Hamburg. Alles schon gesehen? Diese Rundgänge mit versteckten Restaurants und seltsamen Orten sind ein bisschen anders als die anderen.

Hamburg Ob der Film „Easy Rider“ so erfolgreich geworden wäre, wenn die beiden Hauptdarsteller auf Elektromotorrädern unterwegs gewesen wären? In der Vergangenheit sicher nicht, doch der E-Mobilität gehört die Zukunft. Wir werden bei den anderen Touren noch mit einem normalen Auto, einem alten Bulli und einem Dampfer unterwegs sein, doch für unsere erste Rundfahrt nutzen wir ein E-Moped. Süß sieht es aus, wie es so parkt, aber darf ich damit überhaupt fahren? „Wenn du einen Autoführerschein hast, ja“, sagt Florian Bunke, der sich die Kutten Tours ausgedacht hat. Tatsächlich besitze ich sogar einen Motorradführerschein, allerdings nur, weil mein Easy-Rider-Papa (Harley-Davidson-Heritage-Softail-Custom-Fahrer) mich quasi dazu genötigt hatte. Gefahren bin ich nie, ich Angsthase. „Dann wird es jetzt aber Zeit!“ findet Bunke und verspricht, dass seinen Teilnehmern noch nie etwas passiert sei.

Na ja, die Touren auf den Elektro-Mopeds gibt es auch erst seit Mai, doch seitdem sind sie quasi ständig ausgebucht. „Diese Art von Rundfahrt entspricht dem, was die jüngere Zielgruppe möchte. Die setzen sich nicht in einen Bus, um sich durch die Stadt kurven zu lassen, die wollen aktiv teilnehmen am Geschehen“, erklärt unser E-Guide.

Der Motor im Hinterrad ist gedrosselt auf 45 km/h

Na gut, dann Helm auf und los. Von Barmbek aus fahren wir an der Alster entlang. Bunke erklärt die Entstehung von Binnen- und Außenalster, deren Größe („230 Fußballfelder, hab ich mal ausgerechnet“) und was dieses Naherholungsgebiet für die Hamburger bedeutet. Die meisten Teilnehmer seiner Rundfahrt kommen aus Österreich und Süddeutschland, denen ist das Hanseatische nicht ganz so geläufig.

Weiter geht es über das Rathaus bis in die Speicherstadt. Das E-Moped fährt sich leicht wie ein Autoscooter, man muss nicht kuppeln, es gibt nur Bremsen oder Gasgeben. Die Beschleunigung funktioniert zunächst nur ruppig, aber nach ein paar Minuten hat man verstanden, wie das E-Moped läuft. Der Motor im Hinterrad ist gedrosselt auf 45 km/h, zehn Kilometer mehr wären Florian Bunke ganz lieb, erzählt er, aber für den Stadtverkehr langt das allemal. Am Wasserschloss machen wir Halt.

Ohne Winden wäre in der Speicherstadt früher nichts gegangen

Bunke hat in dem Restaurant, das auf einer Halbinsel zwischen zwei Fleeten liegt, zwei Jahre lang gekellnert. Der 25-Jährige referiert nicht nur die Geschichte des historischen Gebäudes, sondern erklärt auch den Beruf des Windenwärters. Diese Hafenarbeiter hatten das Privileg, in der Speicherstadt wohnen zu dürfen. Sie waren für die Wartung der Speicherwinden zuständig (sieht man heute noch an den Giebeln der Gebäude). Ohne diese Winden wäre in der Speicherstadt früher nichts gegangen, weil es keine Lastenaufzüge gab, um die Waren auf die Speicherböden zu ziehen.

