Hamburg. Die Führungsriege von Airbus über denStandort, den Bau von Lufttaxis sowie die Folgen aus Boeings Abstürzen und A380-Aus.
Airbus empfängt in einem traditionsreichen Gebäude. An der Wand der Eingangshalle hängt ein Mosaik. Historische Flugzeuge sind zu sehen und die Initialen WB. Sie stehen für Walther Blohm. Der Werftbesitzer ließ den 350 Meter langen Backsteinriegel Ende der 30er-Jahre erbauen. Früher waren dort Konstruktionsbüros, Versuchshalle, Windkanal und Kantine untergebracht. Deutschland-Personalchef Marco Wagner bittet in sein Büro im ersten Stock. Beim Gespräch über Geschichte, Gegenwart und Zukunft des am 29. Mai 50 Jahre alt werdenden Unternehmens sitzen zudem Standortleiter Georg Mecke und der neue Werksleiter André Walter mit am Tisch.
Abendblatt: Wie wichtig ist für die Firmengeschichte die von Walther Blohm gegründete Flugzeugtochter?
Mecke: Sie ist enorm wichtig. Die Familie Blohm hatte die Idee, außer Schiffen auch noch Flugzeuge zu bauen und so ein neues Standbein zu schaffen. Dadurch ist hier ein Fachwissen entstanden, auf das Airbus später zurückgreifen konnte. Denn Airbus hat keine neuen Standorte gegründet, sondern auf bewährte zurückgegriffen. Ohne diese Vorgeschichte wäre Hamburg heute kein Airbus-Standort. Dessen sind wir uns auch bewusst. Nicht zufällig trägt das Auslieferungszentrum für die A320-Familie den Namen Walther Blohm.
Brauchen Sie die Unterstützung der Politik?
Wagner: Wichtig ist, dass die Balance stimmt. Der Staat soll klare Rahmenbedingungen setzen. Und in diesen Leitplanken müssen wir navigieren können. Wir brauchen Ansprechpartner, die auf Augenhöhe mit Vertretern der Wirtschaft in den Dialog gehen. Man streitet sich in Spannungsfeldern auch mal, findet am Ende des Tages aber immer Lösungen. Mecke: Alles funktioniert nur mit Unterstützung der Politik und vor allem auch der Nachbarschaft. Wir wissen, dass wir die Nachbarschaft auch stören – halten das aber für vertretbar, weil wir nur tagsüber fliegen. Über sämtliche Veränderungen tauschen wir uns im Nachbarschaftsbeirat aus. Mit allen Bürgermeistern und Parteien gab es immer einen vernünftigen Austausch und Unterstützung. Es ist ein sehr konstruktives Verhältnis. Die Hamburger Politik hat in meinen Augen sehr weitsichtig gesagt, nur Schiffbau und nur Hafen wird auf Dauer nicht funktionieren und mit der Luftfahrt ein neues Standbein geschaffen. Heute ist die Metropolregion Hamburg der drittwichtigste zivile Luftfahrtstandort der Welt mit mehr als 42.000 Mitarbeitern. Die beiden größten Industriebetriebe in der Stadt sind aus der Branche – Airbus und Lufthansa Technik. Jedes sechste Flugzeug, das weltweit ausgeliefert wird, wechselt in Hamburg den Besitzer. Im Schnitt liefern wir an jedem Werktag mehr als ein Flugzeug aus.
Die Stadt Hamburg hat die Ansiedlung der Endmontagelinie des A380 mit rund 700 Millionen Euro Steuergeld gefördert. Nun wird 2021 die Produktion des größten Passagierflugzeugs der Welt eingestellt. Ist das Geld verbrannt?
