Hamburg. Teil 3: Wie lege ich mein Geld 2019 an? Im vergangenen Jahr hat der DAX stark verloren. Experten erwarten Erholung.

Für Aktienanleger war 2018 kein gutes Jahr: Erstmals seit 2011 mussten sie am deutschen Markt unter dem Strich Verluste hinnehmen. Um mehr als 18 Prozent gab der Deutsche Aktienindex (DAX) nach. Nicht nur Privatinvestoren sind angesichts vieler Unwägbarkeiten, die den Markt beeinflussen könnten, verunsichert. Sollte man den Abschwung nun für den Einstieg nutzen? Wie wird sich der DAX 2019 entwickeln? Titel aus welchen Branchen bieten an? Das Abendblatt sprach mit den Experten der in Hamburg ansässigen Banken und beantwortet die wichtigsten Fragen.

War der Kursabschwung 2018
erst der Anfang?

Vereinzelte Pessimisten sehen in den kräftigen Einbußen der vergangenen Wochen zwar den Beginn eines „Crashs auf Raten“. Doch Björn Göppel, persönlich haftender Gesellschafter des Hamburger Bankhauses Goyer & Göppel, hält dagegen: „Es ist zu viel Angst im Markt.“ Nach seiner Einschätzung sind die Verluste eine Übertreibung, wie sie am Markt immer wieder einmal vorkommt – etwa zu Jahresbeginn 2016, als der DAX innerhalb weniger Wochen um mehr als 15 Prozent einbrach. „Ich gehe davon aus, dass wir die aktuelle Phase der Kursschwäche relativ schnell hinter uns lassen“, sagt Göppel. Klaus Naeve, Leiter des Bereichs Wealth Management Hamburg bei Berenberg, beurteilt die Verluste ebenfalls als eine „übertriebene Marktreaktion“. Wie Göppel rechnet er nicht damit, dass die Abwärtstendenz bis weit in das Jahr 2019 hinein anhält: „Wir erwarten eine Erholung des Aktienmarkts, auch weil die Unternehmensgewinne zunächst noch steigen sollten“, sagt Naeve. Er meint: „Gerade nach der Kurskorrektur sind Aktien für die Anleger das Mittel der Wahl.“

Was spricht für eine Geldanlage
in Aktien?
Modellrechnungen zeigen, dass ein Investment in einen dem DAX entsprechenden Aktienkorb schon bei einer Haltedauer von zehn Jahren praktisch nie in einem Verlust resultierte. Einzahlungen in Aktienfonds mittels Sparplänen brachten über zehn bis 25 Jahre zuletzt eine jährliche Rendite von rund vier bis acht Prozent (siehe Grafik). „Wenn man langfristig investiert, sind selbst 2000 Punkte DAX-Verlust nur eine Randnotiz“, sagt Sönke Niefünd, Wertpapier­experte bei der Otto M. Schröder Bank. Für den Aktienmarkt spricht aber auch der Mangel an echten Alternativen angesichts des Niedrigzinsumfelds. „In den USA findet man erstklassige Staatsanleihen, die mit einer Rendite von 2,5 Prozent auch nach Abzug der Inflationsrate einen Vermögenserhalt ermöglichen“, sagt Carsten Klude, Chefvolkswirt bei M.M. Warburg & CO.

„In Europa gibt es nichts Vergleichbares.“ Wer attraktivere Zinsen haben wolle, könne zwar Unternehmensanleihen wählen, von denen manche eine Rendite von vier bis fünf Prozent bringen – „aber dann ist damit auch ein erhöhtes Risiko verbunden“. Ein Ende der Zinsflaute ist nach Auffassung von Klude nicht in Sicht. Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei Donner & Reuschel, macht sicherheitsorientierten Investoren ebenfalls nicht viel Hoffnung: „Bundesanleihen sind für Anleger wegen ihrer negativen Realverzinsung nicht attraktiv, und das dürfte auch noch jahrelang so bleiben.“ Immobilien gelten ebenfalls als mögliche Alternative zu einem Aktieninvestment. Aber: „Die lockere Geldpolitik der Notenbanken hat zu deutlichen Preissteigerungen am Immobilienmarkt beigetragen“, sagt Naeve. „Hier sind die Bewertungen ebenfalls sehr hoch, zudem ist die Vermögensbindung hier sehr lang.“

Was erwarten Hamburger Experten
für den
Aktienmarkt in diesem Jahr?
In keiner der sechs befragten Hamburger Banken geht man davon aus, dass der deutsche Aktienmarkt 2019 stagniert oder sich gar weiter abschwächen wird. Die verhaltendste Prognose kommt von Goyer & Göppel; hier veranschlagt man den DAX zum Jahresende auf 11.500 Punkte. Selbst dies würde gegenüber dem Jahresschluss 2018 noch ein Plus von immerhin knapp neun Prozent bedeuten. Auch nach Einschätzung der Experten von M.M. Warburg und der Schröder-Bank bleibt das Börsenbarometer zum Jahresultimo unterhalb der Marke von 12.000 Zählern. Optimistischer sind die Analysten bei der Berenberg Bank und bei Donner & Reuschel mit Prognosen von 12.600 beziehungsweise 12.500 Punkten. Noch weiter vor wagen sich einzelne Institute außerhalb Hamburgs: Die DZ Bank traut dem DAX in zwölf Monaten einen Stand von 13.300 Zählern zu, die Helaba bleibt mit 13.200 Punkten nur wenig dahinter.


