Hamburg. Hamburger Krankenhäuser wollen Run auf Notaufnahmen stoppen: mit Video-Sprechstunden, digitalen Patientenakten und weiteren Maßnahmen.
Terminvergabe über das Internet, digitale Patientenakten, Operationsroboter, eine neue Plattform für Online-Sprechstunden – der Hamburger Klinikkonzern Asklepios will die Digitalisierung und Automatisierung in seinen medizinischen Einrichtungen beschleunigen und gleichzeitig neue Geschäftsfelder erschließen. Das kündigte Vorstandschef Kai Hankeln am Mittwoch bei der Jahrespressekonferenz des Unternehmens an.
Die bereits eingeleitete „konsequente Digitalisierung der Klinikprozesse, um die medizinische Qualität weiter zu steigern und das medizinische Personal zu entlasten“, solle beschleunigt werden. Asklepios werde bis zum Jahr 2024 bis zu 500 Millionen Euro in die Digitalisierung investieren, das ist in etwa die Hälfte der eine Milliarde Euro, die der Konzern in den kommenden Jahren insgesamt in sein Kliniknetz investieren will. „Die Transformation von Asklepios zum digitalen Gesundheitskonzern haben wir bereits eingeleitet. Jetzt erhöhen wir das Umsetzungstempo“, so Hankeln.
Personal soll mehr Zeit für Patienten haben
Das wichtigste Ziel sei die Entlastung der Klinikmitarbeiter von zeitraubenden Dokumentationspflichten, um dem medizinischen Personal wieder mehr Zeit für die Versorgung zu ermöglichen, sagte der Konzernchef. „Die zunehmende Bürokratisierung des deutschen Gesundheitswesens führt dazu, dass Pflegekräfte und Ärzte mehr als ein Drittel ihrer Arbeitszeit mit Dokumentation verbringen.“
Zudem zeigten Studien, dass das Gesundheitswesen in Deutschland im internationalen Vergleich erheblichen Nachholbedarf in Sachen Digitalisierung habe. Laut einer aktuellen Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung belege die Bundesrepublik unter 17 EU-Staaten den vorletzten Platz. Und schließlich sei Digitalisierung auch eine der wichtigsten Antworten auf „die angespannte wirtschaftliche Situation im Gesundheitswesen“.
Hamburger Kliniken liegen weit vorn
Ein wichtiger Baustein dabei ist die sogenannte digitale Patientenakte. In ihr werden alle Untersuchungen, Diagnosen und Therapien elektronisch erfasst und sind jederzeit sofort abrufbar. So können etwa zeitraubende und kostenträchtige Zweituntersuchungen vermieden werden.
„In unseren Kliniken Wandsbek und Rissen ist die Einführung der Patientenakte bereits abgeschlossen, nun folgen St. Georg und Harburg. Bis 2021 wird es sie in allen unseren Hamburger Kliniken geben“, sagte Joachim Gemmel, der Sprecher der Geschäftsführung der Hamburger Asklepios-Kliniken dem Abendblatt. In keiner anderen deutschen Stadt sei die digitale Patientenakte bereits so weit realisiert. Bis 2024 soll es zudem allen Asklepiospatienten möglich sein, die im vergangenen Jahr in 40 Häusern eingeführte Online-Terminvergabe zu nutzen.
Arztgespräch in Videokonferenz
Der Konzern will künftig aber auch andere Ärzte und Anbieter in der Gesundheitsbranche mit Patienten vernetzen – und damit Umsätze erzielen. Die Vision: Asklepios wird zum „zentralen Akteur einer neuen Plattformökonomie im Gesundheitswesen“.
So soll im Laufe dieses Jahres ein Telemedizinangebot aufgebaut werden, das auch für niedergelassene Ärzte offen ist. Die Idee: Patienten buchen auf der Internetseite eines Asklepios-Tochterunternehmens eine Online-Sprechstunde bei einem Mediziner. Der Arzt und der Ratsuchende treffen sich – zum Beispiel am Wochenende – in einer Videokonferenz zu einem ersten Beratungsgespräch, für die der Patient eine Gebühr zahlt. Ein Teil davon fließt an die Asklepiostochter als Vermittler.