Während wir uns die Umgebung angucken, gucken die Passanten unsere Motorräder an. „Wo ist denn der Auspuff?“ Diese Frage hört Florian Bunke häufig. „Brauchen wir nicht, wir haben einen Akku“, antwortet er dann. Der reicht locker für eine zweieinhalbstündige Rundfahrt, aber bis nach Blankenese kommt man damit nicht. „Und das Treppenviertel würde ich den Leuten schon gerne noch zeigen, vielleicht investiere ich demnächst in Ersatz-Akkus,“ überlegt Bunke und gibt wieder Gas. Die weiteren Stopps sind bei der Elbphilharmonie, am Fischmarkt („ziemlich gehypt für Touristen, aber immer noch schön“), am Elbstrand (dort gibt unser Anführer ein alkoholfreies Getränk aus) und auf der Reeperbahn bei der Herbertstraße. „Die ist wirklich jedem Besucher ein Begriff, egal aus welchem Land er nach Hamburg kommt“, sagt Bunke. Eine Teilnehmerin hielt sich einmal nicht an seinen Rat und ging in die Straße hinein – sie war sehr schnell wieder zurück.

Vom Rotlichtviertel aus geht es zurück Richtung Alster

Vom Rotlichtviertel aus düsen wir zurück Richtung Alster. Ein bisschen unangenehm fühlt es sich an, wenn man an einer Kreuzung von einem Bus und einem Diesel-SUV in die Zange genommen wird. Wir sind so leise auf den E-Mopeds, dass wir uns locker bei der Fahrt unterhalten können – aber es hört uns eben auch niemand. Außerdem stinkt es. „Das macht den größten Vorteil dieser Rundfahrt aus, wir verpesten nicht die Luft“, sagt Bunke.

Am Harvestehuder Weg können wir dann wieder durchatmen. Fahrtwind. Gas geben. Den Unterschied feiern. Denn wie heißt es im bereits erwähnten Film: „Von Freiheit reden und wirklich frei sein, das ist nicht dasselbe.“

www.kutten-tours.de

Sich bei der Taste Tour einmal quer durch die Stadt essen

Auf Safari gehen kann man in Hamburg auch außerhalb von Hagenbecks Tierpark. Bei einer Taste Tour erlebt man die kulinarischen Big Five: Genuss, Leidenschaft, Wissen, Überraschung und angesagte Locations. Sieben Leute können in einem Bus Platz nehmen, der in vier Stunden zu vier verschiedenen Stopps fährt. Welche, erfahren die Teilnehmer vorher nicht. Aus einem Pool von 34 Restaurants, Cafés und Bars setzt sich die Tour jeden Abend aufs Neue zusammen. Klassiker sind genauso dabei wie vielversprechende Newcomer. „Wir wollen zeigen, was gerade Trend ist, die Leute auch mal aus der Komfortzone holen“, sagt Paul Beutin, unser Food-Guide, den wir auf dem Parkplatz der Bullerei treffen.

Aus seinem Kofferraum versorgt er die Gäste erst mal mit Drinks: „Prost! Auf einen tollen Abend.“ Und was macht man so, wenn Unbekannte gemeinsam essen gehen? Man lernt sich erst mal kennen. Alle sieben Teilnehmer verraten ihr Lieblingsgericht, Paul beispielsweise mag gern Pizza, Tacos und Ceviche.

„Noch nie so ungewöhnliche Fischbrötchen gegessen“, urteilen die Teilnehmer der Taste Tour, die zu Über­raschungs­lokalen führt.
„Noch nie so ungewöhnliche Fischbrötchen gegessen“, urteilen die Teilnehmer der Taste Tour, die zu Über­raschungs­lokalen führt. © MARCELO HERNANDEZ / FUNKE Foto Services | Foto: Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Erster Halt auf unserer Essens-Safari: die Perle in der Altstadt

Ein Paar aus München berichtet, es würde auf diese Weise Hamburg besser kennenlernen wollen. „Vielleicht ziehen wird demnächst sogar her, aber da müssen wir erst mal wissen, was hier gastronomisch so los ist“, sagt die Münchnerin Ivonne. „Einiges!“, verspricht Paul. „Wir haben in Hamburg Sachen, die gibt es in keiner anderen Stadt!“

