Hamburg. Die Hansestadt punktet im Vergleich der 30 größten deutschen Städte mit einigen Verbesserungen, hat aber ein Grundproblem.

Auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung hinkt der Osten dem Westen bezüglich der Wirtschaftskraft hinterher – eine neue Studie kommt allerdings zu überraschenden Ergebnissen. Das Hamburger WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) und die Privatbank Berenberg haben die Wettbewerbsfähigkeit der 30 größten deutschen Städte verglichen. Und die ersten Plätze belegen zwei Städte, die rein geografisch im Osten verankert sind.

Berlin führt die Rangliste vor dem Aufsteiger Leipzig und dem entthronten Spitzenreiter München an. „Berlin ist erwachsener geworden und spielt international in der Topliga der Städte mit“, sagt HWWI-Direktor Henning Vöpel. Auch Hamburg bescheinigt die Studie eine positive Entwicklung. Die Hansestadt schaffte ihre bisher beste Platzierung im zum sechsten Mal aufgelegten Ranking, das alle zwei Jahre erstellt wird. Es ging zwei Plätze von acht auf sechs nach oben.

Bevölkerungswachstum als Kennzahl für Attraktivität Hamburgs

Hamburg kann mit einigen Verbesserungen punkten. So wuchs zwischen 2014 und 2017 (auf diesem Zeitraum basieren die Zahlen für 2019) die Bevölkerung um fast 68.000 Personen. Das gilt als Zeichen der Attraktivität einer Stadt, die zukünftig daraus ihr Arbeitskräftepotenzial decken kann. Nach Berlin hatte die Hansestadt den höchsten absoluten Zuwachs. Prozentual stieg die Einwohnerzahl um 3,8 Prozent.

Die demografischen Zukunftsaussichten werden als erfreulich eingeschätzt. Bis 2030 soll die Bevölkerung um 8,8 Prozent steigen, vor allem junge Menschen drängen in die Stadt. Hinsichtlich dieser Aspekte nimmt die Stadt damit die Plätze sechs und sieben im Ranking ein – das zeigt aber auch das Dilemma der Elbstadt auf.

Hamburg: keine Schwächen, "aber auch keine ausnehmenden Stärken"

„Hamburg hat keine Schwächen, aber auch keine ausnehmenden Stärken“, sagt Vöpel. Abgesehen vom höchsten Anteil der Schulabgänger mit Hochschulreife (57,7 Prozent) fehlen Topplatzierungen. Verglichen mit anderen Millionenstädten gebe es beispielsweise die niedrigsten Anteile an Beschäftigten mit Hochschulabschluss und in Forschung und Entwicklung.

„Da hochqualifizierte Arbeitskräfte zum entscheidenden Engpassfaktor im Kampf um die Ansiedlung wissensintensiver Unternehmen werden können, ist die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit einer Stadt zunehmend davon abhängig, wie sich Städte bei dieser Beschäftigtengruppe gegenüber der Konkurrenz positionieren“, sagt Hans-Walter Peters, Sprecher der persönlich haftenden Gesellschafter der Hamburger Traditionsbank Berenberg.

Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt in Hamburg positiv

Generell ist die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt mit einem Anstieg der Erwerbspersonen um knapp vier Prozent aber positiv. Es seien mehr Jobs in der Hansestadt geschaffen worden als in anderen Städten, sagt Vöpel. Unter ökonomischen Gesichtspunkten reichte es in einer Kategorie zu einer sehr guten Platzierung. Das regionale Bruttoinlandsprodukt (BIP) lag 2016 bei 113 Milliarden Euro und war damit nach Berlin am zweithöchsten – allerdings ist das auch der Größe der Stadt geschuldet.

Als Indikator für den wirtschaftlichen Wohlstand gilt die Produktivität. Die Wirtschaftskraft wird als Relation von BIP zu Erwerbstätigem gemessen. Das BIP je Erwerbstätigem kletterte in Hamburg innerhalb von drei Jahren von 86.520 Euro auf 92.163 Euro 2016. In absoluten Zahlen reicht das zu Platz sieben. Das prozentuale Wachstum liegt bei 6,5 Prozent – hört sich gut an, aber 20 Städte sind stärker gewachsen. „Bei der Produktivitätsentwicklung hinkt Hamburg leicht hinterher. Es ist also noch Luft nach oben“, sagt Vöpel.