Die rechtliche Grundlage dafür wurde in Deutschland erst im vergangenen Jahr mit der Verabschiedung des Telemedizin-Gesetzes geschaffen. Die Ausstellung eines elektronischen Rezepts ist – anders als in anderen Ländern – hierzulande aber weiter nicht möglich.
Rollator bestellen im Klinikbett
Ganz ähnlich sind die Pläne für die digitale Abwicklung des sogenannten Entlassmanagements. Hinter diesem etwas sperrigen Begriff verbirgt sich ein elektronisches System, das 2018 bereits in allen Asklepioskliniken eingeführt wurde und nun für andere Kliniken und Anbieter im Gesundheitswesen geöffnet werden soll.
Es funktioniert so: Kurz bevor ein Klinikaufenthalt endet, gehen der Patient und ein Asklepiosmitarbeiter eine Checkliste durch: Welche Arzttermine müssen folgen?, Werden Hilfsmittel oder ein Pflegedienst benötigt?, Ist ein Aufenthalt in einer Rehaeinrichtung oder einem Pflegeheim notwendig? Künftig werden sich etwa Sanitätshäuser kostenpflichtig in dem System registrieren können. Noch im Klinikbett kann der Patient dann entscheiden, von welcher Firma er sich zum Beispiel einen Rollator liefern lässt. Das System soll zudem einen etwas freundlicheren Namen erhalten. Entlassmanagement wird zu Care Bridge, also Betreuungsbrücke.
Wachstum mit ambulanten Angeboten
Um die Digitalisierung voranzutreiben, hatte der Konzern im vergangenen Jahr unter anderem mehrere Software-Anbieter und Gesundheits-Start-ups übernommen. Deren Produkte bietet Asklepios auch anderen Klinikbetreibern an.
„In Hamburg wird Asklepios auch ambulant weiter wachsen“, sagte Kliniken-Geschäftsführer Joachim Gemmel dem Abendblatt. Im vergangenen Jahr hatte Asklepios in der Hansestadt unter anderem das auf Diabetes-Patienten spezialisierte Versorgungszentrum Medicum übernommen. Der Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg hatte zu Jahresbeginn kritisiert, Asklepios kaufe „nahezu wahllos“ Praxen auf, dadurch sei eine sehr starke Machtposition entstanden. Das Unternehmen wies das vehement zurück.
Mehr Umsatz, weniger Gewinn
Seine Jahresbilanz hatte Asklepios – mit mehr als 14.000 Mitarbeitern Hamburgs größter privater Arbeitgeber – bereits vor einigen Tagen veröffentlicht. Demnach stiegen 2018 der Umsatz und die Zahl der Mitarbeiter, nach Steuern blieb aber ein geringerer Gewinn als 2017.
Der Konzern legte beim Umsatz um 4,5 Prozent auf rund 3,4 Milliarden Euro zu. Die Zahl der Vollzeitkräfte insgesamt erhöhte sich leicht um 230 auf nunmehr 35.327. Allerdings stand unterm Strich nur noch ein Gewinn nach Steuern von 171,1 Millionen Euro – im Vorjahr waren es 194,1 Millionen Euro gewesen.
Asklepios will 2019 wieder wachsen
.„2018 war ein herausforderndes Jahr für Asklepios. Unsere wirtschaftliche Entwicklung war nicht zuletzt geprägt von Vorbereitungen auf neue regulatorische Anforderungen, die mit Beginn des Jahres 2019 nach und nach in Kraft treten“, sagte Vorstandschef Hankeln Anfang Mai.
Er bezog sich mit dieser Aussage unter anderem auf das Krankenhausstrukturgesetz, das die Finanzierung der Kliniken und die Qualitätsansprüche neu regelt. Vor diesem Hintergrund sei das Unternehmen mit den erzielten Ergebnissen zufrieden. 2019 wolle Asklepios „an das positive Umsatzwachstum des Vorjahres anknüpfen“. Zudem solle das Ergebnis nach Steuern „leicht, aber nachhaltig“ gesteigert werden.