Hamburg . Harald Vogelsang fordert zum Sparkassentag in Hamburg eine Wende in der Zinspolitik und gibt Anlagetipps.
In dieser Woche findet der Deutsche Sparkassentag in Hamburg statt. Das Abendblatt sprach zu diesem Anlass mit Haspa-Chef Harald Vogelsang über die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), den Wandel in der Branche und wo man in Hamburg noch eine Immobilie kaufen sollte.
Hamburger Abendblatt: Wie beurteilen Sie die gescheiterten Fusionsgespräche zwischen Commerzbank und Deutsche Bank?
Harald Vogelsang: Ich denke, die Gespräche waren einen Versuch wert. Denn die deutschen Banken sind im internationalen Vergleich zu klein. Es ist bedauerlich, das es nicht geklappt hat. Aber die Gründe im Detail kann ich nicht beurteilen, dafür bin ich zu weit weg.
Kommt nun eine Übernahme der Commerzbank durch einen ausländischen Konkurrenten?
Vogelsang: Ich bin kein Hellseher. Aber die Wahrscheinlichkeit ist nun natürlich höher, dass es eine europäische Lösung gibt.
Wie sehen Sie die Niedrigzinspolitik der EZB - ist sie noch notwendig?
Vogelsang: Zwar hat sich die Konjunktur in den vergangenen Monaten eingetrübt. Trotzdem kann diese Entwicklung nicht dazu führen, dass wir nun ewig Negativzinsen der EZB haben. Mein Eindruck ist, dass die aktuelle Zinspolitik primär von der Situation in Südeuropa – speziell Italien – geprägt wird. Für Nordeuropa bringt die Zinspolitik der EZB dagegen mehr Schaden als Nutzen. Wir vernichten gerade in Deutschland Spargelder und Altersvorsorge, weil die Menschen keine Zinsen mehr auf ihr Geld bekommen. Diese Zinspolitik hätte aus meiner Sicht schon lange beendet werden müssen.
Wie wird sich die Zinspolitik aus Ihrer Sicht entwickeln?
Vogelsang: Ich befürchte, dass sich an der Zinspolitik in den kommenden Jahren nichts ändern wird.
Das Thema Geldanlage ist gerade mit Blick auf die Altersvorsorge in aller Munde. Die Menschen sind verunsichert. Wie sollte ein heute 30-jähriger vorsorgen?
Vogelsang: Zum einen sollte man einen Teil seines Geldes sparen, auch wenn es so gut wie keine Zinsen aufs Sparbuch oder für Tagesgeld gibt. Zudem kann man sich mit ausreichend Eigenkapital nach einer Immobilie umschauen. Hier würde ich gerade Hamburgern empfehlen, nicht nur auf die begehrten Stadtteile zu schauen. Denn dort sind die Preise bereits sehr hoch. Es lohnt sich der Blick in aufstrebende Stadtteile wie Lurup, Hamm, Wilhelmsburg und Rothenburgsort oder in das angrenzende Umland. Als dritten Geldanlagetipp würde ich Aktien-Sparpläne empfehlen. Hier sollte man kontinuierlich kleine Beträge in Aktien investieren – zum Beispiel 50 oder 100 Euro im Monat. In 20 bis 30 Jahren freut man sich dann über den Ertrag.
Wie sehen Sie den Hamburger Immobilienmarkt? Droht – wie einige Experten bereits befürchten – eine Blase?
Vogelsang: Ich glaube nicht, dass der Markt in den kommenden drei, vier Jahren zusammenbrechen wird. Aber auch an einen weiterhin so rasanten Anstieg der Preise wie in der jüngsten Vergangenheit glaube ich nicht. Es wird – gerade in den begehrten Lagen – eine Beruhigung der Preisentwicklung geben. Dafür werden andere Stadtteile aufholen.
Cum-Ex-Geschäfte, Ermittlungen wegen der möglichen Weitergabe von Insiderwissen – Hamburgs Privatbanken geraten zunehmend in unruhiges Fahrwasser. Färben diese Negativschlagzeilen auf andere Banken und Sparkassen ab?
