Firmen aus der Region überraschen mit neuen Produkten. Wir prüfen wie gut sie sind. Heute: Pastasauce vom Biohof Overmeyer.

Am Morgen haben die Kohlrabis noch zwei Kilometer entfernt auf dem Feld gestanden. Maria Schubert hat eine große Kiste von dem grünlichen Kohlgemüse in die Küche des Hofcafés bringen lassen und die Erde abgespült. Als nächstes entfernt die Produktionsleiterin die Blätter mit den langen Stängeln. Aus den Knollen wird die Mittagstischsuppe für den nächsten Tag gekocht. Die Blätter wären vor Kurzem noch mehr oder weniger Abfall gewesen auf dem Demeter-Biohof Overmeyer Landbaukultur in Seevetal-Emmelndorf. Viehfutter. Oder sie wären auf dem Acker verrottet, um den Boden zu verbessern.

Gemüseanbau auf fünf Hektar

Neuerdings sind die Kohlrabiblätter der Rohstoff für ein Lebensmittel, dessen Name ziemlich genau verrät, was drin ist: Kohlrabiblatt-Pesto. „Ich finde es gut, wenn wir möglichst viel von dem verwerten können, was auf unseren Feldern wächst“, sagt Kerstin Overmeyer, die das Unternehmen gemeinsam mit ihrem Mann Uli führt. Auf fünf Hektar Land bauen die Overmeyers von Bohnen bis Zwiebeln fast sämtliche Gemüsesorten an, die in Norddeutschland unter freiem Himmel gedeihen. Sie führen einen großen Hofladen, dessen Lebensmittelsortiment einem Bio-Supermarkt in Hamburg in nichts nachsteht, halten Legehühner und eine Herde Galloway-Rinder. Und in der Hofmanufaktur wird vieles von dem, was da wenige Kilometer südlich von Hamburg wächst und gedeiht, zu Lebensmitteln der Marke Topfgucker veredelt.

Grundsatz: Keine Zusatzstoffe

„Die Grundidee der Manufaktur ist, Produktionsspitzen abzupuffern und mehr Wertschöpfung auf den Hof zu holen“, sagt Kerstin Overmeyer. Wenn überall bei den Anbauern rund um Hamburg Petersilie, Möhren, Rucola und Steckrüben sprießen, fallen die Preise auf dem Großmarkt. Statt überschüssiges Gemüse, das sich im eigenen Hofladen nicht absetzen lässt, billig weiterzu- verkaufen, machen die Overmeyers höherwertige Produkte daraus. Grundsatz bei der Herstellung: „Null Komma null Zusatzstoffe, keine Geschmacksverstärker, keine Verdickungsmittel“, sagt Kerstin Overmeyer.

Angefangen hat das alles vor vielen Jahren mit drei Dressings für die mehr als 20 Salatsorten vom Hof. „Ich habe sie zuerst nur für unsere Hoffeste gemacht. Den Leuten hat es geschmeckt.“ Die Overmeyers, beide Agraringenieure, waren damals ein junges Verwalterehepaar auf einem Demeter-Biobetrieb mit Hofladen im Ort. Sie bauten den Laden auf und aus – bis das Geschäft zu groß wurde für den landwirtschaftlichen Betrieb gleich nebenan.

Dutzende Manufaktur-Produkte

2014 zog die Familie um auf ihren eigenen, ganz neuen Hof mit integrierter Produktionsküche. Seitdem floriert die Manufaktur. Mehrere Dutzend Produkte werden inzwischen hergestellt: Brotaufstriche, Dressings, Marmeladen, Suppen, Eintöpfe, Pestos für Pastagerichte. Alles abgefüllt in Einweggläsern. „Mehrweg wäre mir lieber. Aber das wäre ein riesiger Aufwand und am Ende womöglich gar nicht ökologischer“, sagt Kerstin Overmeyer. Weil Gemüse und Obst nur frisch verarbeitet werden, sind viele der Manufakturprodukte Saisonware. Bärlauch-Pesto ist seit Kurzem ausverkauft, jetzt gibt es die Petersilie-Rucola-Variante, das Grünkohl-Pesto dagegen erst wieder im Herbst.

