Hamburg. Umstrittene Lebensmittel-Retter sorgen für heftige Kritik in der Sendung. Warum Otto-Enkel Benjamin in Start-up Sirplus investiert.
Es war ein Eklat, der so nicht zu erwarten war. Fast drei Millionen Zuschauer konnten am Dienstagabend in der TV-Show „Die Höhle der Löwen“ verfolgen, wie das Start-up Sirplus statt eines Deals massive Kritik einstecken musste.
Die Gründer Raphael Fellmer und Martin Schott verkaufen ausschließlich Lebensmittel, die abgelaufen oder überschüssig sind. In Berlin betreiben sie drei sogenannte Rettermärkte. Seit kurzem gibt es einen Online-Shop. Jetzt wollen sie mit ihrer Geschäftsidee bundesweit expandieren. Eigentlich eine gute Sache, aber die „Löwen“ waren alles andere als begeistert. Investieren wollte keiner von ihnen.
Sirplus erhält frisches Kapital – ohne "Höhle der Löwen"-Investor
Trotzdem können sich die Lebensmittel-Retter über frisches Kapital freuen. Wenige Stunden nach Ausstrahlung der Show, die bereits im Frühjahr aufgezeichnet worden war, wurde bekannt, dass Sirplus ein Investment von knapp einer halben Million Euro einwerben konnte.
Zu den Geldgebern gehört auch Otto-Aufsichtsrat Benjamin Otto. Der Enkel von Versandhausgründer Werner Otto ist an zahlreichen Start-ups beteiligt und engagiert sich in der Stiftung HHI Holistic Health Institute sowie für das neuartige Lernzentrum Life Hamburg.
Benjamin Otto bestätigt Investment bei Sirplus
Gegenüber dem Abendblatt bestätigte Benjamin Otto das Investment: "Ja, es ist richtig, dass ich über meine Beteiligungsgesellschaft BPO Capital dem Unternehmen Sirplus ein sogenanntes Convertible-Darlehen zur Verfügung stellen werde. Dieses Darlehen kann bei der nächsten Finanzierungsrunde in Anteile gewandelt werden. Die Gründer von Sirplus sind daran interessiert, die Lebensmittelwelt besser zu machen. Das haben sie glaubhaft dargelegt. So unterstützen Sie zum Beispiel mit ungefähr 80 Prozent Ihres Verdienstes soziale Projekte."
Fellmer und Schott, die beide aus der Foodsharing-Bewegung kommen, setzen mit Sirplus auf Nachhaltigkeit und haben vor zwei Jahren begonnen, abgelaufene und aussortierte Lebensmittel bei Herstellern und Händlern günstig zu erwerben und danach mit Aufschlag – aber deutlich günstiger als im normalen Handel – weiter zu verkaufen. „Wir wollen etwas gegen die Verschwendung tun“, erklärt Raphael Fellmer. Zwei Millionen Kilogramm Lebensmittel seien so bislang vor dem Müll gerettet worden.
Anders als soziale Institutionen wie die Tafeln verdienen die Berliner Jungunternehmer aber Geld mit ihrer Geschäftsidee. Nach eigenen Angaben lag der Umsatz im vergangenen Jahr bei 1,2 Millionen Euro. Inzwischen beschäftigen sie etwa 100 Menschen. Sehr selbstbewusst hatten sie in der Höhle der Löwen für ein Investment von 700.000 Euro gerade mal sechs Prozent der Firmenanteile angeboten. Das entspricht einer Bewertung von mehr als elf Millionen Euro.
Georg Kofler übte harsche Kritik an Sirplus
Bei den "Löwen" kam das gar nicht gut an. Vor allem Medienunternehmer Georg Kofler, sonst eher konziliant im Auftreten, teilte aus. „Obergierige Kapitalisten“ seien sie, unglaubwürdig und heuchlerisch noch dazu. „Ihr sagt, Ihr wollt Lebensmittel retten. Nee, ihr kauft Lebensmittel ganz billig ein und verkauft sie teurer weiter“, schimpfte er. „Diese moralisierende Attitüde geht mir auf den Geist.“ Das Thema sorgte auch bei den Zuschauern für kontroverse Debatten. In den sozialen Medien gab es viel Kritik und Häme, aber auch Zustimmung.
Auch wenn die öffentliche Klatsche für die Start-up-Unternehmer eine herbe Enttäuschung war, für die Bekanntheit ihrer Geschäftsidee war sie gut. Jetzt soll es richtig losgehen. Mit dem Geld der Investoren soll der Online-Shop ausgebaut werden. Im nächsten Jahr ist die Expansion in ganz Deutschland mit Franchise-Rettermärkten geplant.
In Hamburg könnte nach Abendblatt-Informationen in der zweiten Jahreshälfte 2020 ein Sirplus-Markt eröffnen. Zudem wollen die umtriebigen Gründer eine Eigenmarke aus überschüssigen Lebensmitteln in herkömmliche Supermärkte bringen.