Hamburg. Bei der Hauptversammlung von Deutschlands größtem Brillenhändler hat Marc Fielmann die “Vision 2025“ vorgestellt.
Hauptversammlungen bei Deutschlands größtem Brillenhändler Fielmann haben etwas von einem Familientreffen. Viele Aktionäre sind seit Jahren dabei, manche kommen inzwischen mit Kindern oder Enkeln. Auch das Führungspersonal aus den mehr als 730 Filialen wird regelmäßig herbeigeschafft. Man kennt sich. Die Choreografie ist bestens eingespielt. Zum Ritual gehört auch, dass die Familie des Firmengründers Günther Fielmann möglichst vollzählig erscheint. Doch schon an der Sitzordnung an diesem Donnerstag ließ sich ablesen, dass sich im Haus Fielmann ein Generationenwechsel vollzieht.
Auf dem Podium in der Barclaycard Arena saß Vorstandschef Marc Fielmann. Sein Vater, offiziell noch bis 2020 in der Führungsdoppelspitze des MDAX-Konzerns, hatte sich aus gesundheitlichen Gründen entschuldigen lassen. Und noch etwas war neu: In der ersten Reihe hatten drei Frauen Platz genommen: Marc Fielmanns Schwester Sophie, Mutter Heike und Ehefrau Irina, die sich bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal in der Öffentlichkeit zeigte – mit Brille.
Eine Premiere für Marc Fielmann: die Auflistung der Rekorde
Auch für Marc Fielmann war es eine Premiere. Vor etwa 1700 Aktionären begann er seine Vorstandspräsentation mit einem typischen Fielmann-Satz: „Über Fielmann gibt es Positives zu berichten.“ Es folgte eine Auflistung neuer Rekorde für das Jahr 2018 beim Absatz (8,15 Millionen Brillen), Umsatz (1,43 Milliarden Euro), Gewinn vor Steuern (250,9 Millionen Euro) und Mitarbeiterzahl (19.379) und der Dividende. Sie steigt – zum 14. Mal in Folge – auf 1,90 Euro. So weit, so erwartbar. Erst danach kam der Junior, der im Februar die Hauptverantwortung an der Konzernspitze übernommen hatte, auf das Thema, das die Aktionäre mit Spannung erwartet hatten: seine Zukunftsstrategie.
„Bis 2025 ist Fielmann Marktführer in der augenoptischen Branche in Kontinentaleuropa, gibt jede vierte Brille ab und erwirtschaftet einen Außenumsatz von 2,3 Milliarden Euro“, gab Fielmann, der in wenigen Tagen seinen 30. Geburtstag feiert, das ehrgeizige Unternehmensziel vor. Mit der Vision 2025 wolle das Unternehmen das Wachstumstempo deutlich erhöhen und in den nächsten beiden Jahren jeweils 200 Millionen Euro in die Modernisierung der Niederlassungen, die Digitalisierung und die internationale Expansion investieren.
Wie Fielmann die langen Wartezeiten in den Filialen verkürzen will
Dabei hob der Vorstandschef einen Kundenwunsch heraus, der auch Anteilseigner im Saal – viele davon mit Brille – oft ärgert: die langen Wartezeiten. Allein im Jahr 2018 hätten, rechnet Marc Fielmann vor, 700.000 Kunden deshalb eine Fielmann-Filiale verlassen. Durch Online-Terminvergabe, die ab diesem Monat bundesweit angeboten wird, stundengenaue Personalplanung und Neueinstellungen soll das besser werden.
Für die langfristige Entwicklung setzt Fielmann auf Expansion. Während die Erfinder des „Brillenchic zum Nulltarif“ in Deutschland unangefochtener Marktführer sind und jede zweite Brille verkaufen, will die Optikerkette vor allem in Italien und in Polen wachsen. In Italien gibt es 23 Niederlassungen, bis 2025 sollen es 80 werden. In Polen wollen die Hamburger im gleichen Zeitraum auf 50 Filialen kommen. Zudem hat der Juniorchef fünf Wachstumsmärkte in Europa im Visier. Nähere Angaben dazu machte er nicht. „Mit 300 Millionen Euro an liquiden Mitteln ist Fielmann in der Lage auch größere Akquisitionen ohne Fremdkapital zu realisieren.“
Digitalisierung spielt für den Brillenkonzern eine große Rolle
Besonders ausführlich ging Fielmann auf die Digitalisierung ein. Dass sich bei der Optikerkette in dem Bereich etwas ändert, seit er auf dem Chefsessel sitzt, war auch bei der Hauptversammlung sichtbar. Der Markenauftritt wirkt moderner. Die aktuelle Brillenmode wurde erstmals auf Flachbildschirmen präsentiert.
Fielmann erläuterte die Schritte hin zum „Online-Brillenverkauf in Fielmann-Qualität“, die mit dem Tech-Start-up Fitting Box vorangetrieben werde. So soll ab 2020 die virtuelle Brillenanprobe ähnlich wie in einem digitalen Spiegel möglich sein. Bis zum Online-Sehtest am heimischen Computer werde es allerdings noch dauern. „Die Lösung ist kein traditioneller Online-Shop“, so der Vorstandschef, „sondern eine intelligente Verbindung aus persönlicher Beratung und digitalen Services.“
Applaus von den Aktionären – und kaum kritische Fragen
Die Aktionäre quittierten die Ankündigungen mit Beifall. „In den vergangenen Jahren war die Kritik immer, dass Fielmann den Anschluss an das Online-Geschäft verlieren könnte“, sagte ein Anteilseigner. „Heute haben wir gehört, wie es funktionieren könnte.“ Man hatte fast den Eindruck, dass sich in die harmonische Grundstimmung auf der Fielmann-Hauptversammlung auch Erleichterung mischte. Kritische Fragen gab es kaum.
„In Summe sind wir zufrieden. Machen Sie weiter so“, sagte Markus Neumann von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger. Am Morgen hatte Fielmann positive Zahlen für das erste Halbjahr 2019 vorlegt: Der Konzernumsatz stieg von Januar bis Juni um 6,3 Prozent auf 756 Millionen Euro. Der Gewinn vor Steuern liegt mit 125 Millionen Euro 7,6 Prozent im Plus. Der Kurs der Aktie, der sich nach dem Absturz im vergangenen Jahr deutlich erholt hatte, fiel am Nachmittag auf unter 66 Euro. Ein Analyst hatte das Quartalswachstum als überraschend stark, das Vorsteuerergebnis aber als etwas enttäuschend bezeichnet.