Hamburg. Vor 50 Jahren wurde der Flugzeugbauer aus der Taufe gehoben. In Hamburg hat Airbus eine bewegte Geschichte – von A320 bis A380.

Die Geburt ist mit Komplikationen verbunden und klappt erst im zweiten Anlauf. Mitte der 1960er-Jahre reifen in Europa die Überlegungen, ein großes Verkehrsflugzeug zu bauen. „Airbus“ soll es heißen, weil das Fliegen mit ihm so selbstverständlich werden soll wie das Busfahren. Im September 1967 unterzeichnen Minister aus England, Frankreich und Deutschland den Vertrag über den Bau eines A300. Zugleich wird in München die Deutsche Airbus GmbH gegründet. Fünf Firmen steuern jeweils 20 Prozent bei: Dornier, Messerschmitt, Siebel, VFW und die Hamburger Flugzeugbau GmbH.

In trockenen Tüchern ist das Projekt damit aber nicht. „Die Engländer glauben nicht an den Airbus“, sagt der französische Verkehrsminister Jean Chamant Ende 1967 nach einer London-Reise. Das „Flugzeug made in Europa“ gerät ins Wanken – auch aus weiteren Gründen. Die Fluglinien auf dem Alten Kontinent zeigen wenig Interesse. In Frankreich stellt die Entwicklung des extrem teuren Überschallflugzeugs Concorde alles andere in den Schatten. Zumal auch noch die Firma Sud Aviation mit Sitz in Toulouse als treibende Kraft in Schwierigkeiten kommt. „Der Airbus scheint nicht möglich“, sagt Chamant. Henri Ziegler sieht das anders. Er ist der neue Präsident von Sud Aviation und kontert Chamants Worte: „Ich glaube, dass es für uns lebenswichtig ist, dieses Flugzeug zu bauen.“ Der Manager überzeugt die Berater des Politikers.

In Holzattrappe beginnt Airbus-Geschichte

Doch dann steigen die Briten im April 1969 aus dem Gemeinschaftsvorhaben aus. Eine Entwicklung, die sich in den Monaten zuvor andeutete. Bundeswirtschaftsminister Karl Schiller (SPD) hatte daher im Hintergrund schon Fäden gezogen. Ursprünglich wollte Deutschland ein Viertel der Kosten tragen. Die finanzielle Hauptlast wollten sich Franzosen und Briten teilen. Schiller schickte seinen Staatssekretär Klaus von Dohnanyi (SPD) nach Paris. Seine Botschaft: Die Bundesregierung würde den Airbus auch allein mit Frankreich bauen und die Hälfte der Kosten übernehmen, die auf bis zu zwei Milliarden D-Mark geschätzt wurden. Die Aussicht auf neue Topjobs in dem Industriezweig lockte.

Gesagt, getan. Die Luftfahrtausstellung in Le Bourget bei Paris wird zur Geburtsstunde von Airbus. Am 29. Mai 1969 unterzeichnen Chamant und Schiller in einer Holzattrappe der A300-Kabine den deutsch-französischen Vertrag zum Bau eines neuen Großraum-Passagierflugzeugs für Kurz- und Mittelstrecken, das 150 Passagiere fassen soll. Die Gründung einer übergeordneten Gesellschaft erfolgt erst am 18. Dezember 1970, als der Vertrag über die Airbus Industrie G.I.E. (einer wirtschaftlichen Interessengemeinschaft nach französischem Recht) mit Sitz in Paris von Ziegler und Franz- Josef Strauß unterzeichnet wird.

29. Mai 1969: Jean Chamant (r.) und Karl Schiller (M.) besiegeln per Unterschrift die Airbus-Gründung.
29. Mai 1969: Jean Chamant (r.) und Karl Schiller (M.) besiegeln per Unterschrift die Airbus-Gründung. © S.A.S. Airbus | S.A.S. Airbus

Der CSU-Politiker, frühere Verteidigungs- und Finanzminister ist als leidenschaftlicher Pilot seit Jahren ein vehementer Befürworter des Projekts und zudem Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Airbus GmbH. An der Entwicklung des Airbus sind aber mehr als nur zwei Länder beteiligt. Der britische Flugzeughersteller Hawker Siddeley bleibt in Eigenregie ohne staatliche Unterstützung an Bord, Fokker aus den Niederlanden tritt wie die spanische CASA hinzu. Die Briten treten dem Konsortium 1979 wieder bei – und steigen 2006 erneut aus.

