Hamburg. Limberry-Gründerin Sibilla Kawala lud alle Hamburger “Höhlen“-Teilnehmer zum Austausch ein. Das Abendblatt war dabei.

Zwischen den Schälchen mit Salzbrezeln und Mini-Schokoriegeln stehen Gläser mit Gewürzmischungen, auf den Stehtischen liegen Tütchen, die einen Papierfilter und eine Portion Kaffee enthalten – zum Mitnehmen. Die Füllung des Finger Foods ist mit Rote Bete, und für das Gruppenfoto nehmen die Gäste Aufstellung vor Kleiderständern, an denen Dirndl und Blusen hängen. Vorher hat es eine Vorstellungsrunde gegeben.

Die Höhle der Löwen. DHDL-Klassentreffen. Die 10 HH-Teilnehmer aus Staffel 2 und 3 treffen sich bei Limberry.
Die Höhle der Löwen. DHDL-Klassentreffen. Die 10 HH-Teilnehmer aus Staffel 2 und 3 treffen sich bei Limberry. © Marcelo Hernandez | Marcelo Hernandez

Das ist ungewöhnlich für ein „Klassentreffen“, als das die Party angekündigt war. Tatsächlich treffen sich viele der jungen Firmengründer an diesem Abend in den Winterhuder Limberry-Büros zum ersten Mal. Trotzdem haben sie sich viel zu erzählen, denn sie haben eine Erfahrung gemeinsam: Alle sind durch „Die Höhle der Löwen“ gegangen, haben – mit mehr oder weniger großem Erfolg – versucht, die Juroren in der Start-up-Show des TV-Senders Vox von ihrem Geschäftskonzept zu überzeugen und als Investoren zu gewinnen.

Limberry-Gründerin Sibilla Kawala hat die zehn Hamburger „Höhlen“-Teilnehmer der Jahre 2015 und 2016 zum Erfahrungsaustausch eingeladen. Wie ist es den Gründern und ihren Start-ups nach dem Fernsehauftritt ergangen? Das Abendblatt war exklusiv dabei.

Ankerkraut

Anne und Stefan Lemcke sind vielleicht die „Könige der Löwen“ unter den Hamburger Teilnehmern. In der Show sagte Investor Frank Thelen 300.000 Euro für 20 Prozent der Anteile an der Firma zu, die in Sinstorf Gewürze mischt. Der Deal kam zustande. Ankerkraut investierte in die Produktion und neue Maschinen. Mittlerweile stehen in Rewe-Märkten Aktionsstände mit den Ankerkrautprodukten – und einem großen Bild des Gründer-Ehepaars. „Es läuft phantastisch“, sagen die Lemckes. Vor der Sendung hatten sie für dieses Jahr mit 2,5 Millionen Euro Umsatz gerechnet, jetzt könnten es knapp fünf Millionen Euro werden. „Frank fördert und fordert“, sagt Stefan Lemcke über den Investor. Seine Frau Anne wird zur Mitarbeiterweihnachtsfeier etwa 45 Einladungen verschicken. Vor einem Jahr waren es nicht ganz 20. Fazit der Gründer: „Die Sendung war ein totaler Glücksgriff für uns.“

Gesund und Mutter

Susi Leyck ist die Mutter unter den Hamburger Gründerinnen, mit der Sendung erging es ihr wie vielen anderen der Teilnehmer: Keiner der Löwen stieg in ihr Start-up ein, aber der Umsatz ging nach der Sendung durch die Decke. „Es ist schon Wahnsinn, wie viele Bestellungen eingehen.“ Zeitweise brauchte sie sechs Mitarbeiter für den Versand, sonst genügen zwei. 12.000 Weckgläser mit fertig zubereitetem Essen hatte Susi Leyck vorproduziert. Die Produktidee hatte sie nach der Geburt ihres ersten Kindes, als sie so gar keine Zeit zum Kochen fand. Neben den auf die Bedürfnisse stillender Frauen abgestimmten Gesund-und-Mutter-Portionen gibt es inzwischen die Produktlinie Fein und Fertig. Einige der vorproduzierten Gerichte musste Susi Leyck einige Wochen nach der Sendung schon nachkochen. Fazit der Gründerin: „Ich kann jedem Start-up die Show empfehlen. Man steht unter hohem Druck, muss unternehmerisch handeln – und reift total.“

