Hamburg. Seit mehr als 100 Jahren stellt das Familienunternehmen Süßwaren her und verkauft sie auf den Hamburger Wochenmärkten.

Auf dem Parkplatz riecht es nach Lakritz. Die Tür zur Produktionshalle ist zu, doch der Geruch von Süßholz hängt schon draußen in der Luft. In blauer Schürze und mit Mehl an den Händen öffnet Matthias Graßhoff (57) die Tür von Bonbon Pingel – Hamburgs berühmtester Bonsche-Dynastie. Seit mehr als 100 Jahren stellt das Familienunternehmen Süßwaren her und verkauft sie auf den Wochenmärkten in der Hansestadt – auch wenn die Produktion nicht mehr in Hamburg sitzt.

Nachdem sich die Nachbarn immer wieder über Geruch und Lärm beschwert hatten, siedelten die Pingels nach Oersdorf um, rund 80 Kilometer von ihrer Gründungsstätte entfernt. Hier, im Kreis Rendsburg-Eckernförde, nur ein paar Kilometer vom Nord-Ostsee-Kanal entfernt, stört sich niemand an den Bonsche-Machern.

Bonbon Pingel: Mehr als 300 verschiedene Süßigkeiten im Sortiment

„Allerdings hat auch keiner damit gerechnet, dass wir lange bestehen werden. Alle haben gedacht, dass wir pleite gehen“, sagt Chefin Sabine Pingel (55) und lacht. Die meisten Nachbarn hatten ihnen zwei oder drei Jahre gegeben, als sie in ein altes Bauernhaus am Rande des Dorfes zogen – mehr als 50 sind es inzwischen geworden. Jahre, in denen das Traditionsunternehmen einen Schweinestall abgerissen, eine neue Halle aufgebaut und einen Laden eröffnet hat. Jahre, in denen die Produktionsstätte permanent vergrößert und das Sortiment erweitert wurde.

Inzwischen produzieren die Pingels das ganze Jahr über mehr als 300 verschiedene Süßigkeiten wie Bonbons, Lollis, Pralinen, Gebäck – und seit neuestem auch Hundekekse. Auf Wunsch der Kunden haben die Süßwaren-Experten erstmals Leckerli für Vierbeiner entwickelt. „Da bei uns am Stand viel genascht und probiert wird, bekommen oft auch die Hunde etwas zugesteckt. Daraufhin haben die Besitzer angeregt, etwas Spezielles nur für Hunde zu entwickeln“, so Sabine Pingel.

Klingt erstmal ungewöhnlich! Doch für Matthias Graßhoff, der das Unternehmen mit seiner Frau Sabine sowie den beiden Töchtern Hanna (21) und Anna-Lena (23) führt, ist das ein logischer Schritt: „Wir haben schon viele Süßigkeiten nach Kundenwünschen gefertigt.“

Hundekekse von Bonbon Pingel – auch für Menschen lecker?

Bei Pingel ist man stolz darauf, ständig neue Rezepte zu entwickeln und mit Zutaten zu experimentieren. Da werden Schaumküsse mit Salmiak kreiert, Trüffel mit Caipirinha gefüllt und Baiser mit Ingwer verfeinert. Für die Hundekekse hat Pingel-Tochter Hanna herkömmlichen Gebäckteig mit Leberwurst gemischt. Den Hunden scheint es zu schmecken – und den Herrchen auch. Denn die Kekse in Knochenform können wegen der natürlichen Zutaten auch von Menschen verzehrt werden.

100 Gramm kosten 2,50 Euro – das ist vergleichbar mit anderen Gebäcken von Pingel. „Wir machen von der Qualität her keinen Unterschied, ob wir für Hunde oder für Menschen backen“, sagt Matthias Graßhoff entschieden. Die Resonanz der Kunden sei sehr gut. Mehr will er dazu nicht sagen. Verkaufszahlen preisgeben? Über Umsätze sprechen? Gewinne? Er schüttelt den Kopf. Betriebsgeheimnis.

