Hamburg . 23.000 Verbraucher stimmen für die Chips von Lorenz. Hamburger Verbraucherschützer fordert Online-Plattform für mehr Transparenz.

Knapp drei Wochen lang konnten Verbraucher abstimmen, nun steht das Ergebnis fest. Chipsletten von Lorenz Bahlsen Snack-World sind die „Mogelpackung des Jahres 2018“. Von fast 40.000 Teilnehmern habe mehr als die Hälfte für das Produkt gestimmt, teilte die Verbraucherzentrale Hamburg (vzhh) am Montag mit. Der Hersteller hatte die Füllmenge stark reduziert, so dass der Preis um bis zu 70 Prozent anstieg.

„Noch nie war das Votum der Verbraucher so klar, wie bei dieser Wahl der Mogelpackung des Jahres“, sagte Verbraucherschützer Armin Valet. Die Chipsletten erhielten 23.279 Stimmen, das entspricht 58,7 Prozent. Das sei ein Denkzettel, den Hersteller Lorenz völlig zu Recht bekommen habe. „Der versteckte Preisanstieg bei den Chipsletten ist besonders krass und dreist umgesetzt.“ Der Hersteller senkte die Füllmenge deutlich. Statt 170 Gramm sind nur noch 100 Gramm drin.

Plus von 70 Prozent beim Preis

Der Preis sei mit 1,59 Euro zum Beispiel bei Kaufland gleich geblieben. Dadurch verteuerten sich Chipsletten um bis zu 70 Prozent. Andere Händler wie Rewe verlangten zwar nur noch 1,39 Euro – aber auch das bedeute eine versteckte Preiserhöhung von knapp 50 Prozent. Während der Inhalt sich nahezu halbierte, schrumpfte die Größe der Packung nur leicht. Statt 22 Zentimeter Höhe betrage sie nun 20,5 Zentimeter, maß die vzhh nach. Dennoch sieht die Packung beim Öffnen relativ voll aus – wie schafft Lorenz das? Valet und sein Team zogen eine Waage zu Rate.

Einzelne Chips sind leichter

Ergebnis: Die einzelnen Chipsletten sind deutlich leichter geworden. Sie wiegen nun gut 1,6 statt zuvor gut zwei Gramm. In einer Stellungnahme verwies das Unternehmen auf eine veränderte Rezeptur und ein überarbeitetes Herstellungsverfahren. „Die neuen Chipsletten sind kleiner, mundgerechter und haben eine knusprigere Textur“, so Lorenz. Daher böten sie ein „neues Geschmackserlebnis“. Mit „Hot & Spicy“ und „Sea Salt“ gebe es neue Sorten. Lorenz verweist zudem auf ein neues Verpackungskonzept. Statt einer Wickeldose, aus der man die Chips zum Knabbern herausschütten musste, werde jetzt ein sogenanntes Servier-Tray genutzt. In diesem seien „die Chips gut sortiert angerichtet und können so leichter serviert“ werden.

Lorenz: Vorteile beim Recycling

Die einzelnen Materialien wie Pappe, Frische-Folie und Kunststoff-Tray könnten besser als die Verbundstoff-Wickeldose recycelt werden. Die vzhh sieht aber vor allem einen Anstieg des Verpackungsmülls, und zwar um 25 Prozent. „Verbraucher bekommen weniger Chips, aber bezogen auf den Inhalt mehr Müll für ihr Geld“, sagte Valet. Hersteller Lorenz ist in der Vergangenheit schon mehrfach mit versteckten Preiserhöhungen aufgefallen. Betroffen waren auch schon die Marken Crunchips, Saltletts Brezeln, Natu¬rals Chips und Erdnusslocken.

Füllmengen veröffentlichen

Valet fordert die Schaffung einer Online-Plattform, auf der veränderte Füllmengen für Konsumenten vorab verpflichtend veröffentlicht werden müssten. „Die Politik muss endlich handeln, um die Situation für Verbraucher zu verbessern und die Müllflut, die mit dem stetig schrumpfenden Inhalt der Verpackung einhergeht, zu stoppen. Seit Jahren tut sich nichts“, sagt Valet. Rein rechtlich könnten Verbraucherschützer nichts gegen den „ Weniger-drin-Preis-gleich-Trick“ machen. Denn die Zuständigkeiten sind klar verteilt: Die Hersteller reduzieren die Füllmenge, die Händler legen laut Kartellrecht die Preise fest, sagt Valet: „Am Ende waschen beide ihre Hände in Unschuld, und der Verbraucher zahlt die Zeche.“

Mehr Fett in Wurst

Auf Platz zwei bei der Abstimmung landete die Truthahnsalami Light 1A der Lidl-Handelsmarke Dulano. 17,6 Prozent stimmten für das Produkt, bei dem Hersteller H. Kempter mehr Fett verwendete als für seine herkömmliche Truthahnsalami. Mittlerweile reagierte der Hersteller und verkauft nun seine herkömmliche (fett- und kalorienärmere Truthahnsalami) als Light-Variante. Platz drei ging an Babybel. Jeder zehnte stimmte für die kleinen Käsekugeln von Bel. Beispielsweise sank die Zahl der Käsekugeln in einem Netz von sechs auf fünf. Der Preis blieb gleich, die Verteuerung lag bei 20 Prozent.

Weniger Inhalt

Platz vier ging mit 8,7 Prozent an Smarties. Hersteller Nestlé senkte die Füllmenge für die Riesenrolle um 20 auf 130 Gramm – der Preis stieg um 15 Prozent. Fünfter in der Abstimmung wurde Obstwiese Rheinisches Apfelkraut von Grafschafter. 4,8 Prozent der Verbraucher wählten den Fruchtaufstrich. Mit dem neuen Namen Obstwiese statt Apfelschmaus schrumpfte der Inhalt im Glas von 450 auf 320 Gramm bei gleichem Preis. Die Verteuerung lag damit bei gut 40 Prozent. In den Vorjahren erhielten den Negativpreis das Vitalis Früchtemüsli von Dr. Oetker (2017), das Evian Wasser von Danone Waters (2016), die Bebe Zartcreme von Johnson & Johnson (2015) und die Pampers Windeln von Procter & Gamble (2014).