Firmen in der Region überraschen mit neuen Produkten. Wir prüfen, wie gut sie sind. Heute: Der Insektensnack von Nufohu.
Auf den ersten Blick könnte es auch ein ganz normaler Schokokeks sein. Reinbeißen, auf der Zunge zergehen lassen – und gleich der nächste. Aber so läuft das diesmal nicht. Da ist ein Geschmack, der sich nicht zuordnen lässt. Wenn es Wein wäre, würde man sagen, ein bisschen streng im Abgang. „Es ist verblüffend, wie unterschiedlich die Reaktionen auf unser Produkt sind“, sagt Adrian Hecking. Das, was er und sein Geschäftspartner Marcel Schonhoff auf den Markt gebracht haben, ist ja auch etwas Neues. Statt Mehl sind in dem Snack der Hamburger gemahlene Grillen verarbeitet, Acheta Domesticus. Was für manchen eklig klingt, könnten die Lebensmittel der Zukunft sein.
Ortsbesuch beim Start-up Nufohu in einem Rotklinkerkomplex in Groß Borstel. Ein kleines Büro, zwei Schreibtische mit Computern, ein paar Regale. Von hier scheinen die Probleme der Welternährung weit entfernt. Oder auch ganz nah. Ein Mausklick genügt. „Insekten sind nicht nur reich an Proteinen“, sagen die Gründer, „sie lassen sich auch umweltfreundlich züchten.“
So bewerten Abendblatt-Tester den Grillensnack von Nufohu
Im Vergleich zu einem Kilo Rindfleisch aus der herkömmlichen Zucht wird für ein Kilo Insekten nur ein Achtel der Rohstoffe benötigt – bei vergleichbarem Proteingehalt. Weitere Vorteile sind geringerer Verbrauch von Wasser (etwa zwei Prozent), von Landfläche (weniger als zehn Prozent) und von CO2 (knapp zwei Prozent). Mehr als ein Jahr haben die Jungunternehmer, 30 und 26 Jahre alt, sich mit WHO-Studien, Ökobilanzen, Lebensmittelrecht und innovativen Rezepten beschäftigt. Seit zwei Monaten ist ihr Grillen-Protein-Snack mit dem programmtischen Namen auf den Markt. Nufohu steht für Nutrition for Humanity, auf Deutsch: Ernährung für die Menschheit.
In Asien gehören Grillen traditionell auf den Speiseplan
Für eine Produktpalette aus zwei Geschmackssorten klingt das sehr groß. Aber Hecking und Schonhoff glauben an einem Bewusstseinswandel. Weltweit essen laut WHO mehr als zwei Milliarden Menschen regelmäßig Insekten. Es gibt mehr als 2000 essbare Sorten. Vor allem in Asien gehören Würmer, Larven, Heuschrecken und Grillen traditionell auf den Speiseplan. „In Europa muss die Hemmschwelle noch aufgebrochen werden“, sagt Adrian Hecking. Der Betriebswirt kommt aus der Start-up-Szene. Mehrere Jahre hat er in einem Fintech-Unternehmen gearbeitet. „Insekten-Lebensmittel sind ein Wachstumsmarkt“, sagt Mitgründer Schonhoff und verweist auf die Entwicklung in den USA oder auch in den Niederlanden.
Inzwischen liegen auch in Deutschland Riegel, Burger oder Nudeln aus diversen Krabbeltierchen im Trend. Allerdings trat erst im Januar 2018 eine neue Version der Novel-Food-Verordnung der Europäischen Union in Kraft, die die Genehmigung von Lebensmitteln mit Insekten möglich machen sollte. Seitdem ist die Zahl der Produkte deutlich gestiegen, unter anderem verkauft das Kölner Start-up Swarm seit einigen Wochen einen Proteinriegel. In Hamburg ist er etwa bei Budnikowsky erhältlich. „Insekten können eine sehr gute Alternative zu unserem herkömmlichen Essen sein“, heißt es der Verbraucherzentrale Hamburg. „Die Ernährung von immer mehr Menschen wird sicher nicht mit Fleisch von Nutztieren zu bewältigen sein, ohne dass immer größere Umweltprobleme entstehen“, sagt Ernährungsexperte Armin Valet.
Veterinäramt prüfte die Zulassung vier Monate lang
Hecking und Schonhoff hatten bereits im vergangenen Jahr einen Zuchtbetrieb in Thailand gefunden, von dem sie das Grillenmehl beziehen und auch eine Firma, die die Proteinsnacks nach ihrem Rezept mit insgesamt nur fünf rein natürlichen Zutaten produziert. „Die Herausforderung war die Zulassung in Hamburg“, sagt Wirtschaftsingenieur Schonhof. Export-Lizenzen, Laborberichte, Zertifikate für Lebensmittelsicherheit und Hygienebestimmungen und Konformitäts-Erklärungen waren erforderlich. „Es war sehr, sehr streng. Zwischendurch haben wir gedacht, wir schaffen es nicht“, sagt Hecking. Nach vier Monaten erteilte das Veterinäramt schließlich die nötige Genehmigung.
Das Interesse im Onlineshop, aber auch im Lebensmittelhandel, bestätigt die Gründer, die bislang einen niedrigen fünfstelligen Betrag in Nufohu investiert haben. Mehrere 1000 Packungen des Proteinsnacks haben sie verkauft, gerade die erste Nachbestellung abgeschickt. Parallel arbeiten sie an weiteren Artikeln. Als nächstes soll eine Grillen-Pasta auf den Markt kommen. „Die Möglichkeiten, Grillenmehl zu verarbeiten, sind quasi grenzenlos“, sagt Marcel Schonhoff. Jetzt muss die Akzeptanz der Konsumenten steigen. Letztens etwa habe eine Testesserin beim Verzehr eines Grillen-Schoko-Snacks auf eine Nuss gebissen und sich erschrocken, sagt Hecking. „Sie dachte, es war eine Grille. Aber das kann bei unseren Produkten gar nicht sein.“ Da ist noch viel Aufklärungsarbeit nötig.
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