Studie bescheinigt Hamburg gute Standortvoraussetzungen

Insgesamt bietet die Stadt mit ihrer kaufmännischen Tradition, dem Hafen, den Universitäten und attraktiven Arbeitgebern aus der Luftfahrt (Airbus, Lufthansa Technik) und Medizintechnik (Philips, Eppendorf, Evotec) gute Standortvoraussetzungen. Das Wohnungsbauprogramm und die Zielsetzung, Wissenschaftsmetropole zu werden, hält Vöpel für richtige Schritte des Senats. „Weitere Ansiedlungen von internationalen Unternehmen, insbesondere aus den Bereichen Technologie und wissensbasierten Dienstleistungen, wären für die Zukunft wichtig“, sagt der Wirtschaftsprofessor.

Allerdings drohe dies an der Erreichbarkeit zu scheitern. International habe Hamburg nur eine Randlage, dem Flughafen fehlen Langstreckenverbindungen in die USA oder nach Asien, die für internationale Konzerne trotz Videokonferenzen immer noch ein wichtiger Entscheidungsfaktor seien.

Berlin, "eine der dynamischsten Städte Deutschlands"

In der Kategorie Erreichbarkeit bieten die meisten vor Hamburg platzierten Städte bessere Angebote – wie auch Berlin. Die Hauptstadt schaffte in der Rangliste den Sprung von Platz fünf auf eins. Sie erzielte das höchste Wachstum bei der Erwerbstätigkeit in allen 30 Städten, Bevölkerung und Produktivität wuchsen stark. So legte das BIP je Erwerbstätigem um 8,6 Prozent zu, liegt mit 68.906 Euro allerdings noch deutlich unter dem Hamburger Wert.

„Berlin hat sich zu einer der dynamischsten Städte Deutschlands entwickelt“, sagt Peters: „Gute Standortfaktoren, insbesondere die Internationalität und Erreichbarkeit, tragen zur positiven Entwicklung bei.“ Die Zukunft sehe gut aus, weil die (insbesondere junge) Bevölkerung weiter zulege.

München stößt langsam an seine Wachstumsgrenzen

München habe die größte Bevölkerungsdichte aller untersuchten Städte und stoße beim Wachstum so langsam an seine Grenzen. Die bayerische Landeshauptstadt punktet mit den Unis, den Technologieunternehmen und dem großen Flughafen.

Die Isarstadt ist und bleibt ökonomisch stark und hat mit 100.776 Euro BIP pro Erwerbstätigen die höchste Produktivität aller Städte – das macht weitere hohe Steigerungsraten allerdings auch schwierig. In Berlin und Leipzig lägen diese 30 bis 40 Prozent unter den Münchner Werten.

Leipzig wächst am stärksten

Die sächsische Stadt holte stark auf und legte in der Wirtschaftskraft um 10,5 Prozent zu. Mit knapp sieben Prozent Bevölkerungswachstum verbuchte sie zudem das stärkste Plus aller untersuchten Städte – die dynamischen Komponenten gleichen viele schwächere Punkte aus. „Die unterdurchschnittlich ausgeprägten Standortfaktoren Bildung und Innovationen, Internationalität und Erreichbarkeit in Leipzig haben deutliches Entwicklungspotenzial nach oben“, sagt Vöpel. Leipzig lebe vor allem von Zuzügen aus der näheren Umgebung.

Die Stadt wächst, während ländliche Regionen ausbluten – es ist eine bekannte Entwicklung und ein Indiz dafür, dass die Bedeutung der Städte als Lebens- und Wirtschaftsraum weiter zunimmt. „Wir erleben in Deutschland zunehmend ein Stadt-Land-Gefälle, Städte bieten Zugang zu Netzwerken und Infrastruktur“, sagt Vöpel.

Die Produktivität legt dort stärker zu als im Bundesschnitt. Für Peters hängt von den Städten mit ihrer wirtschaftlichen und demografischen Entwicklung daher maßgeblich die Zukunftsfähigkeit der Bundesrepublik ab: „In ihnen konzentrieren sich die wirtschaftlichen Aktivitäten unseres Landes, hier wird das Wachstum ganzer Regionen forciert und angetrieben.“