Wagner: Nein, keineswegs. Wir hatten in Hamburg im Jahr 2000 7800 Beschäftigte. Aktuell sind es gut 13.000 Mitarbeiter. Hinzu kommen 2000 Leiharbeitskräfte. Der A380 hat den Standort Hamburg massiv nach vorn gebracht, war ein Katalysator für die Entwicklung. Zum Beispiel sind wir dadurch führend im Konzern geworden bei der Kabinenkompetenz. Vor fünf Jahren habe wir ein Kabinendefinitionszentrum für den A350 eröffnet, das wir erst vor kurzem um die Programme A320 und A330 erweitert haben Darin können Airline-Manager ihre Kabine planen und ausgestalten. Das gibt es nur in Hamburg. Dank des A380 haben wir hier einen Technologiesprung geschafft, so dass wir auch für den modernen, auf Kohlefaser basierenden Großraumjet A350 Teile herstellen können. Der A380 hat außerdem die Forschung vor Ort gefördert, so dass das Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung (ZAL) auf Finkenwerder entstand. Das alles sind nachhaltige Effekte, die weit über den A380 hinausgehen. Die Wettbewerbsposition des Standorts verbesserte sich deutlich. Nebenbei gesagt: Durch die Beschäftigung sind Milliarden an Steuereinnahmen erzielt worden.
Mecke: Nicht zu vergessen: Die Hallen, die hier gebaut worden sind, sind alle durch die verschiedenen Programme voll belegt.
Walter: Wir warten dringend mit der A320-Produktion darauf, weiteren Platz in den A380-Hallen zu übernehmen.
Was passiert mit den Mitarbeitern der A380-Fertigung?
Wagner: Weltweit sind noch 3500 Mitarbeiter in dem Flugzeugprogramm beschäftigt. In Deutschland sind es 1000, darunter in Hamburg etwa 700 bis 800. Ab Mitte 2021 werden wir noch etwa 50 bis 60 Mitarbeiter im A380-Programm beschäftigen, um den laufenden Betrieb der Airlines zu unterstützen. Über die Gestaltung dieses Prozesses sind wir mit unseren Sozialpartnern in Gesprächen. Das A320-Programm als hochlaufendes Programm ist der Hauptzielbahnhof für die Beschäftigten, die noch am A380 tätig sind. In Hamburg sehe ich für die Kollegen generell keine Probleme für eine Weiterbeschäftigung. Ich kann aber nicht für jeden Mitarbeiter an jedem Standort darauf Brief und Siegel geben. Unterm Strich werden wir weiter extern einstellen, auch weil wir jedes Jahr Hunderte Rentenabgänge haben werden. Zudem wird es Beschäftigungsmöglichkeiten bei den Langstreckenmodellen A330 und A350 geben.
Ihr Konkurrent Boeing steckt nach den zwei Abstürzen der 737 Max in massiven Schwierigkeiten. Profitieren Sie davon?
Wagner: Was dort passiert ist, ist tragisch. Wenn Menschen sterben, kann uns das nur emotional machen. Wir haben ausschließlich Mitgefühl. 2017 war weltweit das sicherste Jahr in der Geschichte der zivilen Luftfahrt. In Europa blieben schwerere Flugzeugunglücke mit Todesfällen sogar völlig aus. Die Sicherheit ist unser oberstes Gebot. Uns kann das nur wachsam machen, angefangen bei der Arbeitssicherheit unserer Mitarbeiter bis hin zur Sicherheit unserer Produkte. Wir nehmen das als Hinweis, die Sicherheit noch stärker in den Fokus zu rücken. Entscheidungen über Flugzeugkäufe sind langfristig orientiert – deshalb profitieren weder wir noch sonst jemand in der Branche.
Airbus selbst hatte lange Schwierigkeiten mit den Triebwerken für das A320neo-Programm. Sind alle Probleme gelöst?
Walter: Die Hersteller liefern nun stabil die Triebwerke. Von einst 100 Flugzeugen, die auf Motoren warteten, sind es nun nur noch wenige Exemplare. Der Aufholprozess wurde Ende vergangenen Jahres abgeschlossen. Die Fertigungsrate für die A320-Familie liegt derzeit bei 57 im Monat und soll auf 63 in zwei Jahren steigen. Mehr als die Hälfte der Maschinen kommt aus Hamburg.