Erster Halt auf unserer Essens-Safari: die Perle. Ein Mittagslokal in der Altstadt, wo Hausmannskost an Bistrotischen serviert wird. Alles ein bisschen „petit“ mit französischem Charme. Der Besitzer könnte im Film „Die fabelhafte Welt der Amélie“ genauso mitgespielt haben wie in verschiedenen 80er-Jahre-Pornos. Je nachdem, was einem besser zusagt. Auf jeden Fall sieht Mario Tino Neumann unvergesslich aus: gezwirbelter Oberlippenbart, Hosenträger, Weste, Fliege. Und er weiß mit Lebensmitteln umzugehen. „Eine nachhaltige Wertschöpfungskette“ sei sein Ziel, erklärt Neumann. „Wir machen alles frisch, auch jede Sauce, jedes Brot, da kann es schon mal passieren, dass ein Gericht auf der Karte aus ist.“ In dem Fall holt er seinen Stempel „aufgegessen“ raus.

In der Rothenbaumchaussee schauen wir den Sushi-Meistern zu

Unter den Teilnehmern ist auch Tobias, ein Bäcker, der gleich das selbst gemachte Brot lobt: „Mit Bier gebacken, wie interessant!“ Dann serviert der Hausherr einen Gado-Gado-Salat. Er schmeckt so scharf und lecker, dass man am liebsten noch eine Portion probieren möchte. Aber nein! Dies hier soll nur Station 1 der Tour sein, Paul ruft: „Wieder alle ins Auto!“ – und weiter geht es.

Wir fahren zu Henssler Go in die Rothenbaumchaussee und schauen den Sushi-Meistern beim Ausüben ihrer Kunst zu. Tobias und seine Frau Katrin machen sich schon mal mit dem für sie ungewohnten Besteck vertraut. „Oje, wie wir hier mit den Stäbchen kämpfen“, sagt Katrin lachend. Doch die Waffen liegen schnell ganz gut in der Hand. Edamame, Sashimi und die Roll aus Garnele, Teriyaki, Ceviche und Avocado sind viel zu schnell verputzt. „Wir wären niemals in dieses Restaurant gegangen, was für ein Erlebnis“, sagt Tobias, und Florian aus München ergänzt: „Ich bezweifle, dass wir in München irgendwo ähnlich guten Fisch bekommen.“

„Fischbrötchen 2.0“ ist das Konzept von Underdocks auf St. Pauli

Weil dieser Fisch so gut war, geht es beim dritten Gang gleich mit Fisch weiter. „Fischbrötchen 2.0“, erklärt Paul das Konzept von Underdocks auf St. Pauli. Tatsächlich ist diese Mischung aus Imbiss und Restaurant, mit einem alten Container als Deko, eine der coolsten Fischbuden Deutschlands. Der indus­trielle Look gefällt den Teilnehmern der Taste Tour. Auch Pulled Lachs und Flusskrebsfleisch mit gegrillter Ananas kommen gut an. „Fischbrötchen war kein sexy Produkt, dieses Image wollten wir ändern“, erklärt Restaurantleiter Ali Madamian. Mission erfüllt.

Aber Achtung! Es gibt bei jedem Restaurant (hier eine Auswahl des Underdocks) viel zu viel. Diese Tour ist nichts für Diäthalter.
Aber Achtung! Es gibt bei jedem Restaurant (hier eine Auswahl des Underdocks) viel zu viel. Diese Tour ist nichts für Diäthalter. © MARCELO HERNANDEZ / FUNKE Foto Services | Foto: Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Nun sind eigentlich alle mehr als satt. Aber ein Drink zum Abschluss geht noch. In der Pelican Bar kommt man sich vor wie in einer Kiez-Version von „Miami Vice“. Sehr farbenfrohe Inneneinrichtung, sehr bunte Drinks. Der fruchtige „Early Smash“ schmeckt gefährlich gut, man merkt, dass die Bartender ihren Beruf als Berufung verstehen. Bevor nun alle in die Nacht entlassen werden, spricht Florian aus München das Abschlusswort: „Diese Tour erweitert den persönlichen Horizont. Man erlebt nicht nur, was in einem Lokal drinsteckt, sondern probiert auch Dinge, die man nie von selbst bestellt hätte.