Vogelsang: Zunächst sollte man keine Vorverurteilungen vornehmen. Zum anderen ist jede kritische Berichterstattung über Geldhäuser – wo immer sie sich befinden – schlecht für das Image der gesamten Branche. Das ist bei uns nicht anders als in der Autoindustrie.
Wie würden Sie den Imagewandel des Bankers in den vergangenen Jahrzehnten beschreiben?
Vogelsang: Ich habe 1978 meine Lehre gemacht. Seitdem hat eine Art Entmystifizierung des Bankers stattgefunden. Banker sind nahbarer geworden. Viele tragen keinen Schlips mehr, man begegnet den Kunden auf Augenhöhe – das ist eine positive Entwicklung. Nach der Finanzkrise ist das Image dann übertrieben schlecht geworden. Dadurch ist in Teilen der Bevölkerung ein Misstrauen gegenüber Bankbeschäftigten entstanden, das nicht gerechtfertigt ist.
Nicht nur Banken, auch Sparkassen kämpfen derzeit mit geringeren Erträgen. Nun gibt es aus dem Sparkassenlager den Vorschlag nach einer eigenen Direktbank. Wie stehen Sie dazu?
Vogelsang: Das möchte ich gerne mit den Ideengebern aus dem Sparkassenlager hinter verschlossenen Türen persönlich besprechen.
Das hört sich nicht gerade nach einer Beifallsbekundung an.
Vogelsang: Was wir aus meiner Sicht tatsächlich brauchen, ist die Befähigung für jede Sparkasse, wie eine Direktbank aufzutreten. Und daran arbeiten wir als Haspa bereits sehr hart.
Auch Sparkassen sind gezwungen, immer mehr Filialen zu schließen - gerade auf dem Land ist das ein großes Problem für ältere Kunden. Ist der rasante Trend zur Digitalisierung noch zu stoppen?
Vogelsang: Ein Stück weit ist diese Entwicklung leider notwendig. Denn wenn aus einem Dorf bereits die Post und der Supermarkt weggezogen sind, lohnt sich der Betrieb einer Sparkasse nicht mehr. Zudem werden den Kunden auf dem Land auch viele alternative Angebote gemacht – von Sparkassenbussen bis zu Seminaren, in den Kunden Onlinebanking erklärt wird. Wichtig bleibt, dass man als Sparkasse die Verankerung in der Region nicht verliert, indem man auch über neue Filialkonzepte nachdenkt...
...so wie die Haspa-Nachbarschaftsfilialen?
Vogelsang: Sicherlich ist die Grundidee auch auf den ländlichen Raum übertragbar. Aber letztlich muss jede Sparkasse ihren eigenen Weg finden.
Wie wichtig ist der Sparkassentag für Hamburg?
Vogelsang: Es ist für den Hanseatischen Verband und die Haspa eine große Ehre, dass nach 33 Jahren der Sparkassentag wieder nach Hamburg kommt. Nicht nur, dass sich hohe Politprominenz angekündigt hat, sondern auch der Austausch innerhalb des Sparkassenlagers ist wichtig. Zudem profitieren von so vielen Besuchern ja auch die Gastronomie und Hotellerie in der Stadt.
Die Bundeskanzlerin kommt zum Sparkassentag, der Bundesfinanzminister… Was wünschen Sie sich als Vertreter der Sparkassen von der Politik?
Vogelsang: Zum einen wünsche ich mir, dass die deutsche Politik mehr Einfluss auf die nicht akzeptable Zinspolitik der EZB nimmt.
Aber die Politik darf doch gar laut Gesetz gar keinen Einfluss auf die Zentralbank nehmen...
Vogelsang: Das macht sie doch schon – und zwar im Sinne der südeuropäischen Länder. Die Zeiten einer unabhängigen Geldpolitik wie früher unter der Bundesbank sind lange vorbei. Die deutsche Politik muss sich endlich hinter die deutschen Sparer stellen und deren Enteignung stoppen. Das geht nur über eine andere Zinspolitik. Zudem sollte die Politik Sparen wieder stärker fördern, gerade für jüngere Menschen – und zwar als Zuschuss zur eigenen Sparleistung. Denn was der Staat heute für die Sparförderung ausgibt, muss er später nicht in Sozialleistungen stecken.