Hamburg. Firmen in der Region überraschen mit neuen Produkten. Wir erzählen die Geschichte und testen sie. Heute: Klebeknete von Tesa.

Rot, blau, grün, orange – auf den ersten Blick sieht es aus wie bunte Kinderknete. Man kann es rollen, drehen, drücken, biegen und mühelos in unterschiedlichste Formen bringen. Das macht Spaß, ist aber noch nicht alles. Sugru kann Dinge, die zusammengehören, wieder verbinden. Verschlissene Kabel zum Beispiel, die verrosteten Stäbe eines Geschirrspülerkorbs, den abgeknickten Arm eines Playmobilmännchens. Oder auch ganz neue Verbindungen schaffen, als Befestigung für Haken etwa. Es gibt Menschen, für die ist der formbare Alleskleber so eine Art Wunderknete. So weit würde Frank Riebau nicht gehen. Aber der Leiter des Geschäftsbereichs Consumer und Craftsmen beim Hamburger Klebespezialisten Tesa ist immer offen für interessante Geschäftsideen. Denn Sugru kann etwas, was Klebeband nicht kann.

Seit gut einem Jahr gehört Sugru zum Sortiment von Tesa. Die Idee stammt von der irischen Designerin Jane Ni Dhulchaointigh. Mehrere Jahre hatte die Frau mit dem ziemlich komplizierten Namen an der neuartigen Silikonverbindung getüftelt, mit der sich nicht nur alles Mögliche reparieren, sondern auch Neues gestalten lässt. Der Produktname Sugru leitet sich übrigens von dem gälischen Wort sugradh ab, was so viel bedeutet wie spielen. 2003 meldete sie ein Patent für ihre Formel an und gründete in London die Firma FormFormForm Ltd. Im Mai 2018 kaufte die Beiersdorf-Tochter Tesa das Start-up. „Die Marke hat starkes Potenzial“, sagt Manager Riebau. Tesa will mit der Übernahme die Marktposition im Bereich selbstklebender Produkte stärken – und erhofft sich von den digital-affinen Londoner Gründern Impulse für den Onlinehandel.

Sugru hält auch in der Spülmaschine

Verbinden, abdichten, isolieren, schließen, schützen, markieren oder basteln – die Einsatzmöglichkeiten sind nahezu unbegrenzt. Laut Produktversprechen ist es nach dem Aushärten hitze- und kältebeständig zwischen plus 180 Grad und minus 50 Grad Celsius. Man kann es in die Spülmaschine stecken oder unter die Dusche. Es leitet keinen Strom weiter, ist gegen Erschütterungen und UV-Strahlen unempfindlich. Nach Angaben des Herstellers ist es gesundheitlich unbedenklich, aber die Verwendung wird wegen der Verschluckgefahr erst ab einem Alter von sechs Jahren empfohlen. Bislang gibt es in Deutschland mit Kintsuglue von Pattex nur ein ähnliches Konkurrenzprodukt, allerdings ist die Knete aus dem Haus Henkel nur in Weiß und Schwarz erhältlich.

In Großbritannien und den USA hat Sugru eine Erfolgsgeschichte hingelegt. 2017 erzielte das Start-up FormFormForm, das das Gründungskapital noch über eine Crowdfunding-Kampagne zusammengekratzt hatte, einen Umsatz von 5,6 Millionen Euro. Mehr als die Hälfte davon über den Onlinehandel. Innerhalb kürzester Zeit hatte sich eine Community aus mehr als 170 Ländern rund um die neuartige Klebeknete gebildet, die im Netz Reparatur- und kreative Gestaltungsideen austauscht. Darunter sogar eine Hühnerhalterin, die einer ihrer Hennen, die ein Bein verloren hatte, mit Sugru eine Art Prothese gebastelt hatte. Andere haben Reißverschlüsse repariert, Sportschuhe oder ihre Skistöcke.

Gründerin bekam den Europäischen Erfinderpreis

„Es geht auch darum, der Wegwerfgesellschaft etwas entgegenzusetzen“, sagt Tesa-Manager Riebau. Erfinderin Ni Dhulchaointigh bekam 2018 den Europäischen Erfinderpreis. Sie verantwortet mit ihrem 40-köpfigen Team weiterhin von London aus Produktentwicklung, Fertigung und Onlinevertrieb. Mithilfe von Tesa sollen Strukturen und Prozesse weiterentwickelt und der Vertrieb angekurbelt werden. So gibt es aktuell zwei Varianten der Klebeknete: Das Original mit 24 Stunden Aushärtezeit und die Familienversion, bei der zwei Komponenten gegen nachhaltigere Alternativen ausgetauscht wurden und die in 48 Stunden ausgehärtet ist. „Wir glauben, dass man langfristig nur eine Formel braucht“, sagt Riebau. Auch das Verpackungsdesign will Tesa vereinfachen. „Das Produkt soll noch nachhaltiger und auch kostengünstiger werden.“

Die erste Resonanz sei positiv. Seit Juni wirbt Tesa offensiv für die neue Klebeknete. 2020 will das Unternehmen Sugru auch über den stationären Handel anbieten. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass es neue Produktideen gibt, zum Beispiel in der Automobilindustrie. „Wer weiß, was man mit Sugru noch alles machen kann?“, sagt Tesa-Manager Riebau. Auch er hat die Klebeknete schon eingesetzt und den abgebrochenen Henkel seiner Lieblingstasse damit wieder angeflickt. „Es hält jetzt schon fast ein Jahr“, versichert er. Früher hätte er das Ding wahrscheinlich einfach weggeworfen.