Hamburg. Gegner fordern Ex-Vizepräses Torsten Teichert zum Rücktritt vom Vorsitz des Innenausschusses auf. Der aber weigert sich.
Wenn das Ehrenamt der Hamburger Handelskammer am Donnerstag zur turnusgemäßen Plenarsitzung zusammentrifft, befasst es sich wieder einmal mit seinem Lieblingsthema: sich selbst. Die einst starke Wahlgruppe „Die Kammer sind Wir!“ hat sich in zwei Lager aufgespalten, die sich unversöhnlich gegenüberstehen.
Jetzt unternimmt der verbliebene Kreis der alten Wir-Gruppe um den Hafenunternehmer Johann Killinger einen Versuch, sich eines ihrer entschiedensten Gegner zu entledigen. In der Sitzung des Plenums wird der Finanzunternehmer Torsten Teichert dazu aufgefordert, von seinem Amt als Vorsitzender des einflussreichen Innenausschusses der Kammer zurückzutreten.
Innenausschuss soll Nachfolger vorschlagen
Teichert solle sein Amt bis zum Beginn der nächsten Plenumssitzung am 2. Mai zur Verfügung stellen, heißt es in dem Antrag, den neben Killinger 14 weitere Ehrenamtliche unterschrieben haben, darunter fünf Mitglieder des Innenausschusses und zwei Vizepräsides.
„Die Mitglieder des Innenausschusses werden gebeten, spätestens bis zum Beginn der nächsten Plenumssitzung sich auf einen neuen Vorschlag für den Vorsitz zu verständigen“, heißt es weiter in dem Antrag. Eine Begründung, warum Teichert gehen soll, gibt es nicht.
Teichert wirft Kritikern Einschüchterung vor
Ein Affront ist es gleichwohl. Killinger und Teichert kämpften einst Seite an Seite mit Tobias Bergmann um den Einzug in die Handelskammer und wurden dessen Vizepräsides. In der Folge überwarfen sie sich aber, als es um die Reorganisation der Handelskammer ging. Nach dem Rücktritt von Bergmann als Präses bewarben sich beide um dessen Nachfolge. Die Kontrahenten scheiterten aber bei der Präses-Wahl an der notwendigen Stimmenmehrheit.
Killinger sagt nun, er habe die Rücktrittsaufforderung zwar mitunterzeichnet, sei aber nicht die treibende Kraft. Die Gegenseite schüttelt darüber den Kopf, und Teichert selbst hat auf dem kammerinternen Internetforum HK Connect inzwischen deutlich gemacht, das er nicht daran denke zurückzutreten. Er spricht gar von einer „Säuberungsaktion“, mit der eine Gruppe um Killinger, die Vizepräsides Christine Stumpf und Kai Elmendorf sowie das Plenumsmitglied Matthias Ederhof unliebsame Plenarier aus den Ämtern verbannen wolle.
„Längst betreffen diese Einschüchterungs- und Diskreditierungsmaßnahmen nicht nur mich, sondern auch andere Mitglieder des Hauptamtes und des Ehrenamtes. Tobias Bergmann sprach einmal von Robespierre. Herr Killinger und seine Fraktion wollen das offenbar zu Ende führen“, so Teichert.
Rechtsamt der Kammer schaltet sich ein
Inzwischen hat sich das Rechtsamt der Kammer mit dem ungewöhnlichen Antrag befasst und ihn als unverbindlich bewertet. Teichert sei also nicht verpflichtet, der Aufforderung Folge zu leisten. Da eine solche Forderung aber Auswirkungen auf Teicherts Reputation haben könne, müsse eine Begründung für die Rücktrittsforderung genannt werden.
Eine Abwahl des Vorsitzenden des Innenausschusses sehe die Satzung der Kammer nicht vor. Der Plenarier Rainer Perleberg hat deshalb inzwischen einen Gegenantrag eingebracht: Die Rücktrittsforderung solle von der Tagesordnung gestrichen werden.
Auch an dem zweiten wichtigen Tagesordnungspunkt entzündet sich Kritik. Es geht um die Reorganisation der Handelskammer. Diese war von den Kammerrebellen vorangetrieben worden, um die Verwaltung an das ursprüngliche Ziel anzupassen: die Abschaffung der Zwangsbeiträge. Die Handelskammer sollte ihre Aufgaben drastisch reduzieren und sich aus Gebühren für Serviceleistungen finanzieren.
Personalabbau führt zu Überlastung
Das Ziel haben die Kammerrebellen inzwischen fallengelassen. An der Umstrukturierung des Hauses halten sie aber fest. Die Zahl der Geschäftsbereiche soll von elf auf fünf gesenkt werden.
Der im Zuge des Umbaus stattfindende Personalabbau bei den Beschäftigten hat bereits zu Überlastungsanzeigen geführt. Aufmerksamkeit erlangte ein Hilferuf des Personalrats an Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), in dem er dem Senat mitteilte, dass die Kammer nicht mehr ihren hoheitlichen Aufgaben nachkommen könne.
Vergiftete Stimmung unter den Kammermitarbeitern
Um das Problem zu lösen, richteten die Kammerrebellen eine Taskforce ein, die die geplante Reorganisation überarbeiten soll. Doch die Mehrheit der Kammermitarbeiter misstrauen ihr. Sie halten die Taskforce für eine „Alibistelle“, zur Beruhigung des Senats, weil sich an der eigentlichen Ausrichtung des Restrukturierungsplans nichts geändert habe. Intern wird nur noch von der „Taskfarce“ gesprochen.
„Da werden doch nur die Mitarbeiter und das Ehrenamt hinters Licht geführt“, sagte ein hochrangiger Kammermanager, der nicht genannt werden will. „Die Stimmung in der Belegschaft ist vergiftet, weil Befürworter und Gegner des Reorganisationsprozesses versuchen, die Mitarbeiter auf ihre Seite zu ziehen“, meinte ein anderer.
Führungskräfte wandern ab
Der Personalabbau soll inzwischen so weit vorangeschritten sein, dass die Post innerhalb des Hauses mit drei Tagen Verspätung ausgeliefert würde. Zudem geht die Abwanderung wichtiger Kammermitarbeiter weiter. Jüngstes Beispiel ist die Leiterin des Bereichs Infrastruktur der Handelskammer, Christine Beine. Mit ihr verliert die Wirtschaftsvertretung ihren achten Geschäftsführer. Beine übernimmt die Geschäftsführung der Kreuzfahrtorganisation Hamburg Cruise Net.
Die Hauptgeschäftsführerin der Handelskammer, Christi Degen, räumt die Abwanderung von Mitarbeitern ein. „Wir haben in den vergangenen Wochen eine Reihe von hochqualifizierten Mitarbeitern verloren“, sagte sie dem Abendblatt. Degen führt das auf die Verzögerungen bei der Reorganisation zurück. „Die fehlende Klarheit hat sie zu der Entscheidung gebracht.“ Dem Unmut unter den Beschäftigten versuche sie in vielen Gesprächen zu begegnen. „Wo Probleme auftreten, werden sie sofort gelöst.“ So räumte die Hauptgeschäftsführerin ein, dass es Probleme mit dem Postverkehr gegeben hat. „Das haben wir nun durch eine geänderte Zuständigkeit behoben.“
Eine inhaltliche Entscheidung hat das Plenum am Donnerstag dann doch im Programm: Es soll die Stellungnahme der Hamburger Wirtschaft zum neuen Klimaplan des Senats absegnen. Eigentlich überflüssig. Die Stellungnahme wurde dem Senat bereits Ende März zugeleitet.