Das neue Verkehrsmittel ist gefährlich, nicht besonders umweltfreundlich und als Ersatz für das Auto völlig ungeeignet.
Jetzt hat Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) aber gezeigt, dass er etwas schaffen kann. Nur anderthalb Monate nachdem er seine Lieblingsidee von E-Scootern in deutschen Städten durch den Bundesrat gejagt hat, liegen sie bereits überall im öffentlichen Raum herum. Leider wird damit kein Problem gelöst, sondern eins geschaffen.
Aber zunächst einmal die Fakten. Seit ihrer Einführung Ende Juni gibt es in Hamburg ca. 2160 E-Scooter von vier verschiedenen Anbietern – Tendenz steigend. E-Scooter müssen auf Radwegen fahren oder ganz rechts auf der Straße, sollten keine Radwege vorhanden sein. Die Roller dürfen maximal 20 Kilometer pro Stunde schnell sein. Propagiert wurden E-Scooter als umweltfreundliche Alternative zum Auto und Ergänzung zum öffentlichen Nahverkehr.
Es ist aber völlig unplausibel, dass jemand Autofahrten durch E-Scooter ersetzt. Eine erste Auswertung der Nutzung von E-Scootern, die von der Hamburger Beratungsfirma Civity Anfang Juli veröffentlicht wurde, zeigt: Am häufigsten werden mit den E-Scootern Strecken von 1,8 bis 2,8 Kilometern zurückgelegt – Entfernungen, die ein durchschnittlicher Fußgänger oder Radfahrer in der Großstadt zurücklegt.
E-Scooter ersetzen also eher Radfahrten oder Fußgänge, jedoch keine Autofahrten. Zudem werden die E-Scooter größtenteils in der Innenstadt genutzt (Binnenalster, Jungfernstieg, Rathausmarkt und Mönckebergstraße). Sie werden also ausgerechnet dort genutzt, wo die Stadt ein Parkverbot für E-Scooter ausgesprochen hat und wo sie überflüssig sind, da ein sehr dichtes öffentliches Nahverkehrsnetz vorhanden ist. Anstatt also Menschen, die mit dem Auto in die Innenstadt reinfahren zu einer umweltfreundlicheren Fortbewegungsvariante zu motivieren, verführen die Roller diejenigen, die sich früher mit Fahrrad, öffentlichen Verkehrsmitteln oder sogar zu Fuß in die Innenstadt begaben.
Für längere Strecken ist das Nutzen der E-Scooter im Vergleich zum Autofahren nicht nur recht teuer, sondern bei einer maximalen Geschwindigkeit von 20 Kilometer pro Stunde auch zu langsam. Jeder Leihvorgang von E-Scootern kostet nämlich pauschal 1 Euro, dann fallen zusätzliche 0,15 bis 0,25 Euro pro gefahrener Minute an. Diese Preise sind vergleichbar mit Carsharing-Angeboten. Und jetzt ist es Sommer, da ist man vielleicht noch eher bereit, anstatt im Auto mit dem E-Scooter an der frischen Luft zu fahren.
Warten wir mal ab, bis uns das hamburgische Schietwetter einholt. Um Autos tatsächlich zu ersetzen, sind E-Scooter zu langsam und transportieren lässt sich damit auch nichts.
Und nun zur Frage des ökologischen Fußabdruckes. Auch wenn E-Scooter von erneuerbaren Energien angetrieben werden – ihre Produktion und ihr Betrieb kosten dennoch Ressourcen. Für ihre Batterien werden wertvolle Rohstoffe (z.B. Lithium) abgebaut, wobei zum Teil die Lebensgrundlagen von indigenen Völkern in Südamerika bedroht werden. Zudem müssen sie regelmäßig eingesammelt, aufgeladen, ausgeliefert werden – was weiteren Lieferverkehr in die Stadt bringt.
Hinzu kommt, dass die überall kreuz und quer geparkten E-Scooter noch mehr zu einem Bild der Stadt als großem Parkplatz beitragen. Sie nehmen auf den ohnehin schon zu engen Radwegen kostbaren Platz weg und werden so zur Gefahr für Fahrradfahrer und Fußgänger. In letzter Zeit häufen sich Scooter-Unfälle, auch aufgrund von alkoholisierten Fahrern. Ausgerechnet Verkehrsminister Scheuer fordert die Kommunen jetzt auf, schwächere Verkehrsteilnehmer zu schützen und härter gegen Verstöße mit E-Scootern vorzugehen.
Wir hätten da einen anderen Vorschlag: Liebe Hamburger Verkehrspolitik, setzen Sie dem E-Scooter-Spuk ein Ende, bevor der Schaden noch größer wird! Wir brauchen keine Verkehrspolitik für die Lobbyisten, Verkäufer und Verleiher von immer neuen motorbetriebenen Verkehrsmitteln. Wir brauchen Verkehrspolitiker, die sich für mehr und breitere Radwege einsetzen und die bestehenden Fahrradleihsysteme stärken. Wir brauchen keine E-Scooter, sondern eine andere Verkehrspolitik. Dabei könnte eine Stadt wie Hamburg vorangehen.
Michael Brüggemann ist Professor für Kommunikationswissenschaft, Klima- und Wissenschaftskommunikation an der Uni Hamburg. Joana Kollert ist Mitarbeiterin am Lehrstuhl und studiert Integrated Climate System Sciences.