Hamburg. Moritz Thiele ist Mitgründer des Hamburger Online-Kreditvermittlers Finanzcheck.de. Jetzt gibt er Kapital an andere Gründer weiter.

Fragt man Moritz Thiele, ob für ihn schon immer klar war, dass er nicht als Angestellter arbeiten, sondern einmal sein eigenes Unternehmen leiten würde, muss er für die Antwort nicht lange nachdenken: „Das war eigentlich keine bewusste Entscheidung, sondern die logische Konsequenz aus meinem Charakter.“ Er könne sich eben nur schwer unterordnen, sagt der 37-Jährige.

Schon während des Studiums der Wirtschaftsgeografie beschäftigte sich der Mitgründer des Hamburger Online-Kreditvermittlers Finanzcheck.de mit den Geschäftschancen, die das Internet bietet: „Drei Gebiete erschienen mir da besonders aussichtsreich: Gesundheit, Reisen und Finanzen.“ Nachdem er zunächst ein Portal im Bereich Lifestyle/Wellness aufgebaut hatte, startete er 2010 mit Finanzcheck – zunächst noch holprig. „Ich habe damals ganz viel ausprobiert, manches eher amateurhaft“, sagt Thiele. „Ich war bestimmt sehr blauäugig und habe dadurch Fehler gemacht.“ So verkaufte das Vergleichsportal Finanzcheck zunächst Krankenversicherungen. Die erwiesen sich allerdings als nicht so gut geeignet für den Online-Vertrieb: „In vielen Fällen ist eine ausführlichere Beratung erforderlich.“

Doch schon bald schwenkte Thiele auf Ratenkredite um – und das erwies sich als die genau richtige Entscheidung. Denn einerseits sind sie ein vergleichsweise einfaches Finanzprodukt. „Aber wenn jemand zu seiner Hausbank geht und dort einen Zins genannt bekommt, hat er keinerlei Transparenz über die Konditionen anderer Anbieter“, sagt der Finanzcheck-Gründer: „Dafür ist das Internet ideal.“

Russische Bank gehört zu den Kooperationspartnern

Thiele nennt ein Beispiel: „Viele Institute geben Selbstständigen keine Privatkredite, aber eine andere Bank, auf die der Kunde nicht ohne Weiteres selbst käme, täte das womöglich.“ Anfangs hatte Finanzcheck rund ein Dutzend Kooperationspartner, heute sind es etwa doppelt so viele. Dazu gehören große, hierzulande etablierte Geldhäuser wie die Deutsche Bank, ING oder Santander, aber auch weniger bekannte Adres­sen wie die russische Sberbank und die Oyak Anker Bank, deren Eigentümer der Pensionsfonds der türkischen Streitkräfte ist.

Auf absehbare Zeit sieht Thiele keinen Grund für Finanzcheck, selber im Ausland aktiv zu werden: „Der deutsche Markt ist riesig.“ Nach Einschätzung von Experten wächst nicht nur das Volumen der insgesamt in Deutschland vergebenen Konsumentenkredite von zuletzt mehr als 80 Milliarden Euro, auch der Marktanteil der über Vergleichsportale getätigten Online-Abschlüsse von derzeit rund zehn Prozent soll in den nächsten Jahren kräftig steigen. „Wir gehen davon aus, dass für Finanzcheck noch lange Zeit Wachstumsraten von mehr als 30 Prozent erzielbar sind“, so Thiele.

Zusammen mit Check24 (München) und Smava (Berlin) gehören die Hamburger zu den drei führenden Anbietern. Das Unternehmen beschäftigt aktuell knapp 350 Mitarbeiter, darunter rund 300 in Hamburg. Auch diese Zahl erhöht sich kräftig: Im Mai 2018 waren es insgesamt 230 Beschäftigte. Seit etwa einem Jahr werde es deutlich schwieriger, den Bedarf an qualifiziertem Personal zu decken, beobachtet Thiele: „Man muss immer mehr bieten – vor allem ein attraktives Arbeitsumfeld und spannende Aufgaben.“ Dabei komme es darauf an, Mitarbeiter zu finden, die den Besonderheiten eines schnell wachsenden Unternehmens positiv gegenüberstünden: „Sie müssen es mögen, dass wenige Dinge so bleiben, wie sie sind. Wenn Teams immer wieder neu zusammengestellt werden, bringt das zum Beispiel häufige Umzüge innerhalb des Gebäudes mit sich.“

Hamburger sind loyaler als Berliner

Zwar wäre es in der Start-up-Hochburg Berlin wohl einfacher, junge und dynamische Mitarbeiter zu finden. „Aber hier in Hamburg sind die Beschäftigten deutlich loyaler“, sagt Thiele. Er hat 2005 und 2006 in Berlin gelebt und findet: „Dort wird viel geredet, hier wird mehr getan.“ Auch wenn es immer wieder heißt, in Berlin sei es leichter, an Gründungs- und Wachstumskapital zu kommen, hat Thiele den Standort Hamburg nicht als Nachteil wahrgenommen. Den Start von Finanzcheck finanzierte er zunächst mit eigenem Geld, hatte dann aber auch schnell Kontakt zu sogenannten Business Angels, die einen Betrag im mittleren sechsstelligen Bereich beisteuerten. In den Jahren 2015 und 2017 folgten zwei große Finanzierungsrunden, bei denen Investmentgesellschaften aus Europa und den USA zusammen jeweils Summen im unteren zweistelligen Millionenbereich in das Unternehmen steckten.

Im Sommer vorigen Jahres gelang Thiele dann etwas, wovon viele Gründer träumen: Er gab Finanzcheck für 285 Millionen Euro an den Münchner Online-Marktplatzbetreiber Scout24 ab – bis dahin war das eine der größten FinTech-Übernahmen in Deutschland. Dabei rät Thiele davon ab, schon beim Start einer Firma auf einen baldigen „Exit“ zu spekulieren: „Es ist nicht der richtige Ansatz, ein Unternehmen zu gründen, um es zu verkaufen. Man trifft dann die falschen Entscheidungen und stellt die falschen Leute ein.“ Im Fall von Finanzcheck seien sich aber alle Anteilseigner einig gewesen, dass nun ein „guter Zeitpunkt“ für den Ausstieg gekommen sei, zumal Scout24 den Hamburgern weitgehende Unabhängigkeit im Tagesgeschäft zugesichert habe. „Natürlich gab es bei den Mitarbeitern zunächst viel Unruhe, aber alle haben schnell gemerkt, dass wir unseren Weg weitergehen können“, sagt Thiele, „außerdem gibt der große Eigentümer den Beschäftigten nun ein anderes Sicherheitsgefühl.“

Finanzcheck soll frühestens 2020 Gewinn machen

Thiele sieht keinen Widerspruch darin, trotz des neuen Wohlstands – zum Zeitpunkt des Verkaufs hielt er noch knapp 21 Prozent an Finanzcheck – weiter als Geschäftsführer tätig zu sein: „Wenn man viel Geld verdient hat, versteht man, dass es darum nicht geht. Es bringt mir Spaß, die Firma auf eine neue Ebene zu heben.“ Dazu gehört wohl auch, sie in die schwarzen Zahlen zu führen, was frühestens 2020 erreicht werden soll. Thiele, der sich noch einige Jahre an das Unternehmen gebunden hat, gibt unterdessen Kapital und Know-how an andere Gründer weiter; er hat sich bei einem guten Dutzend Start-ups, darunter auch solche in den USA, engagiert. Zudem hat er jetzt vielleicht etwas mehr Zeit für einen noch deutlich jüngeren Menschen – seinen knapp zwei Jahre alten Sohn.