Ein bisschen Florida-Gefühl mitten auf St. Pauli. In der Pelican Bar werden Cocktails so gemischt, dass alle auf Touren kommen.
Ein bisschen Florida-Gefühl mitten auf St. Pauli. In der Pelican Bar werden Cocktails so gemischt, dass alle auf Touren kommen. © MARCELO HERNANDEZ / FUNKE Foto Services | Foto: Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

https://hamburg.tastetours.de/

Auf der Waterkant Tour Minitopia entdecken

Unser VW-Bus heißt Jette, hat einen gut gefüllten Kühlschrank hinten und nette Plastikblümchen vorn, und mit ihm werden wir drei Stunden lang „Geheimtipps“ entlang des Wassers abfahren. „Jette ist Jahrgang 1986, genau wie ich, wir sind seelenverwandt, sie braucht eine Mischung aus Zärtlichkeit und Gewalt“, sagt Martin Rieger und gibt Gas. Rieger ist einer von 25 Guides von Waterkant Touren; er hat Urban Design studiert und will seinen Gästen eine etwas alternative Stadtrundfahrt bieten. Die Ziele erfahren wir vorher nicht, wir wissen nur: Es geht in den Süden und Osten der Stadt. Wir starten unten in der U-4- Station HafenCity. Sie wurde von der Reiseplattform Travelcircus zur viertschönsten U-Bahn-Station der Welt gewählt (nach Stockholm, Moskau und Kaohsiung in Taiwan).

Die bunten Leuchtkörper kombiniert mit Musik zur vollen Stunde am Wochenende ziehen in der Tat nicht nur uns an, sondern auch einige Tänzer, die den außergewöhnlichen Hintergrund nutzen, um Videos von sich zu drehen. „Ich komme mir hier vor wie im Bauch eines Containerschiffes“, sagt Martin. Ein Frachter mit Disco. Ebenfalls ein Geheimtipp für Stadtplaner: Die Linie U 4 war günstiger als geplant. „Klingt nach einem Wunder heutzutage“, sagt ein Gast aus Nordrhein-Westfalen.

Ein „Fundus für alle“ im Hamburger Oberhafen

Weiter geht es durch den Hamburger Oberhafen. Von der Oberhafenkantine hat wahrscheinlich jeder schon mal gehört, in der Markthalle Hobenköök ein paar Meter weiter kann man genauso gut essen, und richtig interessant wird es dahinter, wenn man schon denkt, hier sind doch nur leere, kaputte Hallen. Dort sitzt die Hanseatische Materialverwaltung. Sie soll ein „Fundus für alle“ sein. Egal ob gemeinnützig, kommerziell oder privat, hier bekommen Kultureinrichtungen, öffentliche Schulen, Universitäten, Künstler und Vereine die Requisiten, Bühnenbilder, Möbel und Materialien, die sie für die Realisierung ihrer Projekte benötigen.

Wie das funktioniert? Nach jedem Filmdreh, Event oder einer Messe werden meist große Mengen verschiedenster Materialien in Containern entsorgt. Das ist unsinnig und umweltschädlich, findet die HMV und sammelt die Gegenstände ein. Wenn das Deutsche Schauspielhaus Hamburg beispielsweise seine barocken Bühnenelemente aus Styropor nicht mehr benötigt, holt die HMV sie ab, und eine Schultheatergruppe kann sich aus diesen alten Ornamentteilen für wenig Geld eine Kulisse zaubern.

Martin Rieger  lehnt in der Tür seiner „Jette“, mit der er Gäste zu versteckten Orten bringt. In dieser Halle wurde der Film „Soulkitchen“ gedreht
Martin Rieger lehnt in der Tür seiner „Jette“, mit der er Gäste zu versteckten Orten bringt. In dieser Halle wurde der Film „Soulkitchen“ gedreht © Michael Rauhe / FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Jette parkt am Industriedenkmal auf der Elbinsel Kaltehofe

Auf das Kreative folgt das Raue. Wir kurven durch Rothenburgsort. „Wann seid ihr das letzte Mal in diesem Stadtteil gewesen?“, fragt Fahrer Martin die Hamburger an Bord. „Hier ist man doch nur, wenn man aus Versehen falsch abbiegt“, sagt ein Mann und erntet ein allgemeines Kopfnicken. Doch Martin kennt auch hier interessante Ecken und parkt Jette schließlich am Industriedenkmal auf der Elbinsel Kaltehofe. Es heißt schließlich „Waterkant Tour“, und an diesem Ort geht es ausschließlich um Wasser.

