Hamburg. Ladeninhaber melden Umsatzplus, fürchten sich aber vor wachsender Konkurrenz durch neue Großprojekte und das Internet.

Erst lief es schleppend, doch dann zogen die Umsätze an: Viele Einzelhändler in der Hamburger Innenstadt ziehen eine positive Bilanz des Weihnachtsgeschäfts. „Es handelt sich zwar um ein verhaltenes Wachstum, aber auf recht hohem Niveau“, sagt Brigitte Nolte, Geschäftsführerin des Handelsverbands Nord in Hamburg. Nach ihren Angaben sind die Umsätze in der Hansestadt in den beiden letzten Monaten des Jahres um zwei Prozent auf 2,7 Milliarden Euro gewachsen. Das Plus im Online-Handel lag dabei mit zehn Prozent allerdings deutlich über dem im stationären Bereich, der nur auf knapp ein Prozent Zuwachs kam. Dabei verschärfe, so Nolte, die hohe Preistransparenz den Wettbewerbsdruck und zwinge zu Rabattaktionen.

Parallel entwickelt sich aber auch ein Bewusstseinswandel bei den Käufern. Gerade die kleineren, inhabergeführten Geschäfte verzeichneten gute Umsätze, ergibt sich aus einer Umfrage des Abendblatts unter City-Einzelhändlern. „Auch wenn wir Kunden ans Internet verloren haben, haben wir in unserem Stammhaus am Neuen Wall ein Umsatzplus von fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr erzielt“, sagt Jürgen Weitz. Im Dezember sind die Erlöse bei dem traditionsreichen Porzellanhändler dreimal so hoch wie in anderen Monaten. „Wir hatten in diesem Jahr viele Kunden, die betont haben, dass sie bewusst nicht online bestellen, sondern in den Laden kommen, um persönlich beraten zu werden, die Waren anzufassen und die Atmosphäre zu genießen.“ Mit Sorge betrachtet er allerdings die wachsende Konkurrenz durch die neuen Einzelhandelsflächen, etwa in den Stadthöfen oder am Alten Wall.

Individuelle Geschäfte kommen gut an

Bei der Buchhandlung am Rathaus stiegen die Erlöse im diesjährigen Weihnachtsgeschäft ebenfalls. „Wir haben im einstelligen Prozentbereich zugelegt und können uns nicht beklagen“, sagt Inhaber Matthias J. Marissal, der das Unternehmen in vierter Generation führt. Auch er betont, dass Kunden gezielt in den wenigen inhabergeführten Geschäften in der Hamburger Innenstadt einkaufen wollten. „Wer anonym bei einer Kette kauft, der tendiert auch jetzt eher dazu, im Netz zu bestellen. Diejenigen, die schon immer individuelle Geschäfte geschätzt haben, konzen­trieren sich auf die wenigen Läden, die es noch gibt“, so der Buchhändler. Ähnlich sieht es Arno Schmidt, Geschäftsführer des Wäschehauses Möhring am Großen Burstah: „Das Geschäft ist ähnlich wie 2017 und damit zufriedenstellend gelaufen – trotz der Baustellen und des desolaten Zustands des halb abgerissenen Allianz-Gebäudes.“ Der Firmenchef sagt gut eineinhalb Jahre nach dem Umzug von der Schleusenbrücke aber auch: „Wir hatten höhere Erwartungen.“

Nach den Umsatzeinbrüchen im heißen Sommer 2018 hatte auch der Textil-Einzelhandel große Hoffnungen mit dem Weihnachtsgeschäft verbunden. Erwartungsgemäß, mit leichter Steigerung – das ist die Bilanz des Herren-Ausstatters Ladage & Oelke in den Alsterarkaden. „Ungewöhnlich war der Beginn, den man anfangs gar nicht so richtig bemerkt hat. Dann steigerte sich das langsam“, sagt Geschäftsleiter Thomas Wegmann. „Es bleibt aber das subjektive Gefühl, dass es zu warm war.“ Gut laufen in dieser Saison neben Dauerbrennern wie Hemden und Krawatten – durchaus hochpreisige – Lammfell-Jacken.