Welche Risiken bestehen für
den
Aktienmarkt in diesem Jahr?
Alle vom Abendblatt befragten Experten sind sich darin einig, welche Belastungsfaktoren es waren, die den DAX in den zurückliegenden Monaten so kräftig gedrückt haben: Die Angst vor einem ungeordneten Abschied Großbritanniens aus der EU (Brexit), der Handelskonflikt zwischen den USA und China mit seinen weltweiten Auswirkungen sowie der Streit zwischen Italien und der Euro-Gruppe über die Staatsverschuldung des Landes. Lediglich der letzte Faktor hat jüngst etwas an Brisanz verloren, die anderen bestehen unverändert weiter. „Die Risiken, dass sich die Konjunktur weiter eintrübt, sind hoch“, sagt Mumm. „Außerdem ist auch heute noch kaum abschätzbar, wie sich der Brexit tatsächlich auf die europäische Wirtschaft auswirken wird. Daher kann ich mir eine weitere Kursabschwächung im ersten Quartal gut vorstellen.“ Auch bei der Haspa hält man es für möglich, dass der DAX zunächst weiter und bis auf rund 9800 Punkte sinkt, bevor es wieder aufwärts geht. Dies setzt voraus, dass sich Ängste vor einer Rezession als unbegründet erweisen. Zwar sei zuletzt die Stimmung schlechter gewesen als die Lage, sagt Has­pa-Wertpapierstratege Bernd Schimmer. Doch er warnt vor dem Risiko einer Abwärtsspirale: „Wenn viele glauben, dass es schlechter wird, dann werden sie so handeln, dass es tatsächlich schlechter wird.“

Was sollten Privatleute bei
der Aktienanlage beachten?
Die Finanzexperten der Verbraucherzentrale raten dringend ab, Geld in Aktien oder Fonds zu investieren, das man schon bald wieder benötigen könnte. Ein bis zwei Nettogehälter sollte man demnach auf einem Tagesgeldkonto als Notreserve verfügbar halten, ein größerer Betrag, ungefähr im Wert des nächsten Autos, sollte längerfristig (für zwei bis sechs Jahre) sicher angelegt werden. Für Beträge darüber hinaus kämen Aktienfonds in Betracht, vor allem die sogenannten Indexfonds (ETFs), weil sie das Risiko breit streuen und die Kosten vergleichsweise niedrig sind. Der Haspa-Wertpapierstratege Schimmer hält für Privatinvestoren einen Anlagehorizont beim Aktienkauf von mindestens drei bis fünf Jahren für ratsam. Aus seiner Sicht ist es zudem sinnvoll, nicht den gesamten Anlagebetrag auf einen Schlag zu investieren: „Man wird den unteren Scheitelpunkt der Kursentwicklung nicht treffen. Darum rate ich zu einem Einzahlplan, wenigstens in drei Portionen über das Jahr verteilt.“

Welche Branchen werden für
besonders aussichtsreich gehalten?

Carsten Klude von M.M. Warburg bevorzugt derzeit Börsenwerte, die nicht so stark von einer guten Konjunktur abhängig sind – also etwa aus den Branchen Versorgung und Telekommunikation sowie aus dem Immobiliensektor. „Wenn sich im zweiten Quartal das Konjunkturbild etwas aufhellen sollte, kämen auch Chemietitel hinzu.“ Niefünd hat ebenfalls Telekommunikationswerte auf der Kaufliste: Die Deutsche Telekom und die Hamburger Firma Freenet. Seine Favoriten sind zudem Pharmatitel wie Novartis und AstraZeneca, vor allem aber Roche. „Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation gibt es 100 Patente, die für das Überleben der Menschheit wichtig sind – und allein Roche hält 14 davon“, sagt er. Ein weiterer Tipp von ihm sind Technologiewerte wie Infineon und der Zahlungsdienstleister Wirecard, der „langfristig sehr viel Potenzial“ habe. Wer Wert auf eine hohe Dividendenrendite lege, könne den Kauf der BASF-Aktie erwägen: Hier liegt die Rendite bei mehr als fünf Prozent. Berenberg-Experte Naeve bevorzugt „Börsenwerte aus der zweiten Reihe, die in industriellen Nischen tätig sind.“ Von Autowerten nehme das Institut wegen der strukturellen Probleme der Branche noch Abstand.

Wie viele Aktienbesitzer gibt es
in Hamburg überhaupt?

Wie aus dem „Anlage-Atlas“ von Comdirect hervorgeht, sind 13,8 Prozent der Hamburger nach eigenen Angaben Aktionäre. Über Investmentfonds allgemein verfügen 15,4 Prozent der Hamburger. Nach Erkenntnissen der Haspa legt rund jeder achte Hamburger gar kein Geld zurück (13 Prozent). Von denen, die es sich leisten können, besitzen 24 Prozent entweder Aktien oder Aktienfonds.