönheitsindustrie revolutionieren. Die Nachfrage ist groß.

Hier an diesem Tisch, dem alten Werktisch ihrer Oma, hat es angefangen. Wieder einmal. Denn genau hier, auf der braunen, zerkratzen Tischplatte, hat Natalie Richter (34) sich schon einmal Notizen für ein Firmenkonzept gemacht. Schon einmal ein Start-up gegründet und groß gemacht. Das Getränke-Label leev, dessen Markenzeichen sortenreine Apfelsäfte sind. 2015 war das. Leev hat sich seitdem einen Namen gemacht, verkauft 25.000 Flaschen pro Monat und liefert sogar in die Schweiz. Viel zu tun also für Natalie Richter.

Und trotzdem: Irgendwann saß sie wieder an diesem Tisch in ihrer WG und diskutierte mit ihrer Mitbewohnerin Mar Navajas (27) die Frage, warum sie eigentlich so viele Kosmetikprodukte haben – und ob man dieses Zeug eigentlich wirklich benötige. „Da wir alle in der WG ein bisschen öko sind, wollten wir auf plastikfreie Blockseifen umstellen“, sagt Richter. „Doch keine der Seifen konnte uns überzeugen“, fügt Navajas hinzu. Was also sollte man tun?

Eine Seife für alles

Nun ist Natalie Richter niemand, der Fragen im Raum stehen lässt, sondern eine Frau, die Lösungen für Probleme sucht. „Ich konnte mich einfach nicht damit abfinden, dass es keine Lösung geben soll.“ Noch in der gleichen Nacht, irgendwann im September 2018, setzte sich die 34-Jährige hin und entwickelte in ihrem Bett ein Markenkonzept. Eine Marke, die im krassen Gegensatz zu den Gesetzen der Schönheitsindustrie steht. Eine Marke, die keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen macht. Die ohne unnötige Produkte auskommt – ohne Duschgel, Shampoo, Gesichtsreiniger, Creme und Bodylotion.

Die sich stattdessen auf wenige Basics konzentriert. Und die radikal anders ist: ohne Palmöl, ohne Plastik und Mikroplastik. Nur mit natürlichen Zutaten und handgemacht in Deutschland. 100 Gramm Seife für den ganzen Körper kosten im Internet 12,90 Euro. „Wenn man wirklich auf ein paar wenige Produkte umstellen will – dann sollten diese wenigen Produkte 100-prozentig sein“, so die Devise von Natalie Richter, die am nächsten Morgen mit ihrem Konzept sofort Mar Navajas überzeugen konnte.

Da die gebürtige Spanierin früher oft Seifen selbst gemacht hatte, war ihr klar, dass sie diese nicht in ihrer Küche herstellen können – sondern einen Produzenten brauchen. Natürlich in Deutschland, möglichst in der Nähe.

Der Name, das war sofort klar, sollte all das ausdrücken, wofür sie stehen – und wogegen sie kämpfen: die Gesetze der Schönheitsindustrie. Dafür konnte es nur einen passenden Namen geben: Terrorists of beauty. So stand es schon in dem Markenkonzept von Natalie Richter. „Der Name sollte provozieren und aufrütteln. Wir haben eine deutliche Botschaft, und die sollte sich schon im Namen widerspiegeln.“

Die Seife erlebt ein Comeback

Dass sie heute hier an dem alten Tisch sitzen und über 11.000 verkaufte Seifen und Verhandlungen mit Budnikowsky und Douglas sprechen, das überrascht sie selbst ein wenig. Das habe sich irgendwie verselbstständigt. Denn mit ihren vier verschiedenen Blockseifen aus natürlichen Inhaltsstoffen haben die Gründerinnen von Terrorists of beauty den Nerv der Zeit getroffen. Nachdem Seifenstücke jahrelang nahezu verschwunden waren und durch Flüssigseifen und andere Kosmetikprodukte ersetzt wurden, erleben die Alleskönner gerade ihr großes Comeback.

„Denn die Konsumenten hinterfragen immer kritischer die Inhaltsstoffe von Kosmetik, wünschen sich statt Chemie vor allem natürliche Inhaltsstoffe“, so die Vermutung der Gründerinnen. Hinzu kommt: „In Zeiten des Klimawandels wird Nachhaltigkeit für die Menschen immer wichtiger. Die Kunden bekommen ein vergleichbares Produkt für ein besseres Gewissen“, erklärt Ulrich Reinhardt, Leiter der Hamburger Stiftung für Zukunftsfragen, den Trend.

Vielleicht ist es so zu erklären, dass die Erstproduktion von 1000 Seifen nach vier Wochen ausverkauft war. Ohne, dass Terrorists of beauty Werbung für die Produkte gemacht hatte. Denn bei 8000 Euro Startkapital war gerade genug Geld für die hochwertigen Zutaten sowie die Produktion der Seifen, nicht aber für Marketing vorhanden. „Das war einfach eine Kettenreaktion“, erinnert sich Mar Navajas. „Für die Fotos auf unserer Website hatten wir 16 Models gewinnen können. Und die waren von den Seifen so begeistert, dass sie das gleich im Internet weiterverbreiteten.“

Gründerinnen schlagen Deal mit Douglas aus

Nachdem die beiden Gründerinnen auf ihren privaten Facebook- und Instagram-Accounts außerdem einen Eintrag zu Terrorists of beauty gepostet hatten, setzte eine Kettenreaktion ein. Die Nachricht wurde weiter und weiter verbreitet. „Als die erste Bestellung einging, konnten wir es gar nicht glauben“, erinnert sich Natalie Richter und erzählt, wie sie nächtelang nach ihren regulären Jobs Pakete gepackt und verschickt haben.

Heute übernimmt das eine Stiftung für sie. Heute gibt es ihre Seifen bei Budnikowsky. Heute führen sie Gespräche mit Rossmann, dm, Edeka, Müller und Globus. Sogar Douglas hatte ein Angebot gemacht – das sie aber ablehnten. „Die Konditionen haben nicht unseren Vorstellungen von einer nachhaltigen Zusammenarbeit entsprochen“, so die Begründung der beiden.

Sie wollen sich nicht verbiegen, halten an ihren Grundsätzen fest: „Wir wollen nachhaltig denken, arbeiten und dadurch einen Beitrag für diese Welt leisten“, lautet ihre Devise. Aus diesem Grund lasse man die Seifen in einer Manufaktur nahe Hannover in Handarbeit im Kaltrührverfahren fertigen und unter Einsatz von hochwertigen Ölen herstellen.

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„Einfach Seifenrohlinge aus Asien nehmen oder die Seifen aus Granulat pressen lassen, wie es in der Branche üblich ist – das ist für uns nie infrage gekommen“, sagen die beiden mit Nachdruck und gehen noch einen Schritt weiter: Die Verpackung besteht lediglich aus einer Banderole und ist klimaneutral bedruckt und kommt ebenfalls aus Deutschland, auf Plastik wird komplett verzichtet, selbst Klebeband gibt es nicht. Alles werde in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung verpackt und CO2-neutral verschickt.

Die beiden Jungunternehmerinnen machen derzeit alles alleine – und haben noch viel vor. In den nächsten Wochen erwarten sie eine Lieferung mit 20.000 Seifen für das Weihnachtsgeschäft. Außerdem wollen sie 2020 einen Deostick auf den Markt bringen. 80 Stück hatten sie für einen Testlauf produzieren lassen – sie waren in vier Tagen ausverkauft. Die Idee dazu hatten sie an ihrem alten, braunen Tisch. Wo sonst!?