Kaltehofe war eine technische Großanlage, von der aus ab 1893 (bis 1924) alle Hamburger Haushalte mit Wasser versorgt wurden. Man sieht noch die alten Filterbecken und die Schieberhäuschen im Dornröschenstil. In eines gehen wir hinein, um zu begreifen, wie Wasser früher gereinigt wurde. Nach einer Einführung in Zu- und Abfluss, Filterwärter und schmiedeeiserne Handräder wird klar: Früher war nicht alles besser. „Wir leben im gelobten Wasser-Land heute, das wird einem hier bewusst“, erklärt Martin und sagt stolz das „schwierigste Wort bei meinem Job“ auf: Langsamsandfiltra­tionsanlage. Puh. Darauf erst mal ein Bier aus Jettes Kühlschrank.

Eine Hamburgerin erzählt, warum sie bei der Tour mitmacht: „Mein Freund kommt nicht von hier, bei jedem Besuch fragt er mich was über die Stadt, und ich wollte mich einfach nicht mehr so unwissend fühlen, sondern auch mal mit ungewöhnlichen Geschichten trumpfen können.“

Lernenswertes auf dem „Spielplatz urbaner Selbstversorgung“

Wir fahren am Gold-Haus auf der Veddel vorbei, durch das Reiherstiegviertel, vorbei an den Nordischen Oelwerken (im Volksmund „Katzenkocherei“ genannt) und dem Gebäude, wo der Film „Soulkitchen“ gedreht wurde.

Zu allem hat Martin interessante Geschichten parat, und er parkt Jette schließlich an einem ungewöhnlichen Hamburger Ort: Minitopia. Auf dem „Spielplatz urbaner Selbstversorgung“ kann man lernen, wie ein Windrad oder ein Schlafwagen für Obdachlose entsteht, welche Pflanzen bei Hitze überleben, wie man einen Froschteich anlegt, einen Baum einstrickt oder Socken stopft. „Das beherrscht doch niemand mehr“, sagt Stevie Engelbrecht, die die Besucher rumführt. Sie bezeichnet Minitopia als eine Mischung aus Klimaschutzinitiative, „Do it yourself“-Anlaufstelle und Lernort für Kinder. „Das Thema Nachhaltigkeit scheint nicht nur ein Trend zu sein, wir haben stetig mehr Anfragen“, sagt Engelbrecht. „Große Vision in klein“, so lautet das Minitopia-Motto, und so könnte man auch die Waterkant-Tour zusammenfassen: „Ein großes Gefühl Hamburg in Klein.“

www.waterkant-touren.com

Bei der Gin Tour auf Geld mit Seeblick anstoßen

Eine Tour auf der Elbe oder auf der Alster hat wahrscheinlich jeder Hamburger in seinem Leben schon mal gemacht, deshalb gibt es hier die Version für Fortgeschrittene: eine Fahrt auf dem Gin-Dampfer. Diesen Sommer verwandelt sich jeden Donnerstag um 18.30 Uhr ein normales Alsterschiff in eine schwimmende Cocktailbar. Wir gehen mit 70 anderen Passagieren am Anleger Jungfernstieg an Bord, erstes Ziel für fast alle: die Bar. Markus Kohne von der Bar Broken Paradise auf St. Pauli mixt an diesem Abend die Drinks, er ist seit 25 Jahren im Business und erkennt in den ersten Minuten an der Zusammensetzung der Teilnehmer, welche Stimmung wir erwarten werden.

„Entspannt“, lautet seine Prognose. „Das Gute an Gin: Er steht für eine kultivierte Form des Trinkens, er hat eine Geschichte“, sagt Kohne. „Die Leute interessieren sich heute viel mehr für das, was sie zu sich nehmen.“ Mit Gin-Trinkern bekommt er fast nie Pro­bleme, anders als beispielsweise mit der Klientel, die auf Wodka Red Bull steht.