In Hamburg werden seit 1933 Flugzeuge gebaut

Hamburg wird wichtiger Fertigungsstandort und knüpft damit an historische Wurzeln an. Bereits 1933 hatte die Werft Blohm­ & Voss als Tochterunternehmen die Hamburger Flugzeugbau GmbH gegründet. Mehrere Modelle wurden gebaut und entworfen, darunter auch Wasserflugzeuge. Nach dem Zweiten Weltkrieg durfte Deutschland erst 1955 mit dem Inkrafttreten der Pariser Verträge wieder Flugzeuge fertigen. In Lizenz baute die Hamburger Flugzeugbau auf Finkenwerder den französischen Transporter Noratlas und von 1959 an auch die Bundeswehrmaschine Transall.

Ein Jahr später startet der Bau des Geschäftsfliegers Hansa Jet, der ersten westdeutschen Eigenentwicklung seit 1945. Zum Airbus steuert das Werk auf Finkenwerder mit rund 5500 Mitarbeitern die Rumpfsektion an den Trag­flächen und das hintere Rumpfsegment bei, das Seitenleitwerk stammt aus Stade. Die Maschine erhält die Bezeichnung A300, weil bis zu 300 Passagiere an Bord passen sollen. Tatsächlich ist der 48,30 Meter lange Zweistrahler aber meist auf weniger Fluggäste ausgelegt. Schiller und Chamant sprechen 1969 von einem Verkehrsflugzeug für 150 Passagiere.

Airbus entwickelt einen Verkaufsschlager

Am 28. Oktober 1972 feiert der A300 seinen Jungfernflug, eineinhalb Jahre später wird die Maschine an Air France ausgeliefert. Aufträge bleiben zunächst aber Mangelware. Vier Jahre später sind erst 20 Exemplare im Liniendienst. Das Programm steht schon wieder auf der Kippe, auch weil es nur noch 57 Bestellungen gibt. Mit der Festbestellung von 19 Maschinen der US-Fluggesellschaft Eastern gelingt 1977 der Durchbruch auf dem US-Markt – und später auch global. Aufträge kommen nun herein, zwei Jahre später wechselt der 100. Airbus vom Hersteller zum Betreiber, 561 Flugzeuge vom Typ A300 sind es insgesamt.

28. September 1972: In Toulouse wird erstmals der Airbus A300 vorgestellt. Gegenüber steht die Concorde.
28. September 1972: In Toulouse wird erstmals der Airbus A300 vorgestellt. Gegenüber steht die Concorde. ©

In eine neue Dimension stößt der Konzern im März 1984 vor. Nach langer Vorarbeit erfolgt der offizielle Start für das A320-Programm – und es wird sich zum absoluten Verkaufsschlager entwickeln. Die Maschine ist mit 37,57 Metern rund zehn Meter kürzer und mit einem Rumpfdurchmesser von 3,95 Metern rund 1,50 Meter dünner als der Airbus-Erstling. Eine wahre Revolution gelingt bei der Technik. Das elektronische Flugsteuerungssystem „fly by wire“ ist eine Neuerung, die bisher in Kampfjets eingesetzt wird. Die Zeiten der Steuersäule sind passé, stattdessen greifen die Piloten zu einem Sidestick, wie man ihn aus Computerspielen kennt.

Die Steuerbefehle werden nicht mehr über Seile und Stangen an das Ruder übertragen, sondern durch elektronische Signale. Puristen des Fliegens geht das viel zu weit. Zumal der Bordcomputer die Befehle checkt, um Pilotenfehler zu verhindern. Dennoch stürzen Flugzeuge ab und lösen eine heftige Diskussion über den Verkehrsjet aus. Untersuchungen schreiben aber überwiegend den Kapitänen die Fehler zu. Am 14. Februar 1987 taufen Prinz Charles und Lady Diana den ersten A320. Zu dieser Zeit liegen schon 261 Festbestellungen und 176 Kaufoptionen vor. Für die damalige Zeit ein Rekord.

Hamburg wird drittgrößter Luftfahrtstandort

Wegweisende Entscheidungen fällt der Airbus-Aufsichtsrat 1990. Auf der einen Seite muss Hamburg zwar die Zuständigkeit für die Innenausstattung des A330/A340 an Toulouse abgeben. Alle Langstreckenmaschinen, für die an der Elbe vor allem Rumpfsegmente gefertigt werden, werden in der südfranzösischen Stadt zusammengebaut. Im Gegenzug erhält Finkenwerder allerdings die Endmontagelinie für die lange Version A321. Im März 1993 hebt sie erstmals ab.

27. Januar 1994: Auslieferung des ersten A321. Taufpatin ist Hélène Mehdorn, die Frau von Hartmut Mehdorn.
27. Januar 1994: Auslieferung des ersten A321. Taufpatin ist Hélène Mehdorn, die Frau von Hartmut Mehdorn. © Lufthansa Archiv

Ein Jahr später erhält die Lufthansa die erste Maschine des Typs, die als „Finkenwerder“ noch heute im Liniendienst ist. Das Flugzeugprogramm bekommt mit dem A318 und dem A319 noch zwei kleine Brüder. Aus einer Endmontagelinie an der Elbe werden bis heute vier. Hamburg entwickelt sich zum drittgrößten Luftfahrtstandort weltweit – die Grundlage dafür wird im alten Jahrtausend gelegt.

