Hamburg. Erst dann gebe es positive Auswirkungen auf den Verkehr. Der Fahrdienst hat schon 250.000 registrierte Kunden.
Gut drei Monate nach dem Betriebsstart in Hamburg zeigt sich Ole Harms, der Chef des Fahrdienstes Moia, zufrieden mit den ersten Resultaten. „Ich bin positiv überrascht“, sagte Harms. Allerdings reiche die Kapazität der aktiven Flotte nicht aus, um die Nachfrage zu befriedigen: „Wir können nicht alle Anfragen, die per App hereinkommen, auch bedienen“, so Harms.
Dabei sind zumindest in den zentrumsnäheren Stadtteilen Hamburgs die schwarzgoldenen Moia-Elektrokleinbusse schon ein gewohnter Anblick im Straßenbild. Tatsächlich sind aber erst gut 100 dieser Wagen unterwegs. Demnächst soll die Zahl deutlich steigen: „Wir werden recht schnell, schon in den nächsten Wochen, auf 150 bis 200 Fahrzeuge aufstocken“, sagte Ole Harms, der Chef des zum Volkswagen-Konzern gehörenden Fahrdienstes, am Mittwoch in Hamburg.
Dabei sind die Fahrer offenbar der Engpassfaktor auf dem Expansionspfad. Nach Angaben des Unternehmens stehen schon seit einiger Zeit 150 der von VW eigens für Moia gebauten Kleinbusse in Hamburg bereit. Es sind aber noch nicht genügend fertig geschulte Fahrer verfügbar, um sie alle einzusetzen.
Noch nicht alle Fahrer sind einsatzbereit
Aktuell hat die Firma 700 Fahrer für Hamburg unter Vertrag, aber noch nicht alle sind einsatzbereit. Um die für Anfang 2020 geplanten 500 Fahrzeuge auf die Straße zu bringen, werden 1500 Fahrer benötigt, wobei man für jede zu besetzende Stelle eine Vielzahl von Bewerbungsgesprächen führe, heißt es vom Unternehmen. Denn Moia lege bei der Auswahl strenge Maßstäbe an, etwa im Hinblick auf eine defensive Fahrweise.
„Es hilft uns bei der Personalsuche, dass jetzt Rechtssicherheit herrscht“, sagte Harms. Das war zeitweise nicht so: Nur wenige Tage nach dem Betriebsstart am 15. April erwirkte das Hamburger Taxigewerbe einen Gerichtsbeschluss, wonach Moia zunächst nur maximal 200 Wagen einsetzen darf und nicht – wie von der Wirtschafts- und Verkehrsbehörde genehmigt – 500 Fahrzeuge beziehungsweise unter Vorbehalt ab Januar 2021 sogar 1000 der Sammeltaxis. Doch Anfang Juli kassierte das Oberverwaltungsgericht Hamburg den Beschluss.
Mit den Erfahrungen der ersten drei Monate ist Harms nach eigenen Angaben zufrieden: „Das Interesse gibt uns recht.“ Bisher hätten sich rund 250.000 Hamburger per App für den Fahrdienst registriert. Gemessen daran erscheinen die seit dem Marktstart absolvierten 340.000 Fahrten nicht viel. „Wir mussten aber auch etliche Anfragen aus Kapazitätsgründen abweisen“, so Harms. Er gibt zu: „Ich hätte erwartet, dass unser Angebot erklärungsbedürftiger ist.“
Ähnliche Dienste sind in Hamburg gestartet
Es funktioniert so: Über die App gibt der Kunde seinen Streckenwunsch an, wobei das Ein- und Aussteigen nur an einem der mehr als 10.000 festgelegten Haltepunkte möglich ist. Sie sollen nie weiter als höchstens 200 Meter vom gewünschten Start- und Zielpunkt entfernt liegen. Das Ziel von Moia ist, mehr als eine Buchung pro Fahrt hereinzuholen und durch eine vom Computer ermittelte Streckenführung die somit erforderlichen Umwege des auf maximal sechs Passagiere ausgelegten Kleinbusses möglichst gering zu halten. Der Preis je Fahrgast soll zwischen denen für Taxifahrten und denen des HVV angesiedelt sein; im Schnitt liegt er laut Moia zwischen 6 und 9 Euro.
Schon vor der VW-Tochter haben zwei andere Anbieter ähnliche Dienste in Hamburg gestartet: In Lurup und Osdorf sind 20 Elektrotaxis von ioki unterwegs. Sie bringen Fahrgäste mit einem HVV-Ticket für einen Aufpreis zur nächsten Haltestelle. Betreiber sind die Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein (VHH), der Technologiepartner ioki ist eine Tochterfirma der Deutschen Bahn. Zu ihr gehört auch der Fahrdienst CleverShuttle, der in der Hansestadt mit 50 Elektro- und Wasserstoff-Fahrzeugen aktiv ist.
Straßen der Städte sollen entlastet werden
Erklärtes Ziel von Moia ist es, die Straßen der Städte zu entlasten, indem künftig mehr Menschen als bisher auf das eigene Auto verzichten. Ob Sammeltaxis eine solche Wirkung tatsächlich erzielen, ist bisher aber umstritten. David Ennen vom Institut für Verkehrswissenschaft an der Uni Münster, der die Nutzung von Fahrdiensten untersucht hat, glaubt nicht an eine Entlastung: „Sie führen zu insgesamt mehr Verkehr auf der Straße“, sagte Ennen kürzlich dem Abendblatt. Nach den Erkenntnissen von Ennen nutzen drei Viertel der Kunden die Sammeltaxis für Wege, die sie sonst mit dem öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), zu Fuß oder mit dem Rad zurückgelegt hätten. Nur ein Viertel der Fahrgäste sparte damit Fahrten mit dem Privat-Pkw ein.
Allerdings liegen bisher erst wenige gesicherte Erkenntnisse über das Nutzerverhalten der neuartigen Mobilitätsanbieter vor. Um das zu ändern, startete jetzt im Auftrag von Moia ein Forschungsprojekt. Ein Konsortium aus der Bundeswehruniversität München und dem Karlsruhe Institute of Technology soll in den kommenden zwei Jahren die Wirkungen von Moia auf den städtischen Verkehr untersuchen. In einem ersten Schritt will man 1000 Moia-Nutzer und 1000 Hamburger, die nicht Kunde des Fahrdienstes sind, zu ihren Mobilitätsgewohnheiten befragen.
Eine Modellrechnung der Bundeswehruni für München hat ergeben, dass eine Entlastung der Straßen durch Sammeltaxis erst dann eintritt, wenn diese mindestens fünf Prozent der Fahrten, die bisher mit Privat-Pkws erfolgten, übernehmen können. Übertragen auf Hamburg müsste Moia dazu nach Angaben von Harms rund 1000 Fahrzeuge einsetzen. Das entspricht – zufällig? – der Zahl, die Moia für die Hansestadt mittelfristig auch anpeilt.