Hamburg. Hans-Georg Frey wechselt an die Aufsichtsratsspitze. Warum er gerade jetzt Aktien des Unternehmens kauft.

Hans-Georg Frey (63) empfängt in dem Büro, das nur noch wenige Tage lang sein Arbeitsplatz ist in der Konzernzentrale des Hamburger Gabelstaplerbauers Jungheinrich am Friedrich-Ebert-Damm in Wandsbek. In der Schrankwand rechts vom Schreibtisch stehen Management-Fachbücher, Modelle von Jungheinrich-Staplern und Erinnerungsfotos aus zwölf Jahren und vier Monaten als Vorstandschef des weltweit drittgrößten Herstellers der Branche. Frey wird sie mit nach Hause nehmen, sobald er am 1. September an die Spitze des Aufsichtsrats des börsennotierten Unternehmens wechselt.

In seinem letzten Interview als Vorstandsvorsitzender spricht er über Erfolge und Fehler, über sein Golf-Handicap und seine persönlichen Pläne. Und er sagt, warum er vor Kurzem in Jungheinrich-Aktien investiert hat, obwohl das Unternehmen gerade einen deutlichen Auftragseinbruch verzeichnet.

Hamburger Abendblatt: Herr Frey, hat sich bei Ihnen schon so etwas wie Abschiedsschmerz eingestellt?

Hans-Georg Frey: Nein, kein Abschiedsschmerz. Wir haben den Wechsel von langer Hand vorbereitet. Es ist ein nahtloser Übergang, den wir jetzt schon seit einigen Wochen vollziehen. Ich lasse meinen Nachfolger und die anderen Vorstandskollegen operativ mehr und mehr in die Hand nehmen und stimme mich gedanklich auf meine neue Aufgabe als Aufsichtsratsvorsitzender ein. Darauf freue ich mich.

Glauben Sie, dass sich der Schmerz noch einstellen wird, wenn Sie Ihr Büro geräumt haben?

Frey: Ich glaube nicht, dass es ein Schmerz wird. Ich werde natürlich die Veränderung spüren, dass ich nicht mehr im operativen Tagesgeschäft bin, sondern eine andere Aufgabe im Unternehmen habe. Ich kann mir aber im Gegenteil gut vorstellen, dass es ganz angenehm ist, wenn man einen Tick länger schlafen kann und nicht mehr morgens um 7 Uhr oder halb acht im Büro ist. Das hat ja durchaus etwas für sich. Also: Kein Schmerz, eher sogar Freude. Ich habe die Funktion mehr als zwölf Jahre gehabt. Es gibt nicht viele CEOs, die derart lange im Amt sind.

Sie sind gerade 63 geworden, hätten also durchaus noch weitermachen können ...

Frey: Das hätte ich tatsächlich auch
machen können. Aber, wenn man im eigenen Haus einen guten Nachfolger hat und gleichzeitig das Unternehmen in einer anderen Funktion weiter begleiten kann, dann ist das doch eine tolle
Lösung.

Was haben Sie denn jetzt vor in der neu gewonnenen Freizeit?

Frey Ganz wichtig ist mir, mehr Zeit für die Familie zu haben. Sicher werde ich mehr Sport machen, mal wieder durch die Heide radeln und an meinem Golf-Handicap arbeiten. Wenn man 34 Jahre lang mit Vollgas in der Maschinenbaubranche unterwegs war, dann ist vieles auf der Strecke geblieben. Bislang heißt mein Golf-Handicap ja Jungheinrich (lacht). Und es ist nicht besonders gut.

Nämlich?

Frey: 32, und das Ziel ist natürlich, besser zu werden. Außerdem habe ich angefangen, Spanisch zu lernen, den Sportbootführerschein C und das dazugehörige Funkzeugnis gemacht. Mir wird es nicht langweilig werden.

Der Wechsel eines Vorstandsmitglieds in den Aufsichtsrat, gar eines Vorstandschefs an die Spitze des Kontrollgremiums gilt als problematisch. Kritiker sagen, es könne schädlich für das Unternehmen sein.

Frey: Es gibt eine gesetzliche Regelung, die das eigentlich für zwei Jahre ausschließt, aber eine Ausnahme zulässt, wenn mindestens 25 Prozent der stimmberechtigten Anteilseigner es wünschen. In meinem Fall haben es sich 100 Prozent der Stimmberechtigten gewünscht. Ich persönlich halte es für sehr wichtig, dass es in der Führung eines Unternehmens keinen Bruch gibt, sondern Kontinuität und Stabilität im Vordergrund stehen. Jemand, der ein Unternehmen schlecht geführt hat, der darf meines Erachtens nicht in den Aufsichtsrat. Und bei jemandem, der es einigermaßen gut gemacht hat, bietet es sich an, auf dessen Wissen nicht zu verzichten. Wenn erst zwei Jahre vergehen müssen, kann das Unternehmen schon auf dem falschen Gleis sein. Es geht immer um die beste individuelle Lösung für das Unternehmen.

