Hamburg . Der 61-jährige Michael Westerhagemann hat nie einen Hehl aus seiner Nähe zur SPD gemacht – Parteimitglied ist er aber nicht.

Der Mann kennt sich aus in Hamburg. Seit 15 Jahren lebt er in der Hansestadt. Hauptberuflich war er bis vor Kurzem für Siemens in Norddeutschland zuständig, trieb für den Industriegiganten vor allem das Windgeschäft voran. Im vergangenen Jahr ging er dann mit 60 Jahren in den vorzeitigen Ruhestand, baute sich aber zugleich ein neues berufliches Standbein als Unternehmensberater auf. Damit ist nun Schluss. Das Projekt muss zumindest auf Eis gelegt werden.

Enger Kontakt zu Frank Horch

Denn Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und der noch amtierende Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) konnten Westhagemann überzeugen, in den rot-grünen Senat einzutreten.

Ein Unbekannter ist der 61-Jährige weder in den Wirtschaftsverbänden noch in der Politik. Seit vielen Jahren pflegt er einen engen Kontakt zu Frank Horch, begleitete ihn, aber auch den früheren Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) auf mehreren offiziellen Auslandsreisen. Aus seiner Nähe zur SPD hat der künftige Wirtschaftssenator dabei nie einen Hehl gemacht, auch wenn er selbst kein Parteibuch besitzt.

So hatte er sich vor den letzten Bürgerschaftswahlen in seiner damaligen Funktion als Chef des mächtigen Industrieverbands unzweideutig für eine absolute Mehrheit der SPD ausgesprochen. Ein Novum in der Geschichte des parteipolitisch unabhängigen Verbands. „Wir wollen, dass die verlässliche Politik des aktuellen SPD-Senats bis zum Jahr 2020 fortgesetzt wird. Deshalb sind wir als Industrie für eine absolute Mehrheit für Olaf Scholz und gegen konfliktträchtige Koalitionen nach der Wahl im Februar 2015.“ Und weiter: „Wir brauchen in Hamburg eine mittelfristige Verlässlichkeit politischer Entscheidungen. In Koalitionsverhandlungen sollte die SPD keine Kompromisse eingehen, die ein Abweichen vom eingeschlagenen Weg bedeuten würden. Das wäre schlecht für Hamburg“, sagte Westhagemann im September 2014 im Abendblatt. Nun regiert allerdings eine Koalition aus SPD und Grünen – und schon in wenigen Tagen ist Westhagemann mit dabei.

Nimmt kein Blatt vor den Mund

Auch sonst nimmt der gebürtige Westfale selten ein Blatt vor den Mund, wenn ihm etwas am Herzen liegt. Als die neue Handelskammerführung von ihrem Wahlversprechen, die Pflichtbeiträge abzuschaffen, abrückte, wurde Westhagemann, der früher selbst Vizepräses der Kammer war, deutlich: „Das ist doch ein einziges Herumgeeiere, eine Strategie kann ich da beim besten Willen nicht mehr erkennen.“

Westhagemann will bewegen, nicht nur mit Worten. Er hat bereits klare Vorstellungen von seinem neuen Job. „Ich freue mich unwahrscheinlich auf die Aufgabe“, sagte er am Montag dem Abendblatt. Die Energiewende, die Weiterentwicklung des Hafens und die Vernetzung von Wirtschaft und Wissenschaft liegen ihm am Herzen.

Und selbstverständlich will und muss er sich als Senator für Wirtschaft, Verkehr und Innovation auch um die Mobilität kümmern. Dabei schaut er vor allem auf alternative Antriebe. Aber nicht nur Elektrofahrzeuge stehen bei ihm im Fokus. Was Westhagemann in der Debatte zu kurz kommt, ist der Wasserstoffantrieb. „Diese Technologie wird unterschätzt“, sagt er. Peter Tschentscher und seine Senatskollegen können sich auf einen kompetenten Wirtschaftssenator freuen – mit eigenem Kopf.