Hamburg. Heute beginnt der 8. Summit in der Handelskammer. Doch die Rolle der Hansestadt als Brückenkopf nach Asien ist gefährdet.
Das Treffen hat schon Tradition: In Hamburg kommen ab dem heutigen Montag wieder hochrangige Politiker und Wirtschaftsvertreter zusammen, um über die Beziehungen zwischen Europa und China zu sprechen. Seit der Premiere im November 2004 findet die von der Handelskammer Hamburg organisierte Konferenz alle zwei Jahre statt. Doch seit dem ersten „Hamburg Summit“ hat sich vieles verändert: Damals war China die sechstgrößte Volkswirtschaft der Welt und schickte sich gerade an, Italien in dieser Rangliste zu überholen. Heute dagegen hat die Volksrepublik im Hinblick auf die Wirtschaftskraft nur noch die USA vor sich – zwei Schwergewichte, die gerade in einen Handelskonflikt verwickelt sind.
Schon dies dürfte auf der zweitägigen Konferenz in der Handelskammer für Gesprächsstoff sorgen. Die Veranstaltung habe „in den vergangenen 14 Jahren erheblich dazu beigetragen, dass sich die norddeutschen Unternehmen direkt und persönlich mit ihren chinesischen Partnern austauschen und stets auch eine sehr hochkarätige politische Ebene erleben konnten“, sagt Hans Fabian Kruse, Präsident des AGA Unternehmensverbands, der die norddeutschen Außenhändler vertritt. In diesem Jahr begrüßt Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) unter anderem Liu He, den stellvertretenden Ministerpräsidenten Chinas, EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager, Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sowie eine Reihe von Topmanagern aus Europa und China.
Rund 550 chinesische Firmen sind in der Hansestadt
Seit der Premiere des Gipfels im Jahr 2004 hätten sich die Vorzeichen allerdings grundlegend geändert, sagt AGA-Präsident Kruse: „Bezeichnete China sich Anfang der 2000er-Jahre noch als ein wirtschaftliches Schwellenland und war sein ökonomisches Potenzial zu erahnen, aber noch nicht voll erblüht, haben wir es heute mit einer auch politisch sehr selbstbewussten Großmacht zu tun.“ Umso wichtiger sei es, mit China im Gespräch zu bleiben, zumal die Volksrepublik in wenigen Jahrzehnten wahrscheinlich die größte Wirtschaftsmacht der Welt sein werde.
Für Hamburg als Handelsdrehscheibe spielt das Land traditionell eine äußerst wichtige Rolle: Abgesehen von Frankreich, wohin umfangreiche Airbus-Zulieferungen aus dem Werk auf Finkenwerder gehen, ist China der bei Weitem bedeutendste Abnehmer von Exporten aus der Hansestadt, wobei Flugzeuge hier ganz oben rangieren. Für den Hafen ist das asiatische Riesenreich der mit weitem Abstand wichtigste Handelspartner: Mehr als jeder vierte Container, der in Hamburg umgeschlagen wird, kommt aus China oder geht dorthin auf die Reise.
Rund 600 Hamburger Firmen unterhalten nach Angaben der Handelskammer derzeit Geschäftsbeziehungen mit China. 56 von ihnen geben an, mit einer Niederlassung vor Ort präsent zu sein. 24 Hamburger Unternehmen betreiben in China eine Produktionsstätte. Umgekehrt sind rund 550 chinesische Firmen in der Hansestadt vertreten. Damit ist Hamburg der Handelskammer zufolge der wichtigste China-Standort in Deutschland und einer der bedeutendsten in Europa.
Unternehmer verfolgen Eskalation mit Sorge
Doch nicht nur in der norddeutschen Metropole verfolgen Unternehmer mit Sorge die Eskalation im Handelskonflikt zwischen Washington und Peking: Die USA haben in mehreren Stufen Antidumpingzölle unter anderem auf Waschmaschinen und Solarpanele aus China eingeführt, was nicht zuletzt mit Verstößen der Asiaten gegen geistige Eigentumsrechte begründet wurde. Chinas Regierung reagierte umgehend mit Zöllen auf verschiedene amerikanische Produkte.
Angesichts vielfältiger Wirtschaftsverflechtungen zeigt der Konflikt auch in der Bundesrepublik Wirkung: Laut einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) geben 41 Prozent der befragten deutschen Unternehmen an, dass ihre Exporte in die USA von den Zöllen und Gegenmaßnahmen betroffen sind. Für 46 Prozent der Betriebe sind ihre Importe aus den USA vom aktuellen Handelskonflikt betroffen. Nicht wenige Firmen ziehen deshalb Veränderungen wie Produktionsverlagerungen in Erwägung. „Durch diesen Konflikt verändern sich die Warenströme, Unternehmen müssen ihre Absatzwege anpassen und neue Chancen suchen“, sagt Kruse. Das betreffe auch die norddeutschen Händler. Sie müssten versuchen, sich den wechselnden Bedingungen anzupassen. „Das beginnt damit, die wichtigen Akteure aus erster Hand zu kennen“, so der AGA-Präsident.
Steigendes Interesse an Firmenübernahmen im Westen
„In Treffen wie dem Hamburg Summit liegt eine große Chance für Europa“, sagt Olaf Rotax, Gründer und Geschäftsführer der zum Accenture-Konzern gehörenden Beratungsfirma dgroup und einer der Redner auf der Veranstaltung: „Abgesehen davon, dass zwei Weltregionen durch Erfahrungsaustausch mehr Verständnis füreinander aufbringen, können wir unter anderem von den Chinesen lernen, wie man die Digitalisierung weiterentwickeln und gestalten kann“, so Rotax. „Wir sollten nicht versuchen, die Amerikaner oder die Chinesen zu kopieren – es geht darum, einen dritten, europäischen Weg zu finden.“ Nach Auffassung von Rotax werden gerade die deutsch-chinesischen Beziehungen durch den Handelsstreit nicht grundsätzlich gefährdet: „Die Deutschen sind seit vielen Jahren ein vertrauensvoller Partner Chinas, das weiß man dort zu schätzen. In globalen Konzernen hat der Handelskonflikt natürlich Auswirkungen, für die meisten deutschen Unternehmen im täglichen Geschäft aber kaum.“
Abseits des aktuellen Handelsstreits hat China in den zurückliegenden Jahren erheblich steigendes Interesse an Firmenübernahmen im Westen gezeigt. Gemessen an den Investitionen in den Jahren 2000 bis 2017 liegt Deutschland mit 20,6 Milliarden Euro an zweiter Stelle der Zielländer in Europa hinter Großbritannien. „Deutsche Unternehmen haben stark zum Aufbau der chinesischen Industrie beigetragen“, sagt Rotax. „China ist sehr daran interessiert, dass wir diese Rolle auch bei der zweiten Welle der Industrialisierung – Stichwort Industrie 4.0 – wieder spielen. Die Chinesen schätzen das Know-how deutscher Firmen auf diesem Gebiet und streben nach Kooperationen, aber auch nach Zukäufen.“
Rolle Hamburgs als Brückenkopf gefährdet
Vor diesem Hintergrund könnte allerdings die gewohnte Rolle Hamburgs als „Brückenkopf“ Chinas in Deutschland gefährdet sein, denn solches Know-how ist eher in Süd- und Westdeutschland zu finden. Schon in den Jahren seit 2010 konzentrieren sich die Anmietungen von Büro- und Geschäftsräumen größerer chinesischer Unternehmen in Deutschland nach Erhebungen des Gewerbeimmobilienspezialisten Jones Lang LaSalle stark auf Düsseldorf – wo zum Beispiel der Technologiekonzern Huawei seine Europa-Zentrale ansiedelte – und München. Hamburg liegt nur noch auf Rang fünf, auch in Frankfurt und Berlin waren die Chinesen bei den Neuvermietungen aktiver. Dabei fällt auf: Alle vier Städte auf den Plätzen vor Hamburg verfügen über mindestens eine direkte Flugverbindung nach China. Fuhlsbüttel kann das nicht bieten.
Aber nicht nur die wirtschaftliche Beziehung zwischen Hamburg und China steuert auf Probleme zu. Auch der Summit an sich ist massiv gefährdet. Denn die neue Handelskammer-Führung, die seit dem Frühjahr 2017 im Amt ist, will das Treffen nicht länger subventionieren. „In diesem Jahr bezuschussen wir die Veranstaltung noch, ab dem Jahr 2020 muss der Summit sich dann aber finanziell selbst tragen“, sagte unlängst Kammerpräses Tobias Bergmann in einem Interview mit dem Abendblatt. Es geht um immerhin eine viertel Million Euro.