Hamburg. Preiskampf durchs Internet und Rabattwünsche – wie Kohn in Wellingsbüttel geht es in Hamburg vielen Fahrrad-Fachhändlern.

Der Deckel ist drauf. Am Sonnabend hat das Traditionsunternehmen Kohn in Wellingsbüttel den Schlussstrich unter ein Kapitel der Firmengeschichte gezogen. Der Verkauf und die Reparatur von Fahrrädern ist nach 20 Jahren eingestellt. Es war eine schwierige, aber unvermeidbare Entscheidung für Chefin Angela Olffermann: „Wir hätten künftig mit dem Fahrradhandel keinen Gewinn mehr erzielt.“ Der Umsatz stagnierte, die Margen schwanden. Während viele Händler über die Probleme schweigen, spricht die 49-Jährige sie offen an – und zeigt damit exemplarisch die Lage von vielen Fachgeschäften auf.

Dramatische Veränderungen im Handel

In den vergangenen zehn Jahren habe es dramatische Veränderungen auf den Märkten und im Einkaufsverhalten der Kunden gegeben, heißt es auf der Firmenhomepage. Das Abendblatt wollte es genauer wissen und besuchte sie in ihrem Geschäft. Eines stellte sie sofort klar: „Ich möchte niemanden an den Pranger stellen, sondern nur ehrlich auf die Situation hinweisen.“

Die größten Veränderungen gab es natürlich durch das Internet. Online kennt keine Öffnungszeiten, 24 Stunden lang kann nach den passenden Produkten gesurft werden. Die Auswahl ist nahezu unendlich. Natürlich habe sie auch viel über einen eigenen Onlineshop nachgedacht. Doch die Ware müsste vorgehalten, verschickt und die Rücksendungen müssten bearbeitet werden. Das hätte zu viel Lagerfläche, Personal und finanzielle Kapazitäten gebunden. Dafür sei man zu klein gewesen. Deswegen entschied sie sich gegen einen Onlineshop. Der Verkauf im Netz wird im Fahrradhandel – wie in vielen Branchen – aber immer wichtiger. Im Jahr 2013 hatte der Vertriebsweg Versender/Internet laut Zweirad-Industrie-Verband einen Marktanteil von zehn Prozent. Fünf Jahre später waren es schon 23 Prozent.

Preistransparenz im Netz

Die ständigen Preisvergleichsmöglichkeiten im Netz spiegelten sich auch im Verhalten der Kunden wider. Teilweise seien sie mit online (günstig) gekauften Ersatzteilen in der Werkstatt gekommen, damit sie eingebaut werden. Die Marge aus dem Verkauf des Zubehörs sind aber ein wichtiger Teil der Mischkalkulation. „Das Preisbewusstsein der Kunden ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen“, sagt die gelernte Außenhandelskauffrau. Besonders gemerkt habe man das beim Verkauf von neuen Rädern. „Das Vergeben von Rabatten wurde immer wichtiger.“ Als kleiner Händler waren ihr dabei aber ziemlich die Hände gebunden. Die Einkaufskonditionen seien an Volumen gekoppelt. „Da können größere Ketten natürlich mehr abnehmen und erhalten deshalb bessere Margen“, sagt Olffermann. Nach einem (meist wetterbedingt) guten Start in die Saison seien zudem Nachbestellungen bei den Herstellern kaum möglich, weil diese häufig im März, April ausverkauft seien. Größere Ketten können die vom Kunden gewünschten Lieblingsmodelle bei Bedarf aus anderen Filialen beschaffen.

Der Druck der großen Ketten wächst

Druck großer Ketten, verschärfter Wettbewerb durchs Internet und steigendes Preisbewusstsein der Kunden – beim Handelsverband Nord kennt man solche Beschreibungen. „Diese Probleme hören wir immer wieder“, sagt Geschäftsführerin Brigitte Nolte. „Die Zahl der Fachgeschäfte geht zurück – und das schon seit Jahren.“ Im Jahr 2000 lag in Deutschland der Anteil der Fachgeschäfte ohne Filialen bei 31,9 Prozent, 2018 nur noch bei 16,2 Prozent. Der Trend stimme auch für Hamburg. „Das ist die Marktentwicklung durch Globalisierung und Internet, die wird keiner aufhalten“, sagt Nolte. Für inhabergeführte Geschäfte sei es schwierig, Zeit und Geld für Onlinemaßnahmen auszugeben. Häufig bliebe nur die Möglichkeit, mit Service zu punkten, sagt Nolte. Doch das Fachpersonal dafür zu finden, sei schwierig.

Diese Erfahrung machte auch Olffermann, die mehr Service bieten wollte: „Wir hätten gerne die Werkstatt im Fahrradbereich ausgebaut, haben aber kein Fachpersonal gefunden, obwohl wir eineinhalb Jahre lang aktiv gesucht haben.“ Schweren Herzens fiel daher im Januar die Entscheidung, den Fahrradhandel zu schließen. Im Frühjahr verkündete sie es ihren Kunden. Sie wollte fair und transparent mit ihnen umgehen, schließlich habe sie viele Stammkunden.

Den Traditionsbetrieb Kohn wird es aber weitergeben

Den Traditionsbetrieb Kohn wird es weitergeben. 1932 gründeten Ferdinand und Bertha Kohn in Rothenburgsort ein Geschäft mit Kohlen und anfänglich auch Kartoffeln. In den 1940er-Jahren zog die Firma nach Wellingsbüttel. Der Brennstoffhandel wurde um Heizöl erweitert, später aber eingestellt. Sohn Peter stieg 1972 in die Firma ein und baute den Verkauf und Verleih von Kärcher-Geräten auf. Auf diesen Geschäftszweig setzt nun seine Tochter Angela Olffermann, die das Unternehmen seit 1998 führt.

„Kärcher möchte im Norden präsenter werden und geht mit uns eine Kooperation ein“, sagt Olffermann. Der Hersteller aus Baden-Württemberg werde Untermieter und beziehe Flächen, um seine Großgeräte für Vorführungen zu deponieren. Das Geschäft in Wellingsbüttel soll als Premium Partner zwei Ausrichtungen bedienen. Im Bereich Heim und Garten bietet es Geräte für Endverbraucher an. Schwerpunkt ist und bleibt für die sieben Mitarbeiter aber der Profi-Bereich. Reedereien, Hotels und die Industrie gehören zu den Kunden. „Das Potenzial im Hamburger Bereich ist immens groß und nicht ausreichend gesättigt“, sagt Olffermann. Die Kärcher-Werkstatt wird größer und moderner.

Zwei Monteure aus der Fahrradwerkstatt fanden übrigens schnell einen neuen Job. Olffermann legte ihnen keine Steine in den Weg. Doch über das Aus des von ihr vor 20 Jahren übernommenen Fahrradhandels ist sie traurig. „Es ist Wehmut dabei“, sagt sie: „Ein Fahrradladen hier auf der Ecke wird fehlen.“