Hamburg. In Ankara geboren, im Alten Land zu Hause: Die 45-Jährige leitet seit 1. Oktober das Hamburger Reiseunternehmen.
Das neue Gesicht von Öger Tours ist ein sehr attraktives. Die Zeiten, als Vural Öger, ebenfalls sehr schnittig und stets im Maßanzug, mit seidenem Einstecktuch und Gentleman-Manieren sein Reiseunternehmen repräsentierte, sind lange vorbei. Vor fünf Jahren verkaufte der Hamburger seine Firma – und nun nimmt Songül Göktas-Rosati Platz auf dem Chefsessel des Veranstalters. Eine gebürtige Türkin, eine Frau und Mutter, eine charmante Besetzung mit Seltenheitswert in der Riege der Spitzenmanager der deutschen Wirtschaft.
Songül Göktas-Rosati nimmt es nicht als selbstverständlich, dass sie nach 15 Jahren bei Öger, ein Eigengewächs also, an die Spitze ihres Arbeitgebers rückt. Vielmehr berichtet sie strahlend von nicht enden wollenden Glückwünschen. Vom Respekt der eigenen Mitarbeiter für die erste eigene Geschäftsführung, nachdem der neue Firmeneigner Thomas Cook zwei Manager nach Hamburg schickte, um bei der Tochterfirma nach dem Rechten zu schauen. Sie erzählt von beglückten Hoteliers und Verbandschefs aus der Reiseszene, welche die Karriere ihrer Landsmännin als Ehre betrachten. Und auch von der Begegnung mit Vural Öger, der sie auf einem Branchentreffen herzlich umarmt habe mit den Worten „ich bin so stolz auf dich“.
„Meine beiden Vorgänger haben es geschafft, das Team nach der Übernahme zu einen, es erfolgreich in den Konzern zu integrieren, zugleich die Marke zu pflegen und sehr gute Ergebnisse zu präsentieren“, sagt Songül Göktas-Rosati. Die 45-Jährige folgt auf Björn Walther, der Ende 2012 von Thomas Cook nach Hamburg kam. In den vergangenen drei Jahren steigerte das Unternehmen den Umsatz um mehr als 15 Prozent, das operative Ergebnis legte um knapp 40 Prozent zu.
„Und auch in diesem Geschäftsjahr haben wir noch eine Schippe drauflegen können – das heißt, wir konnten die Erlöse noch steigern, obwohl es, unter anderem mit den Anschlägen von Sousse in Tunesien, ein sehr herausforderndes Jahr war“, sagt die neue Chefin, die heute in Hamburg noch 65 Mitarbeiter führt. Nach Brancheninformationen soll der Umsatz heute bei etwa 350 Millionen Euro liegen.
Die Mittelmeerspezialisten sind für alle Reisen und Hotels in der Türkei konzernweit verantwortlich, also nicht nur für die Marke Öger, sondern auch für die Angebote bei Thomas Cook oder Neckermann in dem Land. Diese Kompetenzen und damit auch neue Kunden haben die Hamburger mit der Übernahme durch Thomas Cook dazugewonnen. Dafür mussten damals Mitarbeiter in Verwaltungsabteilungen wie Recht oder Personal das Unternehmen verlassen, um Synergien zu heben. 2010 hatten bei Öger noch gut 100 Beschäftigte gearbeitet.
In diesem Spannungsfeld zwischen Konzernvorgaben und Verantwortung für den türkischen Markt muss sich Songül Göktas-Rosati als Geschäftsführerin nun bewähren. Thomas Cook gibt die Ziele für Umsatz und Ertrag im Reisegeschäft von Öger vor, welche die neue Chefin erfüllen muss. Andererseits entscheidet das Team in Hamburg, welche neuen Unterkünfte, etwa Boutique-Hotels in Istanbul, Skireisen im türkischen Gebirge oder Mietwagenrundreisen in die neuen Kataloge aufgenommen werden.
Für die Türkei verzeichnet Öger weder Umbuchungen noch Stornierungen
Songül Göktas-Rosati beschreibt ihren Führungsstil als sehr offen, mit Sinn für einen respektvollen Umgang untereinander, für Teamplaying. „Alle Kollegen spielen ihren Part sehr gut. Ich versuche, sie zu unterstützen – wie in einem Orchester, jeder spielt seinen Part, ich bringe die Dinge in Einklang, gebe Ziele vor, und wir setzen alles daran, sie im Team zu erreichen“, sagt die neue Geschäftsführerin, die schon immer gern Verantwortung übernommen hat: zu Beginn ihrer Karriere, nach einem Intermezzo als Stewardess, bei der Leitung von Callcentern, die sie für Firmen wie Stella Musicals aufbaute. Und später im Produktmanagement bei Öger, wo sie mit ihrem Team auf die Suche ging nach neuen Zielgebieten und individuellen Hotels.
Songül Göktas-Rosati wurde in Ankara geboren, kam aber schon als Baby nach Hamburg. Noch heute wohnt sie im Alten Land, wo sich bereits ihre Eltern als eine der ersten Einwandererfamilien aus der Türkei niedergelassen hatten. „Ich fühle mich als Altländerin“, beschreibt sie ihr Heimatgefühl. Als Frau habe sie in der Branche übrigens nie Nachteile gehabt, sagt sie. „Es wird immer gesagt, im muslimischen Kulturkreis gingen die Frauen zehn Meter hinter den Männern“, sagt Songül Göktas-Rosati. Doch das treffe auf die Türkei nicht zu. Schon in den 1990er-Jahren wurde das Land von einer Ministerpräsidentin regiert, und das Wahlrecht für Frauen sei dort früher eingeführt worden als etwa in Frankreich oder Griechenland. Auch im Konzern Thomas Cook gehen die Frauen neuerdings voran. Stefanie Berk ist neue Vorsitzende der Geschäftsführung der Thomas Cook Touristic GmbH. Zum Mutterkonzern nach Oberursel wechselt jetzt auch Björn Walther, als Finance Director für Kontinentaleuropa.
Das gegenwärtige Geschäft bei Öger wird beflügelt durch Wachstum an der Ägäis, aber auch in Regionen wie Kemer und Istanbul. „Der Anschlag in Ankara hat bislang keine Auswirkungen auf uns“, sagt Songül Göktas-Rosati. „Wir bieten Ankara lediglich im Rahmen von Nur-Hotel-Buchungen an und haben dort derzeit keine Gäste.“ Für die gesamte Türkei verzeichne Öger weder Umbuchungen noch Stornierungen. Die Lage in den Ferienorten sei ruhig und entspannt, kostenlose Umbuchungen oder Stornierungen biete der Veranstalter somit nicht an. Natürlich geht es für Songül Göktas-Rosati selbst und ihre Familie – sie ist mit einem Italiener verheiratet und Mutter einer Tochter – auch bald wieder in die Türkei. Nach Belek zum Golfspielen.