Hamburg. VW-Mobilitätstochter startet Mitte April ihr Sammeltaxi in der Hansestadt – und will bald zu den 100 größten Arbeitgebern gehören.
Die Wände der Lagerhalle sind weiß getüncht, an ihnen entlang ziehen sich zwei Reihen von Ladesäulen. Dort tanken goldglänzende Kleinbusse mit dunkel getönten Scheiben Strom. Wo vor wenigen Monaten in der „Spielstadt Hamburg XXL“ noch Kinder im Bällebad tobten und sich durch ein zehn Meter hohes Kletterlabyrinth hangelten, soll am 15. April ein neues Kapitel in Hamburgs öffentlichem Nahverkehr aufgeschlagen werden.
Die Volkswagen-Mobilitätssparte Moia hat den früheren Indoorspielplatz an der Papenreye in Niendorf zu seinem ersten Betriebshof in der Hansestadt umgebaut. In der durchdigitalisierten Mobility-World wird so etwas als Hub bezeichnet. Von diesem Betriebshof aus werden von Mitte nächsten Monats an zunächst 100 vollelektrisch angetriebene und zu Großraumtaxis umgebaute VW-Crafter in einen anfangs etwa 200 Quadratkilometer großen Teil des Hamburger Stadtgebiets (siehe Karte) ausschwärmen, um Fahrgäste von A nach B zu transportieren. Im Idealfall sitzen mehrere gleichzeitig auf den sechs Passagierplätzen. Und die Fahrt wird immer mal wieder unterbrochen, um Passagiere aus- oder zusteigen zu lassen. Gebucht und bezahlt wird per Smartphone-App.
Größter Ridesharing-Dienst in Europa
„Wir starten in Hamburg den größten elektrischen Ridesharing-Dienst Europas“, bekräftigte Moia-Vorstandschef Ole Harms, als er am Donnerstag die letzten noch offenen Details des Mobilitätsdienstes lüftete. Demnach soll das Betriebsgebiet binnen eines Jahres um etwa 50 Prozent ausgeweitet werden, die Flotte auf bis zu 500 Moia-Wagen anwachsen. Ein zweiter Betriebshof an der Horner Landstraße wird bereits hergerichtet, weitere sollen folgen.
Der Hamburger Flughafen gehört von Beginn an zu dem Gebiet, in dem die Shuttlebusse fahren. Am Airport, sagte der für das operative Geschäft zuständige Vorstand Robert Henrich, werde Moia die Fahrspuren für den Sonderverkehr (Taxen, Busse) nutzen können. Bei Fahrten vom und zum Flughafen werde es einen Zuschlag von voraussichtlich etwa 2,50 Euro geben.
Fahrten zum Airport kosten Zuschlag
Beim derzeit größten Problem der Logistikbranche – dem Fahrermangel – sieht sich das Volkswagen-Unternehmen auf einem guten Weg. „Wir haben schon mehr als 400 Fahrerinnen und Fahrer fest angestellt“, sagte Henrich. Der Grundlohn betrage zwölf Euro pro Stunde, zudem zahle das Unternehmen Nacht- und Wochenendzuschläge.
Die Zahl der Angestellten soll noch in diesem Jahr deutlich steigen. Bis Jahresende strebe man 1000 Mitarbeiter an, sagte Harms. Das ehrgeizige Ziel seines Vorstandskollegen Henrich: „Wir wollen noch 2019 zu den 100 größten Arbeitgebern in der Stadt gehören.“
In Hansestadt wird Geschäftsmodell getestet
Auf Hamburgs Straßen unterwegs sind die Moia-Autos bereits seit Jahresbeginn. Um die von VW neu entwickelten Autos selbst und das Buchungssystem zu testen. Eines der Ergebnisse: Selbst bei widrigem Wetter beträgt die Reichweite mehr als 300 Kilometer. Doch in der Hansestadt will Moia auch das gesamte Geschäftsmodell eines solchen Fahrdienstes erproben.
„Wir sind hier, um das Geschäft zu erproben, es bis in die Tiefe zu verstehen und zu optimieren. Hamburg ist unser Leuchtturmprojekt“, sagte Harms. Das Ziel sei, den Fahrdienst in anderen Städten anzubieten. Harms sprach von einem „signifikanten dreistelligen Millionenbetrag“ für das gesamte Projekt, jedoch nicht allein am Standort Hamburg. In der Branche wird gemutmaßt, der Wolfsburger Autokonzern lasse sich das Projekt Moia mehr als 300 Millionen Euro kosten.
Auch über die Switchh-App buchbar
Ist der Fahrdienst, der stark an ein Sammeltaxi erinnert, eine Konkurrenz zum öffentlichen Nahverkehr und zum Taxi? Vorstand Henrich sieht in Moia eher eine Ergänzung des Nahverkehrsangebots. „In der künftigen Switchh-App der Hochbahn wird Moia einer der ersten privaten Partner sein, die über sie gebucht werden können.“ Mit dem Taxengewerbe sei man im Gespräch. „Dort sind die Reaktionen unterschiedlich und es gibt auch Bedenken.“ Nachvollziehbar, denn Moia will deutlich billiger sein als ein Taxi.
Das Unternehmen rechnet damit, dass die Passagiere zumeist zwischen fünf und zehn Kilometer lange Fahrten buchen. Der Durchschnittspreis werde zwischen sechs und sieben Euro liegen, sagte Harms. Von der Stadt genehmigt wurde zunächst eine Flotte von bis zu 500 Autos. Und die Genehmigung gilt vorerst für vier Jahre. Doch Harms würde den Niendorfer Moia-Hub danach ungern abbauen. Er betonte: „Wir sind gekommen, um zu bleiben.“