Hamburg. Sie haben ein spezielles Angebot, eine besondere Atmosphäre. Heute: das Möbelhaus Deubelius an der Hoheluftchaussee.

Hoheluftchaussee hinter der U-Bahn-Brücke. Erst kommt ein Thai-Imbiss, dann ein alter Eisenwarenhändler und dann ein Laden mit ungewöhnlicher Schaufenster-Dekoration: Holz-Spielzeug für Kleinkinder, dahinter Sofas und Betten. „Möbelhaus Deubelius“ steht auf dem mit Leuchtstoffröhren versehenen Firmenschild über dem Eingang. In Schreibschrift, mit einer Tilde auf jedem „u“. Na gut, mag der neugierige Besucher denken und öffnet die Tür. Weiter kommt er nicht. Drinnen stehen eine Reihe von Kunden in Gesprächen mit Fachverkäufern.

Nach links können sie nicht zurückweichen, da stehen Betten. Nach rechts auch nicht, da stehen Sessel. Bei Deubelius ist die Möbelauslage dicht gedrängt. Wer sein Leben bisher bei riesigen Möbelhäusern wie Höffner, Ikea oder Kraft eingerichtet hat, für den ist das kleine Deubelius eine völlig neue Erfahrung. 500 gegen 18.000 Quadratmeter. Wie kann man da bestehen?

Das Geschäft wurde vor 100 Jahren gegründet

Die Antwort erfährt, wer sich durch die Sessel bis hinten durchkämpft. Dort sitzt Christian Mock, Gesellschafter und Geschäftsführer des Ladens. Schlank und groß gewachsen ist er. Die dunklen Haare gehen etwas zurück auf dem schmalen Kopf. Existenzsorgen habe er nicht, lautet seine Antwort: „Wir wachsen seit Jahren, und zwar deutlich.“

Möglich gemacht hat dieses Wachstum eine radikale Änderung der Geschäftsstrategie. Das versteht, wer die Geschichte des Möbelhauses Deubelius kennt, das vor 100 Jahren am 1. April 1919 von Heinrich Deubelius an der Hoheluftchaussee gegründet worden ist. Damals stellte das Unternehmen selbst vor allem Kleinmöbel wie Kommoden, Sekretäre oder Nähtischchen her. Deubelius’ Tochter Wally führte das Unternehmen in den 50er-, 60er- und 70er-Jahren. Bereits früh erkannte sie, dass das Geschäft nur mit Kleinmöbeln nicht wachsen kann.

So wandelte sich Deubelius in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einem Vollsortimenter und bot fortan Schlafzimmer, Wohnzimmer, Kinderzimmer, Küchenmöbel und so fort an. In dieser Zeit trat auch der Tischlergeselle Martin Mock in das Unternehmen ein. Dieses gab die Eigenproduktion nach und nach auf und wandelte sich komplett zum Möbelhändler.

Verbindungen zu rund 50 Produzenten

1987 übernahm die Familie Mock das Möbelhaus. Damals arbeitete der heutige Chef Christian Mock an schulfreien Tagen oder in den Ferien schon mit. „Mit 13 habe ich mein erstes Sofa ausgeliefert, mit 16 meinen ersten Stuhl verkauft“, erinnert sich der heute 53-Jährige. Dann kam die Zeit der großen Möbelketten. „Wie Pilze schossen diese auf den grünen Wiesen aus dem Boden, und bei uns gingen die Umsätze zurück. Wir konnten gegen die Oligopolisten nicht mehr ankommen.“ Seit 1996 leitet Christian Mock das Geschäft. Die Wende hatte er aber schon vorher eingeleitet. Er spezialisierte Deubelius auf den Verkauf von Seniorenmöbeln. „Nur deshalb sind wir noch hier“, sagt er.

Zur Sicherung des Vertriebs schloss Mock Partnerschaften mit Altenwohnanlagen und Seniorenresidenzen. Er gestaltete ihnen die öffentlichen Räume und richtete Musterzimmer mit seinen Möbeln ein. Er suchte sich die passenden Hersteller für solche Spezialmöbel. Heute hat Mock Verbindungen zu rund 50 Produzenten, fast alle sitzen in Deutschland. Dazu kommen zwei Firmen aus Holland, drei aus Dänemark. „Wir verkaufen keine Billigfertigungen aus Asien.“ Da ist Mock eigen. Auch bei der Auslieferung der Ware. „Das machen wir lieber selbst, dazu haben wir eigene Lkw. Fremdfirmen sind unzuverlässig und den Kunden gegenüber auch nicht sehr höflich.“ Für Reparaturen und kleine Änderungsarbeiten an den Möbeln gibt es hinter dem Verkaufshaus eine eigene Werkstatt, in der drei Tischlergesellen arbeiten.

Einen Sessel gibt es kaum unter 4000 Euro

Aber worin unterscheiden sich Seniorenmöbel von normalen Möbeln? Mock antwortet mit einer Gegenfrage: „Haben Sie schon einmal versucht, in einem Rollstuhl sitzend eine Schranktür zu öffnen? Unsere Schränke haben Falt- oder Schiebetüren. Alles wird maßgefertigt“, sagt Mock und zeigt auf die Reihe mit Sesseln. Fünf bis sechs stehen neben­einander. Sie haben verschiedene Bezüge, verschiedene Formen. Einer sticht heraus. Der Sessel gleicht mehr einem bloßen Gerippe. Die Lehnen sind aus Stahl, kleine Motoren schauen unten hervor: „Maß-Sessel“ steht auf der Sitzfläche. „Ältere Menschen, die in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt sind, verbringen die meiste Zeit des Tages in Sesseln.

Das stellt besondere Anforderungen an die Sitzmöbel“, sagt Mock und zählt auf: „Um leichter aufstehen zu können, müssen Sitzflächen und Rückenlehne in der Höhe der Größe des Kunden angepasst sein. Um Wundstellen (Dekubitus) zu vermeiden, bedarf es einer besonderen Polsterung. Für ein kurzes Mittagsschläfchen sind die Sessel auf Knopfdruck in eine bequemere Liegeposition zu verstellen. Auf Wunsch erhalten Sessel zudem Rollen und eine Schiebevorrichtung. Die Bezüge sind besonders robust, falls es in einem Fall von Inkontinenz zu einem Harnaustritt kommt.“ Alles wird bedacht, so auch bei den Betten: Sie haben dieselbe Technik wie Krankenhausbetten. Solche Spezialanfertigungen haben ihren Preis: Einen Sessel gibt es kaum unter 4000 Euro, Betten können bis zu 8000 Euro kosten.

Die Firma bietet auch Umzüge für Senioren an

Deubelius hat bei Senioren mittlerweile einen Namen, die Kundschaft wächst stetig. Das Portfolio wurde erweitert: Es bietet Umzüge in Seniorenwohnanlagen an, inklusive Haushaltsauflösung und Neueinrichtung – alles aus einer Hand. Mock beschäftigt auch keine einfachen Verkäufer, sondern Raumausstatter und Innenarchitekten. Denen muss er mehr bezahlen als Einzelhandelstarif. „Dafür ist ihre Arbeit exzellent.“ Inzwischen ist auch die Stadt mit ihrem Betreuungszentrum „Barrierefreies Leben“ Partner von Deubelius.

Aber warum verkauft er auch Spielzeug? „Daran sind meine zwei Kinder schuld. Die haben mich damals auf die Idee gebracht, obgleich sie inzwischen erwachsen sind“, sagt Mock. Der Umsatz mit dieser Sparte sei zwar gering, aber manche Kunden würden auch gleich etwas für ihre Enkelkinder mitkaufen.