Mit dem Schiff durch ein Meer von Feierabend-Seglern

Das Schiff legt ab, bei der Alsterfontäne gleich riesiger Selfie-Alarm! Jeder knipst sich mit Drink in der Hand vor dem spritzenden Wasser. Wie viele Handys sind an dieser Stelle wohl schon über Bord gegangen? Hamburgs größter Smartphone-Friedhof, ganz sicher. Die beiden DJs halten sich noch zurück, erst auf der Außenalster drehen sie die Lautstärke auf, niemand soll sich beschweren – der Gin-Dampfer provoziert nicht, er unterhält.

Und zeigt Hamburg von seiner repräsentativsten Seite. Wir fahren vorbei am Atlantic, um uns herum ein Meer an Feierabend-Seglern, oben am Hotel Meridian winken Leute aus der neuen Dachbar. Wer immer jemanden überreden möchte, nach Hamburg zu ziehen, sollte diese Tour für diese Person buchen. Mit einem leichten Glimmer zieht man entlang an dem, was diese Stadt ausmacht. Wasser, Boote, große Villen, Segler, Ruderer, Grün, noch mehr Grün, eine leichte Brise, das Cliff, der Anglo-German Club, das Fontenay … Geld mit Seeblick.

Idee zu der Rundfahrt mit Schuss kommt von Stephan Garbe

Die Idee zu dieser Rundfahrt mit Schuss kommt von Stephan Garbe, dem Gründer von Gin Sul. Der 43-Jährige hatte die Gasteltern seines Sohnes aus Colorado zu Besuch und überlegte sich, was er ihnen gern zeigen würde. „Die Ausflugsschiffe der Hadag sind für mich Wahrzeichen Hamburgs, die viele gar nicht so auf dem Radar haben.“ Dem Spirituosenhersteller gefiel die Tour so gut, dass er eine Kooperation mit der Hadag auf die Beine stellte.

Darauf einen Gin: Gin-Sul-Gründer Stephan­ Garbe und Abendblatt-Chefreporterin Yvonne Weiß stoßen vor himmlischer Alsterkulisse an 
Darauf einen Gin: Gin-Sul-Gründer Stephan­ Garbe und Abendblatt-Chefreporterin Yvonne Weiß stoßen vor himmlischer Alsterkulisse an  © Sebastian Becht / FUNKE Foto Services | Sebastian Becht

„Wir verdienen gar nichts daran, aber es muss ja nicht immer alles Geld bringen, was man macht.“ Der Unternehmer liebt das bestimmte Gefühl an Bord, welches er mit dem portugiesischen Wort Saudade benennt. Eine Gruppe von Linguisten und Dolmetschern wählte Saudade in die Top-Ten-Liste der „unübersetzbaren Wörter der Welt“. Es beschreibt eine Mischung aus Sehnsucht, Fernweh und Wehmut. „Ein wenig melancholisch, aber nicht unbedingt traurig“, erklärt Garbe, der seine Destillerie ursprünglich in Portugal und nicht in Altona bauen wollte. Doch das Unterfangen stellte sich für den deutschen Unternehmer als zu kompliziert heraus, immerhin kommen die Zutaten für Gin Sul aus Garbes Sehnsuchtsland. Trinken wir also auf die deutsch-portugiesische Freundschaft!

Der Kapitän erzählt eine Anekdote nach der anderen

Inzwischen sind 69 Personen gut in Stimmung, nur der Kapitän bleibt nüchtern. „Ich trinke sowieso lieber Whiskey“, sagt Albert Bertz und hält Kurs. Die laute Musik stört ihn nicht. „Das ist doch noch nichts!“, brüllt der Mann, der seit 32 Jahren schon auf allen Binnenschiffen Europas unterwegs war – und nun eben auf der Alster.