In den 1990er-Jahren beschließt Airbus, das größte Passagierflugzeug der Welt zu bauen. Der Projektname lautet zunächst A3XX, später wird es in A380 umbenannt. Es entbrennt ein Kampf mehrerer Städte um die Fertigung. Im Juni 1998 bewirbt sich der rot-grüne Senat um die Endmontage des A380. Aus der Sicht von Wirtschaftssenator Thomas Mirow (SPD) geht es um die einmalige Chance, der Hansestadt das „indus­trielle Zukunftsprojekt des 21. Jahrhunderts“ zu sichern. Es gelingt.

Zwei Jahre später erhalten Hamburg und Toulouse den Zuschlag als Endmontageort. „Das ist ein Quantensprung für den Luftfahrtstandort Hamburg“, sagt Mirow. Im Oktober gibt die Bürgerschaft knapp 700 Millionen Euro Steuergeld frei für das Vorhaben. Das Mühlenberger Loch wird zugeschüttet. Ein heftig umstrittenes Zugeständnis, schließlich handelt es sich dabei um das größte Süßwasserwatt Europas. Später wird auch einer Verlängerung der Start- und Landebahn auf Finkenwerder zugestimmt. Airbus begründet die Notwendigkeit dafür mit einer geplanten Frachterversion des A380 – die wird aber nie gebaut werden. Die Klagen dagegen laufen noch heute.

Im April 2005 feiert A380 seinen Jungfernflug

Für die Politik ist wohl die Aussicht auf Tausende neue, hoch qualifizierte Arbeitsplätze zu verlockend. Im April 2005 feiert das größte Passagierflugzeug der Welt seinen Jungfernflug in Toulouse. Der Hochlauf der Produktion stockt allerdings, immer wieder müssen die Auslieferungspläne nach hinten verschoben, Airlines auf später vertröstet werden. Eine große Mitschuld wird Finkenwerder zugewiesen. Die Arbeitsaufteilung sieht vor, dass das Werk große Teile des Rumpfes bauen soll, die dann zum Zusammenschrauben in das Werk in Südfrankreich gebracht werden.

Von dort fliegen die fast fertigen Flugzeuge nach Hamburg, um innen ausgebaut, lackiert und an Kunden in Europa und dem Nahen Osten ausgeliefert zu werden. Schwierigkeiten macht das Verlegen der Kabel für die Innenausstattung. Sie erweisen sich als zu kurz und verzögern die gesamte Produktion. Der Kabelsalat made in Hamburg kostet den Konzern Milliarden. Nur 14 Jahre nach dem Erstflug verkündet Airbus-Chef Tom Enders im Februar dieses Jahres schließlich das Aus für den A380, im Jahr 2021 soll die letzte Maschine des Typs ausgeliefert werden.

Konzern lieferte mehr als 12.000 Flugzeuge aus

„Der A380 ist für den Standort Hamburg eine Erfolgsgeschichte“, sagt Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos) an diesem Februar-Tag dennoch. Dafür spricht eine Reihe von Fakten: Das Werksgelände hat sich seit der Airbus-Gründung auf 370 Hektar verzehnfacht. Die Mitarbeiterzahl ist seit der Ansiedlung der A380-Endmontage an der Elbe von 7800 auf 13.000 gestiegen. Insbesondere in der Innenausstattung ist Kompetenz aufgebaut worden, die Möglichkeiten der Kabineneinrichtung sind stark erhöht worden. Aus den Fehlern beim A380 lernte man bei der Produktion des Großraumjets A350.

Das Etikett „Made in Hamburg“ tragen mehr als die Hälfte aller A320-Maschinen, von denen der Konzern bisher gut 8800 Jets auslieferte. Über alle Modellreihen hinweg sind es mehr als 12.000 Flugzeuge. Die sogenannte Single-Aisle-Klasse, die ihren Namen wegen des nur einen Gangs zwischen den Passagiersitzen trägt, ist damit das Brot- und Buttergeschäft des Konzerns. Weltweit startet oder landet alle 1,5 Sekunden ein A320. Mehr als 6000 Bestellungen hat Airbus noch im Auftragsbuch. Gefüllt wird es vor allem durch die neo-Version. Dank neuer Triebwerke und nach oben gebogener Flügelspitzen soll der Treibstoffverbrauch um mindestens 15 Prozent sinken. Im Jahr 2021 sollen 63 Flugzeuge des Typs pro Monat fertig werden – es ist die höchste Rate in der Geschichte der zivilen Luftfahrt.