Toulouse/Hamburg. Hamburger Mitarbeiter sollen andere Jets bauen. Wirtschaftssenator Westhagemann spricht von A380 als “Erfolgsgeschichte für Hamburg“.
Der europäische Luftfahrt- und Rüstungskonzern Airbus stellt die Produktion des weltgrößten Passagierjets A380 ein. Nachdem die arabische Fluggesellschaft Emirates ihre Bestellung reduziert habe, gebe es keine Grundlage mehr für eine Fortsetzung der Produktion, teilte Airbus am Donnerstag in Toulouse mit. Die letzte Auslieferung für den A380 sei für 2021 geplant.
Der doppelstöckige Passagierjet hat Airbus schon länger große Sorgen bereitet. In den vergangenen Jahren hatte kaum noch eine Fluglinie ein Modell geordert. Airbus drohten, die Bestellungen auszugehen. Der Konzern fuhr die Jahresproduktion zuletzt von zeitweise bis zu 30 Maschinen auf nur noch sechs Exemplare zurück.
Emirates reduziert Bestellungen
Emirates habe nun beschlossen, die A380-Bestellungen von 162 auf 123 Maschinen zu reduzieren. Dabei würden in den kommenden zwei Jahren noch 14 verbleibende Passagierjets in Empfang genommen. Als Konsequenz werde Airbus seine Auslieferungen 2021 einstellen, teilte das Unternehmen mit.
„Die heutige Ankündigung ist schmerzlich für uns und für die A380-Communities weltweit“, so der scheidende Airbus-Konzernchef Tom Enders laut Mitteilung. Der Passagierjet werde aber noch viele Jahre lang am Himmel unterwegs sein. Selbstverständlich werden wir die Betreiber der A380 auch weiterhin uneingeschränkt unterstützen“, so Enders weiter.
Airbus werde in den nächsten Wochen Gespräche mit den Sozialpartnern bezüglich der 3000 bis 3500 Stellen aufnehmen, die in den kommenden drei Jahren von der Einstellung des Fliegers betroffen sein könnten, teilte der Konzern weiter mit. Teile des Luftgiganten werden an Airbus-Standorten in Deutschland gefertigt - darunter vor allem Hamburg-Finkenwerder, aber zum Beispiel auch Bremen oder Stade. Auch der Augsburger Flugzeugbauer Premium Aerotec produziert Bauteile. Wegen der Auftragsflaute beim A380 stehen bundesweit bereits Tausende Jobs auf der Kippe.
Hamburger Mitarbeiter müssen andere Aufgaben übernehmen
Auf Nachfrage des Abendblatts, was das Aus für den A380 konkret für Hamburg bedeutet und ob es am Standort betriebsbedingte Kündigungen geben könnte, wollte sich eine Sprecherin des Konzerns nicht im Detail äußern. Sie verwies lediglich auf die bevorstehenden Gespräche mit den Sozialpartnern. Der Hochlauf der A320 und ein neuer Auftrag von Emirates werde eine Vielzahl von "internen Mobilitätsmöglichkeiten" bieten.
"Die überwiegende Mehrheit der von dieser Entscheidung betroffenen Airbus-Mitarbeiter sollte daher in der Lage sein, Möglichkeiten in anderen Programmen zu nutzen", so die Sprecherin weiter. "Die zu erwartenden Auswirkungen werden voraussichtlich geringer sein, als die bereits erreichten Anpassungen im A380-Programm während der letzten Jahre. "Wir analysieren die Situation jedes Landes, um lokale Lösungen zu erarbeiten und diese mit unseren Arbeitnehmervertretern in den kommenden Monaten schrittweise umzusetzen."
Wirtschaftssenator spricht von "Erfolgsgeschichte"
Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos) sieht den A380 trotz der Einstellung als Erfolgsgeschichte für Hamburg: „Mit der Werkserweiterung und dem Ausbau der Start- und Landebahn in Finkenwerder hat Hamburg die Basis für die Zukunftssicherung des Standorts gelegt.“ Die Innovationskraft der Luftfahrtbranche sei in Hamburg ein herausragender Standortfaktor, Airbus dabei einer der wichtigsten Innovationstreiber.
„Die im Rahmen der Erweiterung für den A380 getätigten Investitionen sind nachhaltig und kommen auch den anderen Produktionslinien zugute“, sagte der Wirtschaftssenator. Die Hansestadt sei weltweit die Nummer eins in der A320-Produktion und durch diese Fertigungslinie direkter Teil des wachsenden Luftverkehrsmarktes. Hamburg und der Industriestandort Deutschland hätten sich so auf Generationen hinaus einen technologischen Kompetenzvorsprung in einer der Schlüsselindustrien der Zukunft sichern können.
