Hamburg. Wohnungseigentümer wollen das Milliardenprojekt verhindern – und verklagen die Stadt. Eilantrag gegen Bau der Tiefgarage.

Der Widerstand gegen das geplante Einkaufsquartier mit rund 200 Läden, Wohnungen, Büros und Hotels im südlichen Überseequartier wird ein Fall für die Justiz. Im Auftrag von fünf Wohnungseigentümern aus der HafenCity hat Rechtsanwalt Michael Günther beim Hamburgischen Oberverwaltungsgericht (OVG) eine Normenkontrollklage gegen den Bebauungsplan „HafenCity 15“ eingereicht, mit dem das Milliardenprojekt des französischen Immobilienunternehmens Unibail-Rodamco verwirklicht werden sollte.

Diese Klage richte sich gegen die Stadt. Dabei gehe es laut Günther vor allem um das zusätzlich zu erwartende Verkehrsaufkommen durch das Einkaufszentrum von zusätzlich 25.000 Fahrzeugen pro Tag. Das gehe aus den Planungsunterlagen und diversen Gutachten hervor.

Lärm- und Luftbelastung befürchtet

Für die Anwohner in der HafenCity würde das eine große Lärmbelastung und Belastung der Luft bedeuten, sagte der Experte für Öffentliches Baurecht. Ein OVG-Sprecher bestätigte auf Abendblatt-Anfrage: „Es ist beim Gericht ein Antrag eingegangen, mit dem der Bebauungsplan HafenCity 15 angefochten wird.“

Die Baugrube für das Milliardenprojekt im südlichen Überseequartier
Die Baugrube für das Milliardenprojekt im südlichen Überseequartier © Klaus Bodig / HA

Da eine Entscheidung über die Normenkontrollklage bis zu zwei Jahre dauern kann, hat Günther im Namen seiner Mandanten bereits bei der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) einen Widerspruch gegen die Baugenehmigung für die Tiefgarage eingelegt. Außerdem wird der Jurist noch im Juli einen Eilantrag auf Baustopp für die Tiefgarage beim Verwaltungsgericht einreichen.

Die für 2021 geplante Eröffnung könnte sich verzögern

Auf Abendblatt-Anfrage bestätigte eine Sprecherin der Behörde, dass „der Rohbau der Untergeschosse bis einschließlich der Decke über dem ersten Untergeschoss bauaufsichtlich als Teilbaugenehmigung genehmigt wurde.“ Zu der Klage gab es am Dienstag noch keine Reaktion aus der Behörde.

Wenn das Gericht dem Antrag auf Baustopp stattgibt, könnte sich die für 2021 geplante Eröffnung verzögern. Derzeit wird im südlichen Überseequartier die Baugrube ausgehoben. Unibail-Rodamco hat große Pläne für die HafenCity: Die rund 200 Geschäfte sollen sich über drei Ebenen verteilen und insgesamt etwa 80.500 Quadratmeter Fläche haben.

Restaurants, Bars und drei Hotels geplant

Außerdem sollen dort viele Restaurants und Bars sowie ein Kino entstehen. Auch drei Hotels sind geplant. Nach Abendblatt-Informationen hat dafür bereits der französische Konzern Accor (Mercure, Sofitel, Pullmann, Ibis) den Zuschlag erhalten. Die Investoren wollen dort zudem 650 Wohnungen bauen und ein neues Kreuzfahrtterminal mit 10.000 Qua­dratmeter Fläche. Für Büroflächen sind weitere 64.000 Quadratmeter geplant.

Eine der Klägerinnen ist Solveig Binroth, die direkt gegenüber der Fläche im südlichen Überseequartier eine Eigentumswohnung hat: „Der neue Bebauungsplan sieht vor, hier viel mehr Baumasse zu errichten als ursprünglich geplant. Das Shopping-Center ist völlig überdimensioniert. Die Gebäude werden viel höher und lassen keinen Blick auf die Elbe mehr zu.“ Das Schlimmste sei die Verkehrsbelastung für den Stadtteil. Die HafenCity sei dann nicht mehr lebenswert, so die Klägerin weiter.

Pastor der Katharinenkirche unterstützt die Klage

Auch Frank Engelbrecht, Pastor der Hauptkirche St. Katharinen in der benachbarten Altstadt und für den Netzwerkaufbau in der HafenCity verantwortlich, hat Vorbehalte gegen das Unibail-Rodamco-Projekt: „Das Konzept für die Bebauung des südlichen Überseequartiers ist nicht mehr zeitgemäß für die HafenCity. Die Stadt, der Investor und die Anwohner sowie Initiativen sollten gemeinsam darüber sprechen, wie das Bauvorhaben angepasst werden kann.“

Die Klagen der Anwohner werden auch von der Initiative Lebenswerte HafenCity unterstützt: „Eigentlich sollte die HafenCity einen eher dörflichen Charakter haben. Deshalb passt dieses große Einkaufszentrum nicht in diesen Stadtteil. Das ist nichts Originelles und könnte auch in jeder anderen deutschen Großstadt gebaut werden“, sagte Bruno Brandi. Der Architekt kritisiert weiter: „Die Stadt hat es leider verpasst, darauf hinzuwirken, dass hier ein einmaliges Quartier mit dem Bezug zu dem besonderen Standort direkt am Wasser entsteht.“

SPD will Tempo 30 für Anfahrtswege prüfen

Der Investor Unibail-Rodamco reagierte am Dienstag zunächst nicht auf eine Abendblatt-Anfrage. Unterdessen kündigte SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf auf Abendblatt-Anfrage an: „Wir prüfen unter anderem Tempo 30 für die Anfahrtswege durch die HafenCity zu dem neuen Einkaufsquartier. Ziel ist es, die Belastung der Menschen in der HafenCity möglichst gering zu halten.“

Allerdings gibt Stadtentwicklungsexperte Kienscherf auch zu bedenken: „Es wissen alle Bewohner, dass es sich um ein innerstädtisches Quartier handelt, das auch entsprechende Verkehrsströme hat, wobei die größte Belastung durch den Durchgangsverkehr entsteht. Dieser hat aber nicht mit dem Unibail-Projekt zu tun.“