Das hört sich an, als ob es Ihr Nachfolger mit einem sehr aktiven Aufsichtsratschef
zu tun bekommt.

Frey: Nein, keine Sorge. Ich werde mich sehr darum bemühen, nicht operativ mitzureden. Es wird auch kein Büro des Aufsichtsratsvorsitzenden hier in der Zentrale geben. Wir werden aber sicher ein- bis zweimal pro Monat intensiv reden, dazu kommen die vier bis fünf Aufsichtsratssitzungen pro Jahr. Das ist also alles sehr überschaubar.

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Wie bewerten Sie selbst, was Sie in den vergangenen zwölf Jahren erreicht haben?

Frey: Da halte ich mich ganz nach schwäbischer Art lieber zurück. Jeder kann sich anschauen, wo Jungheinrich vor zwölf Jahren stand und wo wir heute stehen. Ich denke, die Zahlen sprechen für sich. Man kann sicher sagen, dass auch Glück dabei war, weil sich der Markt insgesamt gut entwickelt hat. Aber das Unternehmen hat eben auch die Krise im Jahr 2009, als die Hälfte des Umsatzes in unserem Kernmarkt Europa weggebrochen ist, gut bewältigt. Ab 2010 hat sich Jungheinrich dann ganz ordentlich entwickelt und ist auch stärker als der Wettbewerb gewachsen. Das ist nicht zuletzt der Verdienst unserer Ankeraktionäre, der Familien Wolf und Lange. Sie belassen Jahr für Jahr einen Großteil der Gewinne im Unternehmen und ermöglichen so das stetige Wachstum. Und natürlich der Verdienst des gesamten Teams weltweit, ihnen gilt mein ganz besonderer Dank.

Und welches war Ihr größter Fehler?

Frey: Im operativen Geschäft ist an der einen oder anderen Stelle, bei der Auswahl von Personen oder bei der Integration eines zugekauften Unternehmens in den Konzern, sicherlich nicht alles optimal gelaufen. Da hätten wir besser sein können. Aber im Großen und Ganzen, bei der strategischen Ausrichtung, hat es wohl keinen gravierenden Fehler gegeben.

In jüngster Zeit läuft es plötzlich nicht
mehr so gut, sie mussten die Gewinnerwartung für 2019 reduzieren. Was sind
die Ursachen?

Frey In den ersten Monaten des Jahres lief es noch gut. Aber seit Juni sind unsere Kernmärkte und damit auch unsere Aufträge massiv, und das heißt, in der Größenordnung von zehn bis 20 Prozent, zurückgegangen. Das wird vor allem hervorgerufen durch den Handelskonflikt zwischen den USA und China, das Thema harter Brexit spielt auch eine Rolle. Das erste Halbjahr war noch ganz ordentlich, im zweiten Halbjahr wird es jetzt tatsächlich schwieriger.

Aber die mit Abstand wichtigsten Märkte für Jungheinrich sind in Europa. Wieso ist der Konzern vom Konflikt zwischen den USA und China betroffen?

Frey: Tatsächlich machen wir in beiden Ländern zusammen nur etwa sechs bis sieben Prozent unseres Umsatzes. Aber unsere Kunden in Europa sind verständlicherweise verunsichert, sie wissen nicht, was da kommt. Deshalb verringern sie ihre Investitionen oder verschieben sie erst einmal.

Mit dem Aktienkurs können Sie und die Jungheinrich-Aktionäre schon jetzt nicht zufrieden sein. Er hat sich seit Anfang des vergangenen Jahres mehr als halbiert ...

Frey: Damit bin ich überhaupt nicht zufrieden, ich verstehe diesen Kurs auch nicht. Wenn man sich die Bilanz ausschaut, ist das schon etwas seltsam. Die Aktien kleinerer Unternehmen sind aber ohnehin immer etwas volatiler. Umgekehrt war es in der Vergangenheit so, dass die Kurse kleinerer Unternehmen schneller steigen, wenn es wieder aufwärts geht. Aber wenn man auf die gesamten zwölf Jahre schaut, steht Jungheinrich auch beim Aktienkurs trotzdem ganz gut da.

Und weil Sie glauben, dass es wieder besser wird, haben sie erst vor wenigen Tagen selbst annähernd 2000 Jungheinrich-Aktien gekauft?

Frey: Ja, ich halte wirklich sehr viel von dem Unternehmen (lacht). Ich halte das Unternehmen für gut, ich halte das Management für gut und ich halte das Geschäftsmodell und die Strategie für gut.