Schokoladentag bei Bonbon Pingel – da hilft auch der Senior

Aber genug geredet, er will an die Arbeit. Es gibt viel zu tun. Heute ist Schokoladentag. Tausende von Pralinen, Lollis, Baiser, Schaumküsse und Kokosmakronen bekommen dann ihre Schokoglasur verpasst. „Und zwar richtige Schokolade aus Belgien. Nicht irgendeine billige Fettglasur, wie andere das machen“, ruft Graßhoff, um das Rattern der Maschine zu übertönen.

Während er hunderte von Salmiak-Bonbons, die vor zwei Tagen bereits gekocht und geformt wurden, einzeln mit der Hand auf das Förderband der Schokoladen-Überzieh-Maschine legt, arbeitet seine Frau die Online-Bestellungen ab. Meistens ist sie mit den Töchtern auf den Wochenmärkten in Hamburg unterwegs, doch heute ist Marktfrei, die Familie kümmert sich gemeinsam um den Nachschub.

Sogar Hans-Jürgen Pingel (82), der Vater von Sabine, hilft mit. Bonbons müssen abgewogen und abgefüllt, Lollis abgezählt und verpackt werden. Zehn Mitarbeiter haben sie. Produziert wird ausschließlich unter der eigenen Marke. Andere mit den Pingelschen Süßwaren beliefern, damit diese die Sachen dann unter eigenem Namen verkaufen? Das kommt für die Pingels gar nicht in Frage.

Bonbon Pingels Hundekekse halten drei bis vier Wochen

Während Sabine Pingel eine Online-Bestellung nach der anderen zusammenstellt und verpackt, legt Matthias Graßhoff nacheinander Salmiak-Bonsche, Schaumküsse und Makronen auf die Schokoladen-Überzug-Maschine. Jedes Süßigkeit wird mit der Hand einzeln vom Wagen genommen und auf das Förderband gepackt. Zwölf Meter ist das Band lang, das die Süßwaren zuerst durch einen Schokostrahl von oben oder ein Schoko-Fußbad von unten transportiert und dann durch einen Kühltunnel fährt, in dem die Schokolade abgekühlt und gehärtet wird. 4,5 Minuten dauert die Fahrt von vorne bis hinten.

In einem Regal am Ende des Raumes stehen Säcke gefüllt mit Bonbons. Bonbons mit Himbeere- und Waldmeister-Geschmack, mit Kokos, Brausepulver, Ingwer und Pfefferminz. Bis zu 16 Kilo sind es pro Sack, Haltbarkeit drei bis vier Wochen. „Aber so lange behalten wir die nie und nimmer“, sagt Pingel.

Jede Praline und jeder Keks sind bei Bonbon Pingel Handarbeit

Sie ist die Enkeltochter des Gründers Dietrich Pingel. Schon als Kind hat sie ihrer Mutter beim Bonbon-Kochen zugeschaut und auf Wochenmärkte begleitet, später eine Ausbildung in der Konditorei gemacht. Während sie von früher erzählt, füllt sie Pralinen mit einer Weinbrand-Marzipan Creme und verziert jede von ihnen mit einer Walnuss. Hunderte. Jede ein Stück Handarbeit.

Manchmal hört Sabine Pingel, dass die Kunden auf dem Markt über die hohen Preise tuscheln. Dass sie sich monieren, weil bei ihnen alles so teuer ist. „Dann sage ich immer: Kommen Sie mal vorbei und gucken Sie sich selbst an, wie wir arbeiten. Dann verstehen Sie das!“ Sie sagt das nicht nur so dahin, sondern meint es auch so: Immer montags ist bei Pingel Schautag. Dann dürfen Besucher bei der Arbeit zusehen. Und probieren. Die Lakritzlollis sind besonders beliebt.