Die Kanäle und die vielen Kleinigkeiten, die es dort zu entdecken gibt, das leicht goldene Licht kurz vor Sonnenuntergang, das von den Fenstern St. Georgs reflektiert wird auf das Wasser fällt, das liebt er – und wenn der Feierabendverkehr nachlässt. Nach 20 Uhr, da steuern die Sportbootler so langsam ihre Heimathäfen an.

Vorher muss Bertz aufpassen, nicht gerammt zu werden. „Wir scheinen durchsichtig und unsichtbar für einige zu sein.“ So ein großes Schiff? „Es passieren die unglaublichsten Dinge auf der Alster“, sagt der Kapitän und erzählt eine Anekdote nach der anderen.

… während Kapitän Albert Bertz stocknüchtern bleibt, aber trotzdem launige Anekdoten zum Besten gibt.
… während Kapitän Albert Bertz stocknüchtern bleibt, aber trotzdem launige Anekdoten zum Besten gibt. © Sebastian Becht / FUNKE Foto Services | Sebastian Becht

Auf einer Rundfahrt das Kind an Bord vergessen

Einmal beispielsweise habe er nach einer Rundfahrt aufgeräumt und einen Puppenwagen gefunden. „Ich lehnte mich in den Wagen und dachte: Hmm, sieht so echt aus, diese Puppe!“ Tatsächlich befand sich ein Baby in dem Puppenwagen. Bertz rief die Polizei, es wurde viel und heftig diskutiert. Bertz war zu der Zeit noch junger Vater und entschied: „Okay, wir haben Milch und Pampers zu Hause, dann kümmere ich mich jetzt um das Baby.“ Doch in dem Moment rannte eine aufgelöste Mutter auf das Schiff zu. Kind vergessen.

Ein anderes Mal vergaß ein Mann seine Frau – allerdings mit Absicht. „Fehlt noch jemand?“, fragte Bertz vor dem Ablegen. Keiner sagte was. Bei der Rückkehr wartete eine schimpfende Gattin am Anleger. Sie hatte im Alsterhaus eingekauft und war ein paar Minuten zu spät gekommen, hatte aber gehofft, ihr Mann würde sicher Bescheid geben. Doch ihr Mann fand, irgendwann sei einmal Schluss mit Shoppen, und schwieg. Er lächelte, als er das Schiff verließ.

Wenig zu lachen hatten die beiden Jungs, die sich bei einer Privatparty den Ärger ihrer Oma einhandelten. Albert Bertz fuhr die Geburtstagsgäste der resoluten Dame über die Alster. Zwei von ihnen dachten, es sei lustig, auf das Dach des Schiffes zu klettern. So hüpften herum und bemerkten fast die Streekbrücke nicht, unter der Bertz hindurchfuhr. In letzter Sekunde retteten sie sich, indem sie in ihren Anzügen in die Alster sprangen. Erst da bemerkte der Kapitän, was los war. „Ich drehe sofort um und hole die jungen Herren raus!“, rief er der Gastgeberin zu. „Von wegen“, antwortete diese trocken. „Sollen die doch sehen, wie sie nach Hause kommen. Die Fahrt geht weiter!“

Was für Hamburger Geschichten man auf einem Alsterschiff erleben kann. Cheers to you, Wahrzeichen!

www.gin-sul.de/butterfahrt

Fünf weitere interessante Rundgänge durch Hamburg

Tagsüber mag Hamburg schön und anständig sein, doch nachts sieht die Sache ganz anders aus, da kommen die Geister der Vergangenheit zurück …

Die Teilnehmer der Haunted History Tour entdecken bei diesem Rundgang die Stadt-Geheimnisse, über die niemand gerne spricht. Manche Anekdoten aus der Vergangenheit sind ein bisschen gruselig, deshalb ist die Tour für Kinder eher nicht geeignet. Der Zeitpunkt deutet allerdings auch schon darauf hin. Los geht es freitags, sonnabends und sonntags um 20 Uhr am Hamburger Rathaus. Zwei Stunden später endet die englischsprachige Tour (auf Wunsch auch in Spanisch oder Deutsch) bei der Nikolaikirche. Kosten: Jeder gibt, was er mag.