Mit der A321 Longrange(LR)-Version steigen Sie in den Langstreckenmarkt ein. Ist die Maschine ein Hoffnungsträger für die Zukunft?
Wagner: Der Anteil der A321 unter den Bestellungen der Familie und damit in unserer Produktion erhöht sich massiv. Diese werden schwerpunktmäßig in Hamburg gebaut, zudem nur noch in Mobile (USA). Diese A321 statten wir für die Langstrecke mit komplexeren Kabinen mit mehreren Passagierklassen aus.
Walter: Wir sehen, dass die LR-Version sehr gut bei unseren Kunden ankommt und den Bedarf in der Luftfahrt gut abdeckt. Wir wollen das Produkt immer besser machen. Es gibt keinen Beschluss für ein Programm, aber Gedankenspiele über eine Version mit noch längerer Reichweite als die 7400 Kilometer der LR-Variante.
Wann werden Sie mit einem völlig neuen Flugzeug auf den Markt kommen?
Wagner: Wir arbeiten derzeit vor allem an der Weiterentwicklung der existierenden Produktpalette. Selbstverständlich arbeiten wir aber auch an Konzepten für zukünftige Flugzeuggenerationen können aber hierzu noch keine konkreten Zeitpunkte nennen.
In der Luftfahrt ist noch vieles Handarbeit. Was ändert sich in der Zukunft?
Walter: Wenn wir über Automatisierung reden, schauen wir immer sehr stark auf Roboter und selbst steuernde Systeme. Unterschätzt wird, dass man sehr viel aus Systemen durch eine bessere Steuerung herausholen kann. In Hamburg sind wir ganz weit vorn beim Einsatz von neuen digitalen Produktionssteuerungssystemen. Dadurch kann man die Effizienz enorm steigern.
Als eines der Zukunftsthemen gelten Lufttaxis. Könnten diese in Hamburg gefertigt werden?
Walter: Bisher sind aus den norddeutschen Standorten vor allem die Entwickler beteiligt. Wir müssen die Entwicklung vorantreiben. Wenn wir ein Produkt haben, kann es theoretisch überall gebaut werden. Wagner: Das Thema ist größer als nur Lufttaxis. Es geht zum Beispiel auch um unbemannte Drohnen, mit deren Hilfe man Bluttransfusionen oder Medikamente von A nach B transportieren kann. Wir haben vor kurzem als Tochtergesellschaft die Urban Air Mobility GmbH mit Sitz in München gegründet.
Schon in naher Zukunft soll es Veränderungen am Haupttor geben. Warum planen Sie dort ein Dienstleistungszentrum? Und wann ist es fertig?
Mecke: Wir planen dieses Dienstleistungszentrum mit einem Investor. Wesentlicher Hintergrund ist, dass wir zukünftig mehr Besuchern als derzeit 65.000 pro Jahr die Möglichkeit bieten wollen, die Airbus-Produktion in Finkenwerder zu besichtigen. Und dies mit einem sehr viel besserem Ambiente, mit Ausstellungs-, multimedialen Präsentationsräumen. Zudem sollen dort – auch für unsere Airbus-Mitarbeiter und -Kunden – Einzelhandelsflächen, Café mit Aussichtsterrasse mit Blick auf die Start- und Landebahn, Hotel und weitere interessante Angebote integriert werden. Der Ausbau ist übrigens auch Wunsch der Stadt Hamburg. Tagestouristen werden immer wichtiger, viele möchten dabei tagsüber zum Beispiel einen Industriebetrieb wie Airbus besichtigen und abends Kultur genießen. Wir sind da auf einem guten Weg und stimmen uns eng mit der Finkenwerder- und übergeordneten Landes-Politik ab. Das Dienstleistungszentrum befindet sich jetzt im normalen Planungsablauf, und somit steht ein endgültiger Eröffnungstermin noch nicht fest.