Haifa. Delegation mit Wirtschaftssenator Westhagemann zeigt sich begeistert von der Start-up-Szene in Haifa und knüpft Kontakte.
Michael Westhagemann muss ins Dock. Nicht weil er – wie ein Schiff – eine Frischzellenkur benötigt. Sondern weil er dort einen Termin hat. Das Dock liegt nicht am Wasser, sondern mitten in der israelischen Hafenstadt Haifa. Es ist auch keine Werft, sondern ein weltweit bekanntes Zentrum für Start-ups der maritimen Industrie. „The Dock“ versteht sich selbst als ein Marktplatz, auf dem bekannte Konzerne mit Jungunternehmen zusammentreffen, wovon beide Seiten profitieren sollen.
Genau das ist an diesem Morgen das Ziel von Wirtschaftssenator Westhagemann. „Jetzt bin ich einmal gespannt, was uns geboten wird“, sagt er, und hinter ihm drängelt die Delegation. Mit 70 Wirtschaftsvertretern ist er nach Israel gereist, um die hiesige Gründerszene kennenzulernen. Nach einem Besuch mehrerer Unternehmen in Tel Aviv ist heute Haifa dran. Die Stadt hat den größten Hafen Israels, im Vergleich zu Hamburg ist dieser aber klein. Jährlich werden hier 1,5 Millionen Standardcontainer umgeschlagen. In der Hansestadt sind es knapp neun Millionen. Mit dem Dock hat Haifa aber etwas Besonderes. Es ist ein Accelerator (Beschleuniger), der den Start-ups potente Partner für den Einsatz ihrer Produkte vermitteln soll.
Stimmung wie zu Weihnachten
Fast im Minutentakt präsentieren junge Unternehmen der Delegation ihre Ideen. Die Hamburger Vertreter hören gespannt zu. Es ist eine Stimmung wie zu Weihnachten. Keiner weiß, welches Geschenk als nächstes ausgepackt wird. „Die Idee ist fantastisch“, raunt der Vorstandschef der Reederei Hamburg Süd, Arnt Vespermann, beim Vortrag eines jungen Israelis. „Für mich ist das nichts“, sagt hingegen Jan Bovermann, Entwicklungschef von Deutschlands größtem Hafenkonzern HHLA. Eine Gründeridee folgt auf die andere. Etwa die eines Anwendungsprogramms, das allen Beteiligten einer Logistikkette den Zugriff auf die notwendigen Papiere ermöglicht. Oder die Idee einer Datenwolke, in der die aktuellen Schiffstiefen der Hafenbecken in aller Welt gesammelt und für alle Beteiligten zugänglich gemacht werden.
„Das würde uns vieles erleichtern, weil wir anhand der aktuellen Tiefgangsdaten schon beim Beladen der Schiffe entscheiden könnten, ein paar Container mehr mitzunehmen“, sagt Vespermann. „Wichtig ist nur, dass die Häfen sie freigeben.“ Auch der Hamburger Hafen würde von einem solchen System profitieren. „Wir könnten dann unser Wassertiefenmanagement viel gezielter auf die Bedürfnisse der Schiffe ausrichten und die Sedimente dort ausbaggern, wo es wirklich benötigt wird“, sagt Tino Klemm, Finanzchef der Hafenbehörde HPA. Wie in allen wirtschaftlichen Bereichen, hält auch in der Schifffahrt die Digitalisierung Einzug. Und da in der lang anhaltenden Krise der Branche wenig Geld für Investitionen in Neuerungen zur Verfügung stand, haben die Firmen jetzt Nachholbedarf: „Die Digitalisierung kann in so vielen Bereichen zu Verbesserungen unseres Geschäftsfeldes führen, das ist beeindruckend“, sagt Vespermann. „Ich nehme ganz viele Ideen von dem heutigen Besuch im Dock mit.“
Ein Hamburger sieht sich das Treiben entspannt an. Er vertritt nämlich eine deutsche Firma, die bereits Partner des Docks ist: Der für Israel-Geschäfte zuständige Manager von ThyssenKrupp-Marine-Systems (TKMS), Joachim Wacker. Seine Erwartungshaltung ist klar: „Wir arbeiten ständig an Themen wie der Automatisierung von Prozessen und Verbesserungen im Batteriebereich. Warum sollen wir dabei auf Ideen von außen verzichten?“, fragt Wacker. „Wir haben dem Dock eine Liste von Dingen zusammengestellt, bei denen wir auf Input hoffen. Und das Gründerzentrum soll jetzt nach Start-ups suchen, die in den Bereichen tätig sind.“ Das macht Bovermann nachdenklich. Später sagt er: „Wir sollten uns vielleicht auch über eine Beteiligung Gedanken machen.“
Fegebank besucht Start-ups in Israel
Westhagemann fordert indes mehr Engagement, aber im Hamburger Pendant zum Dock, dem Digital Hub Logistics. „Es sollten sich noch mehr etablierte, größere Unternehmen der Hansestadt bei Start-ups engagieren“, sagt der Senator. „Ich bin sicher, dass beide Seiten davon profitieren werden.“ Gelänge es, Hamburg als Innovationshauptstadt zu etablieren, käme mehr Wagniskapital zur Unterstützung neuer Firmen in die Stadt. „Zudem sollten wir erwägen, auch ein Gründerzentrum für erneuerbare Energien einzurichten, genauer gesagt: für die Wasserstoff-Forschung.“
Praktisch zeitgleich hat Hamburgs Zweite Bürgermeisterin und Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) mit einer Wissenschaftsdelegation israelische Start-ups im Bereich Life Science und Digital Health besucht. Israel hat nicht nur die weltweit am stärksten ausgeprägte Gründerszene, sondern auch eine Vielzahl an herausragenden Forschungseinrichtungen und multinationalen Konzernen. „Die israelische Wissenschaft ist exzellent, die Gründerszene weltweit legendär für ihren Erfolg und ihre Ideen“, so Fegebank. „Der kluge Einsatz von staatlichen und privaten Mitteln schafft ein Ökosystem, das Technologietransfer und Ausgründungen fördert und multinationale Unternehmen anzieht.“ Man dürfe in Hamburg nicht nachlassen, den Strukturwandel ganz oben auf die Agenda zu setzen und exzellente Grundlagenforschung mit voller Kraft voranzutreiben. Da ist sich Fegebank mit Westhagemann einig.