Hamburg. Am Freitag suchen im Hamburger Rathaus Politiker, Airline- und Flughafenchefs nach Lösungen für die Probleme.

Flugausfälle, Verspätungen und Chaos an Airports – die Luftfahrt machte im Sommer Negativschlagzeilen. Ende August platzte Carsten Spohr der Kragen. „Die Passagiere erleben einen Sommer, der in Erinnerung bleiben wird, der geprägt ist von Ärgernissen“, sagte der Lufthansa-Vorstandschef. Von 2018 als einem Rekordjahr für Verspätungen sprach Eamonn Brennan, Generaldirektor der europäischen Flugsicherung Eurocon­trol. Im August sank die Pünktlichkeitsquote von 77 Prozent im Vorjahresmonat auf 73 Prozent. Das heißt, mehr als jedes vierte Flugzeug hatte mehr als 15 Minuten Verspätung. Für die Passagiere entscheidend sind die Ankünfte – und 47 Prozent der Flugzeuge setzten mit mindestens fünf Minuten Verspätung auf. Das waren sechs Prozentpunkte mehr. Die durchschnittliche Verspätung bei Ankünften lag bei 34 Minuten – plus vier Minuten.

Auch Hamburg spürte die Entwicklung. Deutlich wird das an der Zahl der Maschinen, die zwischen 23 und 24 Uhr starten und landen. Dann dürfen nur Flüge stattfinden, die planmäßig bis 23 Uhr vorgesehen waren und für die es „unvermeidbare Gründe“ gab. Bis Ende August waren es 876 Starts und Landungen – knapp 28 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.

Forderung: Pünktlicher und zuverlässiger

Um diese Verspätungen zu verringern, hat Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) zusammen