www.hh-tours.hamburg

Bei dieser Stadtführung trägt man eine Augenbinde und einen Blindenstock. Der Journalist und Fremdenführer Christian Ohrens ist blind, hat aber immer schon gerne fremde Städte erkundet. In der „Blind durch Hamburg“-Tour will er den Gästen beibringen, die Großstadt mit anderen Augen zu sehen. Wie finde ich heraus, vor welchem Geschäft ich stehe, wenn ich die Leuchtreklame nicht lesen kann? Wie orientiere ich mich am Bahnhof oder in der Fußgängerzone? Der Rundgang in der Innenstadt (alternativ: über die Reeperbahn) dauert zwei Stunden, findet ganzjährig außer an Sonntagen statt und kostet 29 Euro.

www.blind-durch-hamburg.de

Bei einer Fahrradfahrt über den
Ohlsdorfer Friedhof
werden Grabstätten ausgewählter Persönlichkeiten, die im Nationalsozialismus verfolgt oder aber an Verbrechen beteiligt waren, aufgesucht. Die Fahrt führt auch zu den Gräberfeldern für KZ-Opfer, für Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, für ausländische Kriegsgefangene und für Bombenopfer. Die Fahrt endet in der Gedenkstätte Konzentrationslager und Strafanstalten Fuhlsbüttel 1933–1945.

Herbert Diercks, der die Tour führt, forscht seit 30 Jahren zu dem Thema: „Ich entdeckte, dass sich in dieser Parkanlage auf engstem Raum, wie unter einem Brennglas, Hamburgische Geschichte spiegelt. Ich entdeckte Gräber zahlreicher Menschen, die im Nationalsozialismus verfolgt worden und deren Schicksale in Hamburg weitgehend unbekannt waren, beispielsweise von Frauen und Männern aus dem Widerstand oder Kriegsgefangene oder Kinder von Zwangsarbeiterinnen. Häufig in unmittelbarer Nähe: die Gräber hoher NS-Funktionäre. Nächster Termin 29.9., 10 bis 13 Uhr, Treffpunkt U-/S-Bahn Station Ohlsdorf, Ausgang Fuhlsbüttler Straße. Kosten: 5 Euro.

Anmeldung per E-Mail: neuengamme@bkm.hamburg.de

Die Reeperbahn bei Nacht ist bekannt, doch wer noch einen anderen Einblick bekommen möchte, für den ist St. Pauli ungeschminkt – der Sonntagsspaziergang das Richtige. Travestie-Künstler Veuve Noir zeigt nicht nur den Stadtteil, sondern bietet auch einen Blick hinter die Kulissen von Olivias Jones’ Show Club, man sieht den Kostümfundus und das Schminkzimmer, wo Dragqueen Veuve anschaulich erklärt, wie sich Mann in eine Frau verwandelt. Diese Tour vermittelt nicht nur Geschichte, sondern auch Toleranz und Vielfalt. Sonntags um 11.30 Uhr, Kosten 19,80 Euro.

www.kult-kieztouren.de

Welcher Bauer hat die dicksten Kartoffeln? Bei Smutje’s Landgang erfährt man nicht nur das. Bei dieser Tour handelt es sich um eine Kombination aus Wochenmarktrundgang mit Stadtführung und Kochkurs. Spitzenkoch Thomas Sampl geht mit den maximal 14 Gästen wahlweise über den Isemarkt, den Großneumarkt, den Nachtmarkt oder führt durch seine Markthalle Hobenköök im Oberhafen.

Sampl zeigt, wie man die besten Produkte für eine hochwertige Küche erkennt, gibt viele Tipps, und die Teilnehmer kaufen alle Zutaten für das traditionelle Hamburger Gericht (zum Beispiel Pannfisch), das man anschließend gemeinsam kochen wird. Vor dem Kochkurs kommt allerdings noch ein Guide der City-Slickers-Stadttouren vorbei und erzählt Historisches, aber auch Dinge, die einen aktuellen Blick hinter die Kulissen des Viertels gewähren. Ab 85 Euro,

http://wochenmarkttouren.de/