Hamburg . Nach der Insolvenz des Mutterkonzerns Thomas Cook muss die Hamburger Öger Tours um die Existenz bangen. So stehen die Chancen.
Noch vor wenigen Monaten hatte Öger Tours gefeiert – das 50-jährige Bestehen war Anlass für eine Party in der Türkei, bei der Mitarbeiter und Geschäftspartner auf die Zukunft anstießen. Das Comeback des Mittelmeerlandes als Reiseziel war abzusehen, die Zeichen standen nach der Krise auf Wachstum.
Doch seit wenigen Tagen ist die Existenz des traditionsreichen Reiseveranstalters in Gefahr. Öger mit Sitz in Hamburg gehört seit einigen Jahren zur britischen Thomas Cook, die vergangene Woche Insolvenz anmeldete. Die Tochtergesellschaften des Erfinders der Pauschalreisen sind damit ebenfalls in die Zahlungsunfähigkeit gerutscht. Geschäftsführerin von Öger ist seit 2015 Songül Göktas-Rosati, ein Eigengewächs der Firma, die Unternehmensgründer Vural Öger damals bei ihrem Amtsantritt auf einem Branchentreffen herzlich umarmte und sagte „ich bin so stolz auf dich“.
Doch nun liegt das Schicksal der Firma mit Büros am Heidenkampsweg in den Händen der Insolvenzverwalterin Julia Kappel-Gnirs. Die Anwältin organisiert für Öger, aber auch für Bucher, die ebenfalls zu Thomas Cook gehören, den Ablauf des Verfahrens.
Bei Öger sind in Hamburg 40 Mitarbeiter beschäftigt
In Hamburg sind 40 Mitarbeiter bei Öger beschäftigt. Haben sie eine berechtigte Hoffnung auf Rettung des Unternehmens? Immerhin laufen bereits Gespräche mit Investoren, sagte eine Sprecherin der Insolvenzverwaltung. Diese sei "zuversichtlich, die Traditionsmarken wieder am Markt anbieten zu können", heißt es von der zuständigen Kanzlei hww hermann wienberg wilhelm, die in der Vergangenheit etwa die Insolvenzen der Germania Fluggesellschaft, Holzmann und Karmann bearbeitet hat.
Zunächst hatte sich die Insolvenzverwalterin in der vergangenen Woche einen Überblick über die Lage bei Öger Tours verschafft. Die Beschäftigten wurden bei einer Mitarbeiterversammlung über die nächsten Schritte informiert. Die Gehälter der Angestellten, von denen etliche schon seit Jahrzehnten bei Öger arbeiten, sind durch das Insolvenzgeld bis Ende November 2019 gesichert.
Insolvenz-Regelungen für Gäste
Für die Gäste von Öger Tours, die etwa einen Pauschalurlaub in Antalya gebucht haben, gelten die gleichen Bedingungen wie für die übrigen Kunden der Thomas Cook. Informationen dazu finden Betroffene auf einer Serviceseite im Internet. Wenn Kunden ihre Reise bereits angetreten haben, können sie den Urlaub planmäßig zu Ende führen.
Pauschalurlauber der deutschen Thomas Cook, die vom Reisestopp bis 31. Oktober betroffen sind, können zudem nicht mit einer vollen Erstattung des bereits gezahlten Geldes rechnen, wie am Dienstag bekannt wurde. Der insolvente Veranstalter hatte alle Reisen bis 31. Oktober abgesagt, auch wenn sie schon angezahlt oder voll bezahlt waren.
Einen kleinen Trost gibt es für Kunden, die stattdessen an die Ostsee fahren wollen. Wer schriftlich nachweisen kann, dass er bei Thomas Cook eine Reise für den Zeitraum zwischen 27. September und 31. Oktober 2019 gebucht hat, erhält bei teilnehmenden Vermietern an der Lübecker Bucht für diesen Zeitraum einen Rabatt zwischen 25 und 50 Prozent. Interessierte Urlauber könnten sich unter der Rufnummer 04503 7794100 bei der Hotline „Rettung für den Herbsturlaub“ melden, sagte die Sprecherin. Etwa 140.000 Urlauber waren zuletzt über das Unternehmen mit den Marken Thomas Cook, Neckermann, Öger Tours, Air Marin und Bucher Reisen unterwegs.
Investoren als Retter?
Zu den Namen der Investoren, mit denen Gespräche zur Rettung geführt werden, wollte die Kanzlei bisher keine Angaben machen. In Deutschland soll die Marke Neckermann als Zugpferd für staatliche Unterstützung ins Spiel gebracht worden sein. Als Retter für die Gruppe oder auch einzelne Tochterfirmen ist laut Branchenkennern beispielsweise auch die chinesische Fuson im Gespräch. Bereits mit 18 Prozent bei Thomas Cook beteiligt, gilt der Konzern als Hoffnungsträger, zumal er auch die Club-Med-Gruppe schon aus Schwierigkeiten rettete.
Fuson hat nicht zuletzt deshalb Interesse am Reisegeschäft, weil der Tourismus in China stark wächst und die Mittelschicht der Volksrepublik ähnlich wie die Europäer mindestens einen Urlaub im Jahr als Pflichtprogramm des modernen Lifestyles ansieht.
Öger als Pionier im Türkei-Markt
So wie die Chinesen heute den Tourismusmarkt aufrollen, etablierte einst Vural Öger das Reisegeschäft mit und in der Türkei. Alles hatte vor 50 Jahren mit den so genannten Gastarbeiterflügen begonnen. Firmengründer Öger kam als Student nach Deutschland, verdiente sich als Model etwas dazu und arbeitete nebenbei in einem Reisebüro. Später macht er sich mit einer Reiseagentur in Hamburg selbstständig – und wurde zum Pionier für den Türkei-Tourismus. 2010 kaufte Thomas Cook dann Öger Tours. Die Hamburger übernahmen daraufhin nicht nur die Organisation des eigenen bestehenden Geschäfts, sondern entwickelten die Türkeireisen für den gesamten Konzern.
Parallel verfolgte Vural Öger eigene Aktivitäten im türkischen Markt. Vom Firmengründer ist aber keine Hilfe für den Reiseveranstalter in Sicht, der Unternehmer geriet mit seinen später eigenständig verfolgten (Reise-)Geschäften in finanzielle Schieflage und musste vor drei Jahren auch Privatinsolvenz anmelden.