Hamburg. Shopping-Center-Betreiber ECE macht die schwache Lira zu schaffen. Reiseanbieter Öger muss Preise senken.

Der Schock saß tief beim Hamburger Shoppingcenterbetreiber ECE. Eigentlich hatte das erst im Frühjahr vergangenen Jahres eröffnete Einkaufszentrum Modern East zu einer neuen Attraktion im asiatischen Teil der türkischen Metropole Istanbul werden sollen. Ein moderner Bau mit 140 Läden und einer Verkaufsfläche von rund 60.000 Quadratmetern – so groß wie das Alstertal-Einkaufszentrum in der Hansestadt.

Doch im November beschlagnahmte der Staat über Nacht den Konsumtempel. Der Eigentümer der Immobilie wurde verdächtigt, der Bewegung von Fethullah Gülen nahezustehen – dem Erzfeind von Präsident Recep Tayyip Erdogan. Die Hamburger zogen sich daraufhin aus dem Management des Centers zurück, weil eine Zusammenarbeit mit dem Staat als Treuhänder nicht funktionierte.

Politische Turbulenzen

Der Fall zeigt, mit welchen Risiken ein Engagement deutscher Firmen in der Türkei derzeit verbunden ist. Die politischen Turbulenzen nach dem Putschversuch im vergangenen Jahr, die zahlreichen terroristischen Anschläge, aber auch das zunehmend autokratische Auftreten Erdogans haben aus dem einstigen Wirtschaftswunderland einen Wackelkandidaten gemacht.

Äußerlich lässt sich dies vor allem am Verfall der türkischen Lira ablesen. Im Januar sackte die Währung auf immer neue historische Tiefstände ab, nachdem sie schon im vergangenen Jahr 20 Prozent gegenüber dem Euro eingebüßt hatte. Derzeit ist ein Euro etwa vier Lira wert, vor einem Jahr waren es noch etwa drei. Die Ratingagentur Fitch hat türkische Staatsanleihen aufgrund der Turbulenzen mittlerweile auf „BB+“ herabgestuft – Ramschniveau.

Verfall der Lira

Von einstigen Wachstumsraten in Höhe von acht Prozent ist die Türkei im Augenblick weit entfernt. Im dritten Quartal 2016 verzeichnete das Bruttoinlandsprodukt (BIP) mit einem Rückgang von 1,8 Prozent sogar das erste Minus seit dem globalen Krisenjahr 2009. Insgesamt dürfte das Wachstum 2016 zwar noch bei 2,7 Prozent gelegen haben, doch für ein Schwellenland ist das eindeutig zu wenig.

Den Verfall der Lira bekommt die Hamburger ECE-Gruppe derzeit ganz hautnah in ihren verbliebenen 13 Shoppingcentern im Land zu spüren. „Viele der Händler kommen in wirtschaftliche Schwierigkeiten, weil sie ihre Waren in Dollar und die Miete in Euro bezahlen müssen, aufgrund des Verfalls der Lira aber weniger einnehmen“, sagt ECE-Sprecher Christian Stamerjohanns dem Abendblatt. Die Folge für die Hamburger: Sie müssen mit den Mieten runtergehen, wenn sie nicht Leerstände in den Einkaufszentren riskieren wollen.

Parfümerie Douglas hat sich zurückgezogen

Was neue Projekte in der Türkei angeht, so fährt ECE auf Sicht. Im Laufe des Jahres wird zwar noch ein weiteres Einkaufszentrum in dem Land eröffnet, dessen Bau war aber schon lange vorgesehen. „Gänzlich neue Projekte planen wir nicht“, sagt der ECE-Sprecher – wohl auch, weil es schwierig würde, noch große internationale Ketten zu weiteren Investments in der Türkei zu bewegen.

Gänzlich zurückgezogen hat sich jüngst die Parfümerie Douglas. Offiziell, weil es den Deutschen nicht gelungen ist, eine angemessene Marktposition im Land aufzubauen. Weiter aktiv ist die Drogeriekette Rossmann, die über 66 Filialen im Land verfügt. Bei ihr sorgte die Lira-Schwäche dafür, dass die Auslandserlöse nicht mehr wie gewohnt im zweistelligen, sondern nur noch im einstelligen Bereich zulegen konnten.

Reiseveranstalter Öger Tours mit Problemen

Am meisten hat derzeit wohl der Hamburger Reiseveranstalter Öger Tours mit der Türkei-Krise zu kämpfen. Nach dem Putsch im vergangenen Jahr waren die Buchungszahlen im gesamten Markt um rund ein Drittel eingebrochen. Nur mit Mühe gelang es Öger, im Geschäftsjahr 2015/16 die Gewinnzone zu erreichen.

Obwohl sich die Lira-Schwäche für Touristen eher positiv auswirkt, meiden viele Urlauber noch immer das Land aus Sorge um die Sicherheit. „Die Kunden buchen kurzfristiger als früher“, sagt Unternehmenssprecherin Kathrin Rüter-Pantzke. Für die Sommersaison versuchen die Hamburger daher, mit deutlichen Rabatten die großen Hotelanlagen in Antalya oder Belek zu füllen. „Das Preisniveau liegt etwa acht Prozent unter dem des Vorjahres“, sagt Rüter-Pantzke.

Mehr als bisher auf die Kosten schauen

Auswirkungen auf die Hamburger Zentrale haben die Rückgänge bislang noch nicht gehabt. Die rund 60 Beschäftigten müssen zwar noch mehr als bisher auf die Kosten schauen, Arbeitsplätze wurden aber nicht gestrichen. Das liegt auch daran, dass sich Öger mittlerweile für die Muttergesellschaft Thomas Cook um das gesamte Türkei-Geschäft in Kontinentaleuropa kümmert und so an Kompetenzen hinzugewonnen hat.

Die Schwäche auf dem türkischen Markt hat nicht nur Auswirkungen auf Reiseanbieter und Einzelhändler, sondern trifft auch Hamburger Hafenunternehmen. So hatte die Buss-Gruppe im Jahr 2014 mit großen Hoffnungen ein Umschlagterminal an der türkischen Südküste in Betrieb genommen, um von dem vermeintlichen Wachstumsmarkt profitieren zu können.

Umschlag im Hafen von Iskenderun stagniert

Doch die Begeisterung über das Gemeinschaftsprojekt mit dem Partner Erk Lojistik hat merklich nachgelassen. Der Umschlag im Hafen von Iskenderun stagniert, aufgrund der Schwäche der Lira sei die Situation schwierig, sagte eine Buss-Sprecherin.

Unter den wichtigsten Hamburger Handelspartnern belegt die Türkei derzeit den 14. Platz. Insgesamt dürften die Exporte in das Land am Bosporus im vergangenen Jahr in etwa gleich geblieben sein, während die Importe leicht anstiegen. Nach Angaben der Handelskammer unterhalten derzeit rund 550 Firmen Geschäftsbeziehungen mit der Türkei. Nach Hamburg importiert wird vor allem Bekleidung, exportiert werden unter anderem Maschinen und chemische Erzeugnisse.