Hamburg. Der Firmengründer übergibt weitere Aufgaben an seinen Sohn Marc, der künftig auch für die Unternehmensstrategie verantwortlich ist.
Ganz will der Brillenkönig die Fäden nicht aus der Hand geben. Aber Günther Fielmann hat das letzte Kapitel des Generationenwechsels bei Deutschlands größter Optikerkette eingeleitet. „Im laufenden Geschäftsjahr wird Marc Fielmann als Vorstandsvorsitzender der Fielmann AG auch für die Unternehmensstrategie verantwortlich zeichnen“, ließ der 79-Jährige am Dienstag mitteilen. Im vergangenem April hatte der Gründer seinen Sohn in eine Doppelspitze geholt. Marc Fielmann ist neben den Bereichen Marketing und Öffentlichkeitsarbeit auch für das Personal und das Tagesgeschäft zuständig. Jetzt übergibt der Senior auch die strategische Verantwortung. Er bleibt Co-Vorstandschef und behält sich weiter die Richtlinienkompetenz vor.
Was die neue Arbeitsteilung in der Praxis bedeutet, muss sich zeigen. Günther Fielmann hatte sich zuletzt fast vollständig aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Immer wieder war in der Vergangenheit über seinen Gesundheitszustand spekuliert worden. Als unternehmerisches Signal, hieß es in der Mitteilung, habe er dem Aufsichtsrat jetzt angeboten, seine Vorstandsbezüge auf den symbolischen Betrag von einem Euro zu reduzieren. Der Aufsichtsrat nahm das Angebot an und segnete die geänderte Führungsstruktur bereits ab. Bereits im April 2018 hatte das Führungs-Duo die Jahresgehälter von 4,9 Millionen Euro (Vater) und 1,1 Millionen Euro (Sohn) zusammengelegt und durch zwei geteilt – mit jeweils drei Millionen Euro.
Marc Fielmann ist auch für die Brillenkollektionen zuständig
Die Übergabe der Macht an seinen Sohn hatte Günther Fielmann vor sieben Jahren eingeleitet und ihm schrittweise mehr Verantwortung in dem Unternehmen mit europaweit 20.000 Beschäftigten übertragen. Marc Fielmann hatte in den vergangenen Monaten vor allem die Bereiche Digitalisierung und Expansion weiter vorangetrieben. Jetzt kommt für den 29-Jährigen auch die wichtige Verantwortung für die Brillenkollektionen dazu. Eckpunkte der Unternehmensstrategie will der Gesamtvorstand auf der Hauptversammlung Mitte Juli vorstellen.
Der gebürtige Schleswig-Holsteiner Günther Fielmann hatte sein erstes Optikergeschäft 1972 in Cuxhaven eröffnet. Mit der Idee, günstige Brillen in ganz Deutschland anzubieten, revolutionierte er die Branche und stieg zum Marktführer auf. Sein Werbespruch „Brillenchic zum Nulltarif“ ist legendär. Zugleich legte sich der Selfmade-Mann mit der etablierten Brillenzunft an. Heute verkauft Fielmann jede zweite Brille in Deutschland. Der seit der Firmengründung an der Spitze stehende Patriarch ist dafür bekannt, dass er eher selten über seine Pläne spricht. 1994 brachte er das Unternehmen an die Börse, blieb aber Mehrheitsaktionär. Die Kette wächst stetig aus eigener Kraft, große Sprünge gibt es nicht. 2017 lag der Konzernumsatz bei 1,4 Milliarden Euro. Fielmann betreibt europaweit 736 Filialen in 13 Ländern.
Zugleich steht die Branche vor einem neuen Umbruch. Bislang lebt Fielmann vom klassischen Filialgeschäft. In der Zukunft wird der Onlinehandel auch beim Brillenkauf zunehmend eine Rolle spielen. Das vergangene Jahr lief für den wachstumsgewöhnten Brillenhändler zunächst nicht rund. Nach einer Gewinnwarnung war der Börsenkurs Ende Juni 2018 eingebrochen, die Aktie des Familienunternehmens verlor fast 30 Prozent an Wert. Inzwischen hat sich die Aktie wieder etwas gefangen. Der nächste Schritt im Generationenwechsel gab dem Kurs am Dienstag weiteren Aufwind. Die Aktie schloss 1,4 Prozent im Plus bei 60,55 Euro.
Die Aufgabe des Juniors ist es jetzt, Strategien für die Internationalisierung und die Digitalisierung voranzubringen. Dabei sei er im ständigen Austausch mit seinem Vater, betont der Wirtschaftswissenschaftler. Er setzt auf die weitere Expansion in Italien. Dort betreibt Fielmann im Norden des Landes inzwischen mehr als ein Dutzend Filialen. Mittelfristig sollen es 40 werden.
Modernisierte Filiale in der City eröffnet im Sommer
Auch im deutschsprachigen Raum expandiert die Kette. Neun neue Filialen waren 2017 dazugekommen. Der Schwerpunkt liegt bei Um- und Neubauten an bestehenden Standorten. Aktuell wird etwa die Hauptniederlassung an der Hamburger Mönckebergstraße komplett umgebaut und soll im Sommer wiedereröffnet werden.
Die größte Herausforderung bleibt allerdings das Thema Digitalisierung. Seit Jahren wird Fielmann wegen des Fehlens einer Onlinestrategie kritisiert. Der Optiker verkauft bislang nur Kontaktlinsen für registrierte Kunden über das Internet. „Es ist technologisch noch nicht möglich, online Sehstärken zu bestimmen, eine Brille anzupassen und zu zentrieren“, sagt Marc Fielmann. Das Unternehmen investiert in die Entwicklung von neuen Technologien. Erst vor einigen Monaten hatte Fielmann 20 Prozent an einem französischen Start-up gekauft, das eine 3-D-Technologie entwickelt hat, mit der die Kunden virtuell in einer künstlichen Realität Brillen anprobieren können. Aktuell wird die 3-D-Anprobe in Filialen in Österreich getestet und soll noch im Laufe dieses Jahres auch in Deutschland eingeführt werden.
Eine weitere Neuerung: Seit Jahresbeginn können Termine bei Fielmann auch online vereinbart werden. Für Brillenkunden gilt das allerdings bislang nur in wenigen Test-Niederlassungen. In Hamburg ist es ausschließlich in der Filiale am Jungfernstieg möglich.