Hamburg. Elf Jahre nach seinem Linienflug-Debüt wird der Jet zerlegt und in Einzelteilen verkauft. Die Gründe für das Ende des Riesen-Airbus.

Am 15. Oktober 2007 ist die Euphorie in Toulouse groß. „Heute beginnt ein neues Kapitel in der Luftfahrtgeschichte“, sagt Airbus-Chef Tom Enders. Und Chew Choon Seng spricht in seiner Rede sogar von einer „neuen Königin der Lüfte“. Gerade hat der Vorstandsvorsitzende von Singapore Airlines den ersten ausgelieferten A380 erhalten. Zehn Tage später startet der erste kommerzielle Flug mit dem größten Passagierflugzeug der Welt. Es geht von Singapur nach Sydney. Die Tickets sind heiß begehrt. Ein Passagier zahlt 70.000 Euro für seine Bordkarte.

Mehr als elf Jahre später herrscht Ernüchterung. Der A380 mit der Seriennummer „MSN003“ wird nie mehr abheben. Seit Monaten steht der Riesenjet auf dem Flughafen von Tarbes in Südfrankreich. Am 2. Dezember rückten die Mitarbeiter von Tarmac Aerosave an, wurde jetzt bekannt. Die Firma ist spezialisiert auf Wartung, Einmotten und Recyceln von Flugzeugen. Auftrag: das letzte Kapitel von „MSN003“ schreiben. Der Jet soll in Einzelteile zerlegt und diese anschließend verkauft werden – letztlich ein Ausschlachten wie auf dem Schrottplatz. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen:


Warum wird der A380 zerlegt?
Das Flugzeug gehört dem Fondshaus Dr. Peters. Der Kaufpreis von rund 200 Millionen Dollar wurde mit Geld bezahlt, das das Fondshaus von Anlegern des Fonds 129 eingeworben hatte. Singapore Airlines mietete den Jet für zehn Jahre. Im Herbst 2017 ließ die Fluggesellschaft den Vertrag auslaufen. Dr. Peters verhandelte mit Airlines wie British Airways, Hi Fly und Iran Air – vergeblich. Im Sommer entschloss sich Dr. Peters deshalb, das Flugzeug, in Einzelteile zerlegt, zu Geld zu machen.


Warum ist der A380 nicht gefragt?
„Der Markt für das Flugzeug ist mausetot“, sagt der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt. Das gelte zum einen für den Zweitmarkt, wie man an den gescheiterten Verhandlungen mit Airlines sehe – obwohl die tragenden Strukturen nicht einmal die Hälfte ihrer Lebensdauer erreicht haben, 20 bis 40 Jahre können Maschinen normalerweise fliegen. Aber das typische zweite Leben bleibe dem A380 verwehrt. Nach ihrem Einsatz als Passagierflieger werden sie häufig zu Frachtern umgebaut. Für den A380 komme das aufgrund seiner Struktur mit Ober- und Unterdeck nicht infrage. Zum anderen ist die Lage auch für neue Flugzeuge schwierig. Seit 2015 erhielt Airbus nur einen Auftrag. Anfang 2018 bestellte Emirates 20 Jets fest und vereinbarte eine Option über 16 weitere Maschinen.

Für die Verkaufschwierigkeiten gebe es zwei Hauptgründe, sagt Großbongardt: „Die Zahl der Strecken, auf denen man das Flugzeug voll bekommt, ist begrenzt und wächst nicht.“ Außer Emirates schaffte es keine Airline, ein Geschäftsmodell für das Flugzeug mit hoher Stückzahl zu entwickeln. Emirates erhielt mit 108 Maschinen fast die Hälfte aller Riesen-Flieger und schaffte es so, Dubai zum Drehkreuz auszubauen. „Zudem ist der A380 technisch mittlerweile vom A350 sowie Boeings 787 und 777-x überholt worden“, sagt Großbongardt. Die Betriebskosten lägen pro Passagier um etwa 15 Prozent niedriger. Zum Beispiel verbrennen nur zwei statt wie beim A380 vier Triebwerke Kerosin, der höhere Kohlefaseranteil im Rumpf sorgt für ein geringeres Gewicht und niedrigere Wartungskosten.

Wie reagiert Airbus auf die Probleme?