Trend der 1930er-Jahre ist zurückgekehrt

Von einer Fernsehserie profitierte der Hutspezialist Falkenhagen. In der ARD lief „Babylon Berlin“ und sorgte dafür, dass der Trend der 1930er-Jahre zurückgekehrt sei, sagt Inhaberin Sabine Falkenhagen. „Viele Männer kamen ins Geschäft und sagten: ,Meine Frau hat die Serie gesehen und fand die Hüte so toll.“ Entsprechend sei auf dem Gabentisch der Gattin häufig ein hochwertiger, maßangefertigter Damenhut gelandet. Als Geschenk für die Herren stand der Borsalino hoch im Kurs. Insgesamt seien die sechs Wochen vor Weihnachten sehr gut gelaufen, sagt Falkenhagen: „Wir haben etwa 15 Prozent mehr Umsatz gemacht.“

Sabine Falkenhagen mit Strohhüten in ihrem Geschäft.
Sabine Falkenhagen mit Strohhüten in ihrem Geschäft. © HA | Roland Magunia

Das Kaufverhalten habe sich in den vergangenen Jahren verändert, sagt Heinrich Grüter, Geschäftsführer des Trägerverbunds Projekt Innenstadt. „Das Weihnachtsgeschäft beginnt später.“ Die Umsätze verteilten sich mehr auf die Woche, obwohl die Sonnabende wichtige Einkaufstage bleiben. So wurden etwa in der Spitalerstraße an den Adventssonnabenden zwischen 10.755 und 12.022 Passanten gezählt. Zum Vergleich: An einem Mittwoch im Advent sind dort nur halb so viele Menschen unterwegs. „Während früher der dritte Adventssonnabend der wichtigste Tag für das Besorgen der Geschenke war, gewinnt seit einigen Jahren der vierte Sonnabend immer mehr an Bedeutung“, sagt Grüter. Der Verbund vertritt etwa 100 Grundeigentümer in der Innenstadt, darunter Görtz, WMF, Thalia und Karstadt. Große Ketten wie Karstadt, Kaufhof, H&M, Peek & Cloppenburg sowie Media Markt und Saturn wollten sich auf Anfrage nicht äußern.

„Gutes Plus“ für das Alsterhaus

Das Alsterhaus schloss hingegen das Weihnachtsgeschäft „mit einem guten Plus“ ab. „Wir haben schon im November sehr gute Umsätze gemacht, vor allem auch in der Männermode“, sagt eine Sprecherin. Dabei beobachtet das Edel-Kaufhaus „eine leichte Verschiebung nach vorne, vor allem auch bei hochpreisigen Produkten“. Dagegen seien näher an Weihnachten Klassiker wie Kosmetik besonders gefragt. Ein weiterer Trend: „Man geht mit Freunden oder Familie essen oder ein Glas Champagner trinken. Unsere Gourmetetage war in den Tagen vor Weihnachten besonders gut besucht.“ Zwischen den Jahren erwartet das Alsterhaus besonders gute Umsätze: Gutscheine oder Geldgeschenke werden eingelöst. Die freien Tage eröffneten die Möglichkeit, gemeinsam zu shoppen – das gelte für Hamburger und für Touristen.

Trotzdem, da sind sich alle Beteiligten einig, müsse mehr passieren, damit die Innenstadt weiter vielfältig und für Kunden attraktiv bleibt. „Die Ursache für den Konzentrationsprozess im Einzelhandel liegt sicherlich in der Digitalisierung. Ein guter Online-Shop erfordert hohe Investitionen und Anstrengungen, um im Wettbewerb mit Amazon zu bestehen“, sagt die Handelsverbands-Geschäftsführerin Nolte. Das setzt eine gewisse Größe voraus. Es sei denn, man verkauft ein Nischenprodukt. „Die Stadt muss mehr für die Attraktivität im öffentlichen Raum tun“, sagt Heinrich Grüter vom Trägerverbund Projekt Innenstadt.

Einiges sei inzwischen in Gang gesetzt worden, unter anderem sollen 2019 Gerhart-Hauptmann-Platz und Ballindamm umgestaltet werden. Das BID Mönckebergstraße investiert im nächsten Jahr in eine neue Straßen- und eine neue Weihnachtsbeleuchtung. Positiv sieht Grüter auch, dass die Zuwächse an Gastronomieflächen inzwischen über denen der Einzelhandelsflächen lägen. „Wir brauchen mehr Gelegenheiten und Angebote, damit Menschen in die Stadt kommen – nicht nur zum Einkaufen.“