Hamburg. Ehepaar Mohrs Gespür für Daunen: Seit 50 Jahren fertigen die Hamburger Decken und Kissen per Hand.

Auf der altmodischen Waage steht ein großer Sack. Außen blau-weißes Karo, drinnen weiße Daunen fast bis zum Rand. Mit einer schnellen Handbewegung greift Monika Mohr hinein. Ein kurzer Blick auf die Gewichtsanzeige. „Für jedes Karo brauche ich 20 Gramm Daunen“, sagt sie. Eigentlich muss sie gar nicht wiegen, so eingespielt sind die Bewegungen. Aber sicher ist sicher.

Die Hülle, die eine gemütliche Bettdecke werden soll, hat die 74-Jährige im hellblauen Kittel auf einem Tisch ausgebreitet. Nach und nach füllt sie die vorgesteppten Quadrate. Dann dreht sie sich um, setzt sich an die Nähmaschine. Es rattert kurz, die erste Reihe mit flauschig weichen Daunenkaros ist verschlossen. „So gleichmäßig bekommt man das nur per Hand hin“, sagt Monika Mohr und streicht über die glatte Oberfläche. Gerade hat sie eine große Winterdecke in Arbeit, 800 Gramm Daunen müssen verarbeitet werden. Das dauert ungefähr eine halbe Stunde. Zehn Stück schafft sie im Schnitt am Tag.

Jede Decke und jedes Kissen werden einzeln gefüllt

„Betriebe wie unsere gibt es eigentlich nicht mehr“, sagt Hans-Jürgen Mohr. Seit 50 Jahren fertigen und reparieren die Mohrs Daunendecken in Handarbeit. In Deutschland gehören sie zu den Letzten, die das traditionelle Handwerk noch fast ohne Maschinen betreiben – jede Decke und jedes Kissen werden einzeln gefüllt. Eigentlich könnten sie längst in Rente sein. „Wir machen das aus Liebe zum Beruf“, sagt der 89 Jahre alte Inhaber, der immer noch regelmäßig seine Kunden auch in Berlin besucht. Vor allem Hotels setzen auf die Mohrschen Qualitätsdecken. Aber auch Privatleute ordern bei der Bettenmanufaktur. Nicht selten, nachdem sie zuvor im Hotel unter einer Daunendecken made in Hamburg gut geschlafen haben.

Daunen von toten Gänsen

Zum Erfolgsrezept des Ehepaars gehören die Materialien. Für die Decken in allen möglichen Gewichtsklassen und Größen verwenden sie ausschließlich Gänsedaunen. „Und zwar nur solche, die nicht von lebenden Tieren stammen“, betont Monika Mohr. Entendaunen, die in der Branche häufig verarbeitet werden, setzen sie nicht ein. „Gänsedaunen sind zwar etwas teurer. Aber wir finden sie besser“, sagt Hans-Jürgen Mohr.

Der Hamburger ist gelernter Textilkaufmann und seit mehr als 70 Jahren im Bettengeschäft. 1969 hatte er die kleine Manufaktur von drei älteren Damen übernommen. In den ersten Jahren beschäftigte er in seiner Werkstatt bis zu zehn Näherinnen, die auch noch Bettwäsche nähten. So kam auch seine heutige Frau vor 40 Jahren in den Betrieb. Inzwischen bestimmen große Anbieter den Markt. Auch kleinere Bettenfachgeschäfte, für die die Mohrs anfangs noch arbeiteten, bestellen inzwischen en gros.

Die Werkstatt der Mohrs ist 160 Quadratmeter groß

Trotzdem hat der Daunendecken-Spezialist gut zu tun. „Wir haben mehr Anfragen, als wir schaffen können“, sagt Hans-Jürgen Mohr und grinst ein bisschen. Auf einem kleinen Bord in dem Betrieb in einem Gewerbehof in Wandsbek liegt ein Auftragsbuch mit Namen und Bestellungen, alles in sauberer Handschrift notiert. In den Regalen und auf Tischen stapeln sich Decken und Kissen, die abgeholt und verschickt werden sollen. Manchmal tanzen einzelne zarte Daunen durch die Luft. Insgesamt 160 Quadratmeter misst die Werkstatt, in der die Mohrs ihr Geschäft betreiben. Die einzige Mitarbeiterin ist auch schon in den 70ern. Es gibt eine Federkammer, in der die Kopfkissen mit Halbdaunen, also einer Mischung aus Federn und Daunen von Gänsen, gefüllt werden. „Das ist anders als bei den Decken“, sagt Experte Mohr. Kissen sollten schließlich nicht wärmen, sondern stützen. In einem Nebenraum stehen Waschmaschine, Schleuder und Trockner. Bei Bedarf waschen sie auch und arbeiten kaputte Decken wieder auf.

Daunen von den Mohrs in Dubai

Über genaue Geschäftszahlen wollen die rüstigen Handwerker nicht sprechen. Aber der Hauptteil des Umsatzes kommt über Bestellungen von Hotels, fast alle der gehobenen Preisklasse. Darunter auch das Hamburger Vier Jahreszeiten oder das Mandala Hotel in Berlin. Aber die Mohrschen Daunendecken haben es auch schon bis nach Neuseeland und nach Dubai geschafft.

Nach einem Fernsehbericht vor einigen Monaten kommen auch immer häufiger Privatkunden in die Manufaktur in Wandsbek. An diesem Morgen ist ein Ehepaar aus der Nähe von Dresden auf der Suche nach neuen Bettdecken. „Wir finden es gut, dass hier noch alles per Hand gemacht wird“, sagt Eckhardt Mauksch. Es wird gefühlt, gewogen und geguckt – nach längerer Beratung entscheidet sich der 75-Jährige für eine leichtere Decke mit 525 Gramm Daunenfüllung. Seine Frau nimmt die Variante mit 700 Gramm. Dass die beiden Bettdecken mehr als das Doppelte kosten als anderswo, quittieren sie mit Achselzucken. „Das ist uns guter Schlaf wert“, sagt Christine Mauksch.

Nachfolger gesucht

Bei aller Leidenschaft für Daunendecken, inzwischen denken die Mohrs auch über die Zeit danach nach. Zur Patchworkfamilie mit fünf Kindern gehören diverse Enkel und bald auch ein Urenkelkind. „Wir suchen einen Nachfolger“, sagen sie. Mehrere Bewerber habe es schon gegeben, aber irgendwie hat es immer nicht so richtig gepasst. Schließlich geht es um einen Familienbetrieb. Klar, dass alle unter einer Decke aus der eigenen Produktion schlafen – individuell an die Bedürfnisse angepasst. Monika Mohr zum Beispiel mag es besonders leicht. Gerade mal 200 Gramm Daunen hat sie in ihrer Sommerdecke verarbeitet. Ihr Mann kommt glatt auf das Doppelte.