Hamburg. Trotz Rekordumsätzen geraten auch größere Ketten in Not. Selbst in Hamburger Toplagen stehen nicht wenige Geschäfte länger leer.

Außergewöhnlich warm und trocken, mit viel Sonne und tropischen Nächten: Der Jahrhundertsommer 2018, für die meisten Hamburger ein Grund zur Freude, hat dem Einzelhandel in der Elbmetropole zugesetzt. Vor allem Modegeschäfte litten unter der gebremsten Einkaufslust. Die Branche, die schon Mitte des Jahres bundesweit einen Umsatzsatzrückgang von zwei Prozent verzeichnet hatte, steht weiter massiv unter Druck. „Es gibt eine Sättigung im Markt“, sagt die Hamburger Geschäftsführerin des Handelsverbands Nord, Brigitte Nolte. Das merkten auch die großen Ketten in der umsatzstarken Hamburger Innenstadt. Auch das Weihnachtsgeschäft verlief aus Sicht vieler Händler enttäuschend.

Dabei liegen die Umsatzzahlen im Einzelhandel dank guter Konjunkturlage 2018 mit etwa 14,3 Milliarden Euro wieder auf Rekordniveau. Wachstumstreiber ist der Online-Handel mit einem Plus von 9,6 Prozent. Der stationäre Handel wuchs nur um 1,5 Prozent. Inzwischen geraten nicht mehr nur kleine und inhabergeführte Geschäfte in die roten Zahlen. Die Textilunternehmen Tom Tailor und Esprit haben Filialen in der City geschlossen. Mitten im Weihnachtsgeschäft kündigte die schwedische Haushaltswarenkette Clas Ohlson an, alle vier Hamburger Läden zwei Jahre nach dem Start zu schließen. Die dänische Kette BR-Spielwaren meldete Insolvenz in Deutschland an. Die zehn Hamburger Filialen sollen weitergeführt werden – zunächst. Das Einrichtungshaus Habitat hat Insolvenz angemeldet. Was aus dem Laden und den Beschäftigen am Großen Burstah wird, ist offen. Unklar auch, wie es nach der Karstadt-Kaufhof-Fusion mit den elf Häusern in der Hansestadt weitergeht.

Leerstände auch in Citylagen

Insgesamt ist in den vergangenen Jahren die Zahl der Einzelhändler in Hamburg leicht gesunken. Nach dem Unternehmensregister des Statistikamts Nord gab es Ende 2017 noch 9342 Betriebe, zwei Jahre vorher waren es 9466. Nicht mehr nur in Bezirkszentren wie Harburg oder Wandsbek, auch in Citylagen gibt es längere Leerstände. „Das sind Anzeichen für einen Marktbereinigungsprozess“, sagt Handelsexpertin Nolte. Neben verändertem Käuferverhalten sieht sie die Ursachen in den hohen Mieten. „Die Immobilienwirtschaft wird das Preisniveau nach unten korrigieren müssen“, so Nolte. Erste Anzeichen gebe es bereits.

Die Prognose für die Top 200 der Hamburger Unternehmen:

Die Zahl der Beschäftigten ist dagegen leicht gestiegen. 70.700 Männer und Frauen sind nach Angaben der Agentur für Arbeit aus dem März 2018 im Einzelhandel beschäftigt, 2017 waren es 69.000. Auffällig: Mit 23.430 sind etwa ein Drittel Minijobber. Während bei großen Textilunternehmen wie H&M Stellen gestrichen wurden, hat der Lebensmittelhandel eingestellt – und will es weiter tun. Edeka etwa erhöhte die Mitarbeiterzahl um 200 auf 6100. Auch bei den Bäckerei-Ketten Junge und Dat Backhus arbeiten mehr Menschen als 2017. Steigende Beschäftigungszahlen auch bei Budnikowsky und Fielmann. Spitzenreiter ist erneut die Otto Group, mit dem Internet-Händler Otto und dem Mode-Start-up About You, die in diesem Jahr 720 neue Mitarbeiter einstellte – und weitere sucht.

Konjunkturabkühlung erwartet

Für das nächste Jahr rechnet Handelsverbandschefin Nolte angesichts der erwarteten Konjunkturabkühlung mit einer zunehmenden Konzentration im Handel. „Die Unternehmen müssen sich auf den Ausbau von digitalen Strukturen konzentrieren. Sonst werden noch mehr Anbieter vom Markt verschwinden.“ Parallel brauche es motivierte, serviceorientierte Mitarbeiter, so Nolte. „Einzelhandel ist heute kein einfaches Geschäft mehr, in dem die Beschäftigten die Produkte im Laden bewachen. Die Kunden erwarten Problemlöser.“ Wohin die Reise geht, zeigen Projekte wie kassenloses Bezahlen bei Saturn oder der Bon-Prix-Konzept-Store, den Otto in Kürze eröffnen will und der stationären Handel und Online-Geschäft verbinden soll.