Hamburg. Günther Fielmann wird am Dienstag 80 Jahre als. Aus seinem Unternehmen hat er sich weitgehend zurückgezogen.

Es gibt nicht viele Unternehmer in Deutschland, deren Namen nahezu jeder kennt. Günther Fielmann aber ist so einer. Wenn der Gründer der größten Optikerkette des Landes und leidenschaftliche Ökolandwirt morgen 80 Jahre alt wird, kann er sehr zufrieden auf ein besonderes Unternehmerleben zurückblicken. Äußern wird er sich dazu nicht.

Anders als noch beim 70. Geburtstag, als er mit Journalisten über seinen Biohof Lütjensee gestapft war und ausführliche Gespräche geführt hatte, will Deutschlands Brillenkönig am Dienstag nur mit Familie und engen Freunden auf seinem Landsitz vor den Toren Hamburgs feiern. Seit er sich im vergangenen Jahr aus dem operativen Geschäft zurückgezogen und seinen Sohn Marc zum gleichberechtigten Vorstandschef des MDAX-Konzerns berufen hatte, ist der Patriarch nicht mehr in der Öffentlichkeit aufgetreten.

Eine Filiale in fast jeder Stadt

Fielmann hat den Brillenmarkt in Deutschland umgekrempelt. In nahezu jeder Stadt findet sich eine Filiale seiner Optikerkette, in vielen auch mehr als eine. Allein in Deutschland sind es mehr als 600, dazu gut 140 Geschäfte im Ausland. Jede zweite Brille hierzulande ist von Fielmann, 24 Millionen sind es europaweit. 1972 hatte der gebürtige Schleswig-Holsteiner in Cuxhaven sein erstes Optikerfachgeschäft geöffnet und damit den Grundstein für sein Imperium gelegt.

Eigentlich, hat er einmal in einem Interview gesagt, habe alles aber schon viel früher angefangen. Als 16 Jahre alter Schüler sei er kurzsichtig geworden. „Da konnte ich die Mogelzettel meines Nachbarn nicht mehr lesen.“ Erst eine Brille verhalf ihm wieder zum richtigen Durchblick und womöglich zu besseren Noten. Obwohl er selbst lieber Fotograf geworden wäre, gab er dem Drängen seines Vaters nach und ließ sich zum Optikermeister ausbilden.

„Der Rächer der Bebrillten“

„Der Rächer der Bebrillten“ hat man Fielmann in seiner Anfangszeit genannt. Anders als die Augenoptiker im weißen Kittel, die damals ihre Brillen oft in Schubladen unter Verschluss hatten, präsentierte Fielmann seine Auswahl offen und ließ die Kunden selbst entscheiden, was sie ausprobieren wollten. Das war in der verschlafenen Branche komplett neu – und zog die Kunden an. Denn die Brillen des umtriebigen Geschäftsmanns waren nicht nur modischer, sondern auch günstiger. Er begnügte sich mit einer geringeren Marge, schaltete den Großhandel aus, gab Garantien auf die Sehhilfen und führte eine Geld-zurück-Garantie ein, mit der er Kunden bis zu sechs Wochen nach Kauf einer Brille den Preis vollständig erstattete. Bis heute gehört die strikte Kundenorientierung zur DNA seines Geschäfts.

Sohn Marc treibt die Expansion voran

1981 gelang Fielmann der endgültige Durchbruch. Unter dem Motto „Brillenchic zum Nulltarif“ konnten Kassenpatienten statt unter acht Kassenmodellen in seinen Läden aus einer Auswahl von 90 Brillen auf Rezept wählen. „Bis dahin musste jeder Brillenträger den Nachweis seines geringen Einkommens auf der Nase tragen“, erinnerte sich Fielmann einmal an das, was er gern Demokratisierung der Brillenmode nennt. Das Familienunternehmen baute das Filialnetz in den folgenden Jahren weiter aus und übernahm kleinere Optiker, auch als die Krankenkasse die Zuzahlungen für Brillen immer weiter zurückfuhr. Ein wichtiger neuer Markt wurden nach der Wiedervereinigung die neuen Bundesländer, wo Fielmann im brandenburgischen Rathenow eine Brillenproduktion aufbaute.

1994 ging das Unternehmen an die Börse, um das Wachstum zu beschleunigen. Die Aktie, die mit einem Nennwert von 5 D-Mark startet, wurde zur erfolgreichsten Neuemission des Jahres. Bis Ende 2018 stieg der Wert um 1000 Prozent und liegt aktuell bei mehr als 66 Euro. Bis heute ist die Aktiengesellschaft schuldenfrei, hoch liquide und zu mehr als 70 Prozent in Familienbesitz. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete Fielmann mit 19.000 Mitarbeitern einen Umsatz von 1,43 Milliarden Euro.

Nach dem Eintritt von Marc Fielmann in den Vorstand der Fielmann AG ist Schwung in die bis dahin zögerliche Auslandsexpansion gekommen, unter anderem erweitert die Kette in Norditalien und Polen das Filialnetz und hat gerade eine Optikerkette in Slowenien übernommen. Der Junior ist es auch, der jetzt die Digitalisierung des Geschäfts und den bislang vernachlässigten Online-Brillenverkauf vorantreibt.

Perfektion, Disziplin, Machtbewusstsein

Ferrari-Fahrer Fielmann hat ein Leben auf der Überholspur geführt mit immer neuen Superlativen. Noch bis 2020 ist er Vorstandsvorsitzender seines Unternehmens – und damit der wohl älteste Chef einer Aktiengesellschaft in Deutschland. Perfektion, Detailverliebtheit, Disziplin attestieren ihm Weggefährten und Konkurrenten – und ausgeprägtes Machtbewusstsein. Er heiratete spät. Die Ehe mit Heike Fielmann, die er durch ihren Job als Brillen-Model kennengelernt hatte, hielt zwölf Jahre. Sohn Marc ist 30 Jahre alt, Tochter Sophie fünf Jahre jünger. Inzwischen ist der Generationswechsel fast abgeschlossen. Der Senior hat auch die Verantwortung für die Strategie und die – ihm sehr wichtige – Brillenkollektion an seinen Nachfolger abgegeben und damit sein Ziel umgesetzt, die Firma in der Familienhand zu halten.

Jedes Jahr ein neuer Baum für jeden Mitarbeiter

Der Mann, der Millionen machte, bezieht nur noch das symbolische Gehalt von einem Euro – und ist auf Tauchstation gegangen. „Es gibt noch eine Welt neben der Augenoptik“, hat er vor fünf Jahren in einem Interview gesagt. Fielmann engagiert sich seit Jahren für den Umweltschutz und bewirtschaftet drei Biohöfe in Schleswig-Holstein. Neben Gut Lütjensee sind es der Hof Ritzerau und Gut Schierensee, insgesamt 2000 Hektar Land. Zudem züchtet er gefährdete Haustierrassen, wie Kärntner Brillenschafe, Husumer Sattelschweine und Vorwerker Hühner. Seit 1985 pflanzte der Ehrenbürger des Landes Schleswig-Holsteins für jeden Mitarbeiter jedes Jahr einen Baum – insgesamt sind es schon mehr als 1,5 Millionen.