Airbus drohte mit dem Aus für das Flugzeugprogramm, falls keine Aufträge kommen – bis Emirates bestellte. Nun sicherte der Hersteller zu, den A380 mindestens bis Mitte der 20er-Jahre zu bauen. Allerdings wurde die Fertigungsrate gesenkt. Wurden 2015 noch 27 Exemplare ausgeliefert, sollen ab 2020 nur noch sechs Stück pro Jahr gebaut werden. In Hamburg erfolgen zum Beispiel der Einbau der Kabine und die Lackierung. Mitarbeiter müssen durch die Produktionsdrosselung nicht gehen, wechseln aber zum Teil in andere Programme wie den Kurzstreckenjet A320.


Wie sieht die Zukunft des A380 aus?

Der Hersteller gibt sich optimistisch. „Wir sind zuversichtlich für den Zweitmarkt beim A380. Die Maschinen können zu günstigen Konditionen geleast oder gekauft werden“, sagte eine Sprecherin dem Abendblatt. Dass die erste ausgelieferte Maschine neuer Flugzeugtypen schnell zerlegt wird, sei in der Luftfahrt nicht unüblich. So sei Boeings erste 787 nach acht Jahren zerlegt worden. In der Tat hätten die ersten ausgelieferten Flugzeuge gewisse Nachteile, sagt Großbongardt: „Ihr Gewicht ist in der Regel zu hoch.“ Strukturteile seien beim Produktionsstart noch nicht ausentwickelt. Häufig könnten bei einem Großraumflugzeug noch bis zu fünf Tonnen Gewicht eingespart werden. Das entspräche rund 60 Passagieren. Auch wenn die Kinderkrankheiten beseitigt seien, ist er für die Zukunft pessimistisch. „Dass ein Flugzeug nach gut elf Jahren auf dem Abwrackhof landet, ist schmerzlich – und ein Imageschaden für Airbus und den A380.“ Es mache es nicht leichter, zukünftig den Typ zu verkaufen. Zudem könnten künftig weitere A380 verschrottet werden. So nehme Emirates zwar ab 2020 neue ab, will aber alte stilllegen. Malaysia Airlines will seit Jahren ihre Maschinen loswerden, findet aber keine Abnehmer. Großbongardt: „Es gibt A380, die werden wie Sauerbier angeboten.“


Was passiert bei der Zerlegung?

Zunächst werden Vorarbeiten erledigt wie das Ablassen von Hydrauliköl und Bremsflüssigkeit sowie das Leeren der Tanks. Dann werde ähnlich vorgegangen wie bei einer Grundüberholung. „Alles, was an Ersatzteilen gängig ist, wird fachgerecht ausgebaut und dokumentiert“, so Großbongardt. Dazu zählen Hydraulik- und Treibstoffpumpen, Leitungen und Cockpitinstrumente. Die Arbeiten dauern wohl monatelang. Ziel sei die Gewinnung von möglichst vielen Ersatzteilen. „VAS Aero Service übernimmt den Verkauf für uns und hat für zahlreiche Teile mit Käufern bereits Verträge geschlossen“, sagt Dr. Peters Sprecherin Ulrike Germann dem Abendblatt. Das Wertvollste sind die Triebwerke. Sie sind derzeit von Rolls-Royce geleast, später sollen sie verkauft werden. „Auch hier liegen schon Angebote vor“, sagt Germann. In Tarbes werden derzeit übrigens zwei A380 ausgeschlachtet und in Einzelteilen verkauft. Die zweite Maschine wurde über den Fonds 130 von Dr. Peters gekauft.


Was bedeutet das für Fondsanleger?
„Wir haben prognostiziert, dass unsere Investoren der Fonds DS 129 und 130 jeweils zwischen 145 und 155 Prozent Kapitalrückfluss erhalten“, sagt Germann. Aus dem Verkauf in Einzelteilen soll jede Fondsgesellschaft in den nächsten zwei Jahren Erlöse von 45 Millionen Dollar (39,6 Millionen Euro) erhalten. In Tarbes parken übrigens noch zwei weitere A380, die Dr. Peters gehören. Tarmac Aerosave soll diese Maschinen zunächst einmal für eine längere Parkdauer fertig machen. Bei Bedarf sollen sie wieder in den Flugbetrieb einscheren. Germann: „Wir führen hier noch Gespräche über einen Anschlusslease.“