Life is you

Beata und Chris Bahr gehören zu den eher stillen Gründern. Mit ihren Kaffeeportionen im Papierfilter für den Becher waren sie schon 2015 in der Show. Vural Öger – damals noch einer der Löwen – sagte 150.000 Euro für 33 Prozent der Anteile zu, der Deal kam nicht zustande. Trotzdem sagt Chris Bahr: „Die Sendung hat das Unternehmen um zwei Jahre nach vorne gebracht.“ Kunden, die nach der Show erstmals bestellten, tun das bis heute. Life is you wächst weiter – „ohne dass wir Werbung machen“, sagt Beata Bahr. Den Firmensitz hat das Ehepaar von Bahrenfeld nach Heimfeld verlegt, die Produktion soll ausgeweitet werden. Das Geld für größere Maschinen soll nun durch ein Crowdinvesting auf der Homepage hereinkommen, das demnächst startet. Fazit der Gründer: „Der Auftritt in der Show war für uns optimal. Wir konnten Millionen Zuschauer erreichen und zeigen, wie unser Produkt funktioniert.“

Thinks

Paul Dudda, Florian Goecke und Lennart Rieper sind so etwas wie die Prinzen unter den Hamburgern. In der Show sagten Ralf Dümmel und Jochen Schweizer jeweils 125.000 Euro für je zehn Prozent der Anteile zu, Schweizer zog später zurück. Das von den Thinks-Gründern erfundene Sporthandtuch Towell ist ein Verkaufsrenner: In den sechs Monaten vor der Sendung wurden keine 5000 davon abgesetzt, danach gingen an die 400.000 Bestellungen ein. Der Nachschub musste aus China eingeflogen werden, mit dem Schiff hätte es viel zu lange gedauert. Intersport, Sport-Scheck, Karstadt, Otto haben das Handtuch im Sortiment – Dümmel sei Dank. Das Towell gibt es schon oder bald in der Schweiz, Holland, Südkorea und Kroatien. Die Gründer arbeiten am nächsten „Alltagshelfer“-Produkt: eine Uhr, deren Krone ins Gehäuse integriert ist und deshalb nicht drückt. Im April kommen zwei weitere Thinks-Produkte – mehr verraten die drei nicht. Fazit der Gründer: „Die Löwen dürfen uns mit jedem Produkt wieder einladen.“

Kale & Me

Annemarie Heyl, Konstantin Timm und David Vinnitski gehören zu den heimlichen Gewinnern. Kein Investor in der Show, aber Bestellungen ohne Ende. Pech allerdings, dass ein Teil der vorproduzierten kaltgepressten Gemüsesäfte für Saftkuren beim Transport zeitweise verschollen und danach nicht mehr verkäuflich war. Im Büro auf St. Pauli musste das Team viele vertröstende Mails an Kunden schreiben und erklären, warum die Lieferung sich verzögert. Die Löwen-Welle ist inzwischen abgearbeitet, der Monatsumsatz deutlich höher. Die Säfte sind nun auch in sehr viel mehr Supermärkten im Sortiment, stehen in mehr Cafés und Restaurants auf der Karte. Seit zwei Wochen ist „Billy Basil“ auf dem Markt, der sechste Saft der Firma – und bald soll es eine Fitness-Box geben. Damit auch Männer einen Grund haben, kaltgepresste Säfte zu bestellen. Fazit der Gründerin: „Wir würden sofort wieder mitmachen und können jedem Start-up dazu raten – auch, wenn es mal nach hinten losgehen kann.“

Spottster

Für Tobias Kempkensteffen und Freya Oehle gab es ein Happy End mit Verzögerung. In der Show ging es 2015 für sie tatsächlich nach hinten los: Es gab nicht nur kein Geld, sondern sogar böse Bemerkungen: „Sie möchten von mir 500.000 Euro, um weitere Verluste zu finanzieren?“, fragte Jochen Schweizer die Spottster-Gründer, deren Software Kunden alarmiert, wenn einer von 5000 beobachteten Online-Shops deren Wunschprodukt auf den Wunschpreis senkt. „Mittlerweile haben wir mehr als 200.000 registrierte Nutzer, machen viel mehr Umsatz, sind aber noch nicht profitabel“, sagt Tobias Kempkensteffen. Spottster erschließe neue Geschäftsbereiche, „das kostet erst mal“. Freya Oehle konnte nicht zur Party kommen. Sie ist viel unterwegs. Neulich saß sie bei einem Wirtschaftsforum in München mit Siemens-Chef Joe Kaeser auf dem Podium. Bei einem Start-up-Kongress gewann Spottster den Hauptpreis: ein Treffen mit Gründerlegende Sir Richard Branson. Und Jochen Schweizer ist einige Monate nach der Show doch noch mit einem sechsstelligen Betrag eingestiegen. Fazit der Gründer: „Es ist Showbusiness, aber jeder, der die Chance hat, sollte sie ergreifen.“

Sugarshape

Laura Gollers und Sabrina Schönborn sehen sich als Revolutionärinnen der Damenunterwäsche – und begeisterten die Löwen. 500.000 Euro wollten Frank Thelen und Judith Williams dem BH- und Dessous-Onlineshop aus dem Elbdörfchen Fliegenberg geben. Beide stiegen dann doch nicht ein. Kein Schaden, findet Laura Gollers, die gemeinsam mit ihrer Schwester „gut aussehende und vor allem passgenaue“ BHs entwickelt, designt und in China produzieren lässt. In den ersten 24 Stunden nach der Show gingen 17.000 Bestellungen ein. „Es läuft weiter gut“, sagt Laura Gollers. Inzwischen ist ein anderer Investor eingestiegen. Statt 15 hat das Unternehmen jetzt etwa 40 Mitarbeiterinnen, und die Gründerinnen arbeiten an der Internationalisierung. Den Shop soll es bald in mehreren weiteren europäischen Ländern geben. Fazit: „Es gibt keine bessere Plattform, um auf sein Start-up aufmerksam zu machen.“

Wizardo

Steffen Oppermann ist ein bisschen der Pechvogel der dritten Staffel. Als er mit seinen Grusel- und Horrormasken in die Höhle ging, trieben gerade die Horrorclowns ihr Unwesen in Deutschland – Oppermann stoppte den Clownmaskenverkauf – und bis Halloween waren es nur noch ein paar Tage. Ein Wizardo-Investor fand sich auch nicht. Trotzdem sagt er: „Die Resonanz war spektakulär, die Zahl der neuen Bestellungen sehr zufriedenstellend.“ Und auch eine ganze Reihe Sonderanfertigungen wurde geordert. Unter anderem für die Bühnenshow von Hard-Rock-Lady Doro Pesch. Am Freitag war Premiere in Magdeburg. Oppermann verhandelt gerade mit einem potenziellen Investor, bleibt aber bei seiner Lebensplanung: Der Frauenarzt steigt wieder in eine Praxis ein. Fazit: „Ich bin froh, diese Erfahrungen gemacht zu haben und ein bisschen stolz auf mich.“

Limberry

Wenn die Lemckes die Könige sind und die Think-Gründer die Prinzen, ist Sibilla Kawala die Königin. Je 125.000 Euro investierten die Löwen Judith Williams und Carsten Maschmeyer in je zehn Prozent der Anteile an ihrem Onlineshop für Trachtenmode. Der Rummel, der nach der Ausstrahlung losbrach, wurde ihr fast zu viel. „Ich habe mich immer eher als das Brain des Unternehmens gesehen, nicht als das Gesicht und wollte gar nicht so im Mittelpunkt stehen“, sagt die promovierte Betriebswirtin. Kurz vor der Show hatte sie das Dirndl- und Blusensortiment noch schnell um Herren-Lederhosen erweitert. Bald sollen Taschen und Schuhe hinzukommen. Limberry ist in größere Räume in Winterhude umgezogen, hat sechs festangestellte Mitarbeiter. „Vor eineinhalb Monaten waren meine Mutter und ich noch allein“, sagt Kawala. Sie hat nebenbei auch noch den Hamburger Zweig des Netzwerks „Women in Digital“ für Frauen in der Digitalwirtschaft aufgebaut. Fazit: „Für mich war es das Beste, was ich tun konnte und würde es immer wieder tun.“

Heimatgut

Aryan Moghaddam und Maurice Fischer sind die Waisenknaben des Abends. Die Gründer des Gemüsechip-Start-ups Heimatgut schafften es als Einzige nicht zur Party. „In den vergangenen Wochen war irre viel zu tun“, sagt Moghaddam am Morgen danach am Telefon. In der Show hatte Jochen Schweizer 125.000 Euro versprochen, es kam nicht dazu. Die Gründer finanzierten die Expansion aus dem Cash-flow. Und der war gewaltig. Die Zahl der Bestellungen war so hoch, dass über Monate keine neuen entgegengenommen werden konnten. Chips gab es nur noch von der Warteliste. Inzwischen ist die Produktionskapazität verzehnfacht, die Zahl der Mitarbeiter auf gut 40 verdreifacht, und neben Wirsing gibt es auch Kokos- und Süßkartoffelchips, Reis-Pops und süß-glasierte Kakao-Bohnen, in ein paar Wochen kommt ein neues Grünkohlprodukt. Die Chips aus Sinstorf werden sogar in Japan und den Emiraten verkauft. Fazit: „Die Show ist eine perfekte Win-win-Veranstaltung.“

Die Party

... dauerte vier Stunden und soll in einigen Monaten bei Ankerkraut in Sinstorf wiederholt werden. Dann wollen auch die Nachbarn von Heimatgut dabei sein.