Grünkohl-Pesto nur im Herbst

Es ist – neben einem Gelbe-Bete-Ketchup mit Curry und dem Kohlrabiblatt-Pesto – eine der Neukreationen des vergangenen Herbstes. „Wir mussten zuerst ein bisschen herumprobieren, weil sich roher Kohl schneller verändert als andere Pestogrundlagen“, sagt Maria Schubert. Sie hat die Kohlrabiblätter inzwischen in einem sogenannten Kutter zerkleinert, Oliven- und Sonnenblumenöl dazu, Grana Padano-Käse, Haselnuss, Steinsalz, Knoblauch, Agavendick- und Zitronensaft. Fertig ist das Pesto für 50 Gläser mit je 170 Gramm. Vor dem Verschließen kommt ein Schuss Olivenöl als Schutz vor Luftkontakt drauf.

Gläser im Kühlregal des Hofladens

Mehrere Hundert Gläser hat die Manufaktur bislang verkauft. Es ist ein etwas heikles Produkt, das kühl gelagert werden muss und nur drei bis vier Wochen haltbar ist. Deshalb steht das Pesto ausschließlich im Emmelndorfer Hofladen im Kühlregal – wenn es nicht gerade ausverkauft ist. Weniger empfindliche Manufakturprodukte liefern die Overmeyers auch an die Hamburger Hobenköök und das Kaufhaus Hamburg sowie an den Lieferdienst Frischepost.

Die Kohlrabiblatt-Kreation bleibe ein fester Bestandteil der Produktpalette, sagt Kerstin Overmeyer. Sie selbst gibt sich gern einen Klacks davon aufs Tomatenbrot oder in ein Dressing. Die Manufaktur ist ein wichtiger Bestandteil des landwirtschaftlichen Unternehmens mit fast 50 Beschäftigten und vier Millionen Euro Jahresumsatz geworden. Etwa zehn Prozent davon spielt die Küche ein, in der auch noch die Kuchen für das Hofcafé entstehen. Viel Arbeit für das kleine Team um Maria Schubert. Ihre Chefin sagt: „Wir können in der Küche gut Verstärkung gebrauchen.“

Originell und lecker – aber sehr viel Salz

Produkt: Das Kohlrabiblatt-Pesto aus der Manufaktur von Overmeyer Landbaukultur besteht zu 31 Prozent aus Kohlrabiblättern. Das Gemüse wird nach Demeter-Richtlinien angebaut. Die weiteren Zutaten sind – bis auf das Steinsalz – mindestens biozertifiziert. Bei der Herstellung werden keine Zusatzstoffe verwendet. Ein Einwegglas enthält 170 Gramm.

Nährwertangaben: Wie jedes Pesto hat auch dieses reichlich Kalorien. Pro 100 Gramm sind es 515. Zudem 54 Gramm Fett, fünf Gramm Kohlenhydrate, 4,7 Gramm Eiweiß, 1,5 Gramm Salz.

Preis/Verfügbarkeit: Ein Glas kostet 4,95 Euro. Das liegt im Rahmen des Üblichen bei Manufaktur-Lebensmitteln. Ein gutes, handelsübliches Basilikum-Pesto im 190 Gramm-Glas kostet im Supermarkt knapp drei Euro.

Geschmack: Getestet wurde das Pesto als reichlich portionierter Weißbrot-Aufstrich. Alle Tester fanden es dabei sehr oder sogar zu salzig. Bei einem weiteren Test als Sauce zu Pasta wurde das jedoch nicht so empfunden. Ansonsten waren die Tester voll des Lobes: „angenehm frisch“, „sehr würzig“, „sehr interessanter Geschmack“, „unschlagbar frisch“, „ungewöhnlich und unerwartet“, lauteten die Werturteile. Positiv auch: Das Pesto ist tatsächlich eine Paste mit kleinen Stückchen und zerläuft nicht.

Fazit: Die fast perfekte Umsetzung einer originellen Produktidee mit einer Hauptzutat, die sonst nicht in Lebensmitteln verwendet wird. Für bestimmte Verwendungen wünscht man sich aber weniger Salz. Und obwohl das Pesto nicht einfach zu bekommen und sehr begrenzt haltbar ist, lautet das Urteil: viereinhalb von fünf Sternen.