SPD und Grüne betonen Bedeutung von Airbus für Hamburg
Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion Hansjörg Schmidt: „Wir bedauern die Entscheidung, den A380 auslaufen zu lassen. Für den Standort Hamburg ist der A380 eines der größten Investments, das Airbus in der Vergangenheit gemacht hat. Diese Investitionen sichern den Standort Hamburg dauerhaft, denn es profitieren auch die anderen Produktionslinien – zum Beispiel der Erfolgsflieger A320." Airbus müsse nun schnell in Gespräche mit den Sozialpartnern treten, um über die Stellen zu verhandeln, die von dem Ende des A380 betroffen sein könnten, so Schmidt weiter: "Airbus sollte den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nun schnell klare Perspektiven bieten.“
Dominik Lorenzen, der wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen Bürgerschaftsfraktion betont die Notwendigkeit der Ökologie auch in der Luftfahrt: „Die wichtige Nachricht ist: Airbus ist insgesamt sehr erfolgreich. Das ist für den Standort Hamburg und für die Beschäftigten ebenso wichtig wie für die ökologische Weiterentwicklung der Flugzeugtechnik. Dass sich der A380 als zu groß, zu laut und zu sprithungrig erwiesen hat, ist ein wichtiges Signal an die Industrie, dass es sich lohnt, die Luftfahrt leiser und sparsamer zu gestalten.“
CDU und FDP sehen Senat in der Pflicht
Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Michael Westenberger sieht trotz der noch unklaren Auswirkungen auf den Airbus-Standort Hamburg den Senat in der Pflicht: "Hamburg muss in Zukunft alles daransetzen, um die Trendwende für die Industrie und das produzierende Gewerbe zu erreichen. Dafür braucht es eine Wirtschaftsoffensive für einen starken Standort Hamburg." Zwar könne die Politik Probleme wie beim A380 nicht verhindern, durch eine Stärkung der Wirtschaftsstandortes an anderer Stelle "gäbe es auch mehr Industriearbeitsplätze statt immer wieder schlechte Nachrichten von Stellenabbauplänen", so Westenberger weiter.
Auch Michael Kruse von der FDP fordert den Senat zur Unterstützung von Airbus auf: „Es ist bedauerlich für den Luftfahrtstandort Hamburg, dass die A380-Produktion eingestellt wird. Der Senat ist jetzt aufgerufen, Airbus in Hamburg bestmöglich bei der Umstellung der Produktionslinien zu unterstützen. Als "drittgrößtes Luftfahrtcluster der Welt" werde die Stadt aber auch "diese Herausforderung erfolgreich meistern". Westhagemann sieht die "weitere Stärkung der Luftfahrtforschung in Hamburg" dabei als maßgeblich.
"Schade um den schönen Flieger"
Mit Bedauern, aber auch Verständnis reagierte die Gewerkschaft IG Metall auf die Einstellung weltgrößten Passagierjets. "Es ist schade um den schönen Flieger", sagte Meinhard Geiken, Bezirksleiter der IG Metall Küste. "Aber die Entscheidung des Vorstandes ist nachvollziehbar, da sich die A380 nicht verkauft. Durch den Hochlauf in anderen Programmen hat Airbus weiterhin gut zu tun. Durch die A320, A330 und A350 haben die Beschäftigten an den norddeutschen Standorten reichlich Arbeit."
Nun gehe es darum, den Wechsel für die vom Aus der A380 betroffenen Beschäftigten zu regeln. "Betriebsbedingte Kündigungen sind durch den Zukunftstarifvertrag bis Ende nächsten Jahres ausgeschlossen. Diese Regelung wollen wir ausbauen und die Beschäftigung langfristig sichern.“
Geringe Auswirkungen in Bremen
In Bremen hat das A380-Aus nach Angaben von Arbeitnehmervertretern relativ geringe Auswirkungen. „Betroffen sind in der Produktion und der Entwicklung schätzungsweise bis zu 80 Kolleginnen und Kollegen“, sagte Betriebsratschef Jens Brüggemann am Donnerstag. Dies sei ein „überschaubarer Rahmen“. „Wir sehen keinen Grund, dass diese Mitarbeiter in Bremen nicht weiter mit Arbeit versorgt werden können.“ In dem Werk werden die 7,5 Meter langen und 3 Meter breiten Landeklappen des A380 gefertigt.
Am gesamten Airbus-Standort Bremen sind inklusive des Segments „Space and Defence“ (Raumfahrt und Verteidigung) rund 5000 Mitarbeiter beschäftigt. Die Bauraten, das heißt die Produktionsgeschwindigkeit für den A380, seien in den vergangenen Jahren deutlich zurückgefahren worden, gab Brüggemann zu bedenken.
Zu groß und zu treibstoffhungrig
Vielen Airlines ist der Flieger zu groß und verbraucht zu viel Treibstoff – das ist nicht wirtschaftlich, besonders wenn der Riesenjet nicht voll besetzt ist. Andere Flugzeuge des Boeing-Rivalen sind hingegen sehr beliebt. Die kleineren Maschinen der A320-Familie sind ein Kassenschlager.
Auch die australische Fluggesellschaft Qantas Airways hatte zuletzt die Bestellung von acht A380-Passagierjets zurückgezogen. Anfang Februar hatte zudem der Chef der Fluggesellschaft Qatar Airways, Akbar Al-Baker, dem A380 ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Er hatte erklärt, dass er über eine vorzeitige Einstellung der Produktion nicht traurig wäre. Nach Al-Bakers Auffassung ist der Flieger zu schwer, weil seine Tragflächen für die nie gebaute Langversion ausgelegt sind.
Bis zu 853 Sitze
Der A380 hat je nach Ausstattung bis zu 853 Sitze. Der Superjet hat eine Reichweite von 15.200 Kilometern und ist gut 72 Meter lang. Seine Flügelspannweite liegt bei knapp 80 Metern. Für den Luftgiganten bekamen zahlreiche Flughäfen neue Terminals. Die Planungen für den A380 begannen 1995, im Jahr 2000 fiel der offizielle Startschuss.
Den Erstflug absolvierte der Riesenvogel am 27. April 2005. Der kommerzielle Einsatz startete Ende Oktober 2007 mit einem Sonderflug zwischen Singapur und Sydney.
Boeings "Jumbo" hob vor 50 Jahren ab
Das Aus für den A380 kommt nur wenige Tage nach dem 50. Geburtstag der Boeing 747. Am 9. Februar 1969 hob der viermotorige Düsenjet Airbus-Rivalen mit dem Spitznamen „Jumbo“ erstmals vom Boeing-Werksgelände. Der „Jumbo“ revolutionierte damals die Luftfahrt und war viele Jahre das größte Passagierflugzeug der Welt, bis er vom A380 abgelöst wurde.
Doch auch die Boeing 747 ist mittlerweile eher ein Ladenhüter. Es gibt kaum noch Bestellungen, allerdings hat US-Präsident Donald Trump auch die nächste Präsidentenmaschine „Air Force One“ auf der Basis der 747 bestellt.
Abbestellung auch beim A350
Airbus kassierte nun nicht nur eine große Abbestellung für den A380, sondern auch für seinen jüngsten Langstreckenjet A350. Die arabische Fluggesellschaft Etihad stornierte eine Order über 42 Exemplare. Die Airbus-Führung zeigte sich aber überzeugt, dass der Auftragsbestand für die kürzlich erreichte Produktionsrate von monatlich zehn Flugzeugen des Typs ausreicht.
Trotz der hohen Belastungen durch die Einstellung des Riesenfliegers und Kosten für den Militärtransporter A400M im vergangenen Jahr konnte Airbus einen deutlichen Gewinnsprung erzielen. Unter dem Strich stand ein Gewinn von 3,05 Milliarden Euro und damit 29 Prozent mehr als ein Jahr zuvor.
Umsatz legt trotz Problemen zu
Der Umsatz legte um acht Prozent auf 63,7 Milliarden Euro zu. Die Sonderbelastungen durch A380 und A400M summierten sich auf rund 900 Millionen Euro. Die Aktionäre sollen eine um zehn Prozent auf 1,65 Euro erhöhte Dividende erhalten. Analysten hatten im Schnitt jedoch mit einer stärkeren Anhebung gerechnet.
Für 2019 nimmt sich das Management um Vorstandschef Tom Enders weitere Zuwächse vor. Der bereinigte operative Gewinn soll um etwa 15 Prozent steigen. Dazu will das Unternehmen 880 bis 890 Verkehrsflugzeuge ausliefern. Im vergangenen Jahr hatte Airbus 800 Maschinen an seine Kunden übergeben und damit nur noch sechs Maschinen hinter dem weltgrößten Flugzeugbauer Boeing aus den USA gelegen. Boeing baut seine Produktion aber ebenfalls kräftig aus und will im laufenden Jahr rund 900 Verkehrsjets ausliefern.