Hamburg . Kanzlerin in Hamburg: “Nur Effizienz löst die Probleme nicht.“ Sparkassen müssen sparen. Ein ehemaliger Bürgermeister überzeugt alle.
Es ist an fast jeder Wand in den Hamburger Messehallen zu lesen, dieses verbindende Wort: Gemeinsam. Rote Schrift auf weißem Grund: Gemeinsam allem gewachsen. So lautet das Motto des 26. Deutschen Sparkassentages, der das dritte Mal nach 1973 und 1986 in diesen Tagen in Hamburg stattfindet. Die Sparkassen wollen enger zusammenrücken und auch ihre Arbeit abseits des Geldschalters hervorheben – bei diesem Treffen mit rund 2500 Teilnehmern. Die Sparkassenchefs sind gekommen, Landräte, Bürgermeister, aber auch 200 Auszubildende sind eingeladen.
In den Messehallen findet man Stände zu Stiftungsaktivitäten und immer wieder Slogans, die eine klare Abgrenzung zu Groß- und Direktbanken erkennen lassen sollen. „Weil die Sparkasse verantwortungsvoll mit einem Kredit helfen kann“ oder „Wer der Gemeinschaft dient, steckt seine Großinvestitionen in Kleinbetriebe.“ Auch Haspa-Chef Harald Vogelsang hebt in seinem öffentlichen Dialog, den er mit Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) vor gut 2000 Zuhörern im großen Veranstaltungssaal – genannt Arena – führt, die Wichtigkeit gemeinsamen Handelns hervor.
Und Tschentscher fordert speziell für Hamburg, dass das „Gemeinwesen gestärkt“ werden müsse und der Haspa dabei aus seiner Sicht eine wichtige Rolle zukomme.
Es geht auch um die Haspa-App Kiekmo
Dass es nicht nur in der Theorie beim Zusammenrücken bleiben soll, macht später Haspa-Projektleiterin Sarah Teich deutlich. Sie erklärt vor einer kleinen Runde von Sparkassenvertretern die App Kiekmo, über welche die Haspa Interessierte mit Nachrichten aus der Region und Services versorgt. Die Idee dahinter: Auch Menschen an die Haspa heranführen, die bisher noch keine Kunden sind. Deshalb kann man über Kiekmo auch Schließfächer in Haspa-Filialen buchen, in denen zum Beispiel Unternehmen für ihre privaten Kunden Waren hinterlegen. Obst, Gemüse, Wein, Bücher – alles ist willkommen.
In 18 Filialen gibt es diese Schließfächerwände bereits, im Juni sollen 25 weitere folgen. Und vielleicht auch bald außerhalb Hamburgs? „Kiekmo wäre bundesweit skalierbar“, sagt Sarah Teich und lädt alle Sparkassen ein, sich über Kiekmo näher zu informieren. Damit man bundesweit gemeinsam etwas macht.
Auch die Haspa muss sparen
Dass sich die Sparkassen ändern müssen, zeigt ein Blick auf das Filialnetz. Seit Jahren wird es immer grobmaschiger. Allein in den vergangenen zwei Jahren sank die Zahl der Standorte um 490 auf bundesweit 13.016. Auch die Haspa schließt Filialen und muss sparen. Im Rahmen des Projekts „Spring“ dürfte bis 2023 fast jeder vierte Standort verschwinden, 1000 Arbeitsplätze sind zudem in Gefahr. Mit modernen Nachbarschaftsfilialen und der App Kiekmo versucht sich Deutschlands größte Sparkasse auf die online-affine Kundschaft von morgen einzustellen, die nur noch schwer in Filialen zu locken ist.
Bei Klaus von Dohnanyis Vortrag in der Arena geht es nicht um eine gemeinsame Sparkassen-App, sondern um die Wertegemeinschaft Europa. Der frühere Hamburger Bürgermeister warnt vor radikalen politischen Tendenzen und vor zuviel Macht, die an EU-Institutionen übertragen wird. „Viele Menschen fühlen sich von Brüssel entmündigt“, sagt der 90-jährige und fordert mehr Kompetenzen für lokale Entscheider. Seine steile These: „Die Bürgermeister werden wichtiger als Bundeskanzler.“
Denn nationale Regierungschefs würden wegen der Machtfülle in Brüssel immer geringer. „Politik wird lokal gemacht“ so Dohnanyi; nach ihm betritt die Bundeskanzlerin die Bühne.
Das Bundesjugendorchester spielt
Begleitet von Bläsern des Bundesjugendorchesters wird Angela Merkel von den 2500 Gästen freundlich mit Applaus begrüßt. Die vom früheren Hamburger Bürgermeister angesprochene lokale Verantwortung gibt Angela Merkel dann auch direkt an die Vertreter der Sparkassen weiter. Gerade auf dem flachen Land, wo die Menschen sich oft abgehängt fühlten, seien Sparkassen wichtig. Merkels Appell: „Bleiben Sie der Fläche gewogen. Sie dürfen auch nicht zu viele Filialen schließen, selbst wenn sie sich gleichzeitig Neuem nicht verschließen können.“
Damit meint die Kanzlerin selbstverständlich die Digitalisierung. Merkel weiß sehr genau, dass sich die Sparkassen mit Blick auf den massiven Kostendruck, die harte Konkurrenz durch Direktbanken und Fintechs stetig wandeln müssen. Auch die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) spricht sie offen an, nennt diese aber eine Folgeerscheinung der weltweiten Finanzkrise, mit der die Geldinstitute heute klarkommen müssten.
Sparkassen als die gute Seele der Region
Merkel spricht in ihrem rund 35-minütigen Vortrag viel über Europa, erinnert daran, wie die Weltgemeinschaft die Finanzkrise mit vergleichsweise wenigen Schrammen gemeistert habe und stellt klar, dass sie Großbritannien beim Austritt aus der EU die notwendige Zeit geben wolle. Als ob sie das Motto des Sparkassentages verinnerlicht hat, kommt sie immer wieder darauf zurück, wie wichtig gemeinsames Handeln für langfristige, tragfähige Lösungen sei.
Und am Schluss ihrer Rede nimmt sie die Sparkassen nochmals deutlich in die Pflicht. Auch hier ist der Gemeinsinn, das Gemeinwohl der Grundgedanke ihrer Appells: „Die Sparkassen sollten die gute Seele in der Region bleiben. Denn nur Effizienz löst die Probleme nicht.“ Die Gäste im Saal erheben sich, applaudieren. Aber gerade die Sparkassenvertreter aus den ländlichen Regionen wissen, dass es nicht einfach werden dürfte, dem Wunsch der Kanzlerin nachzukommen. Doch heute in Hamburg steht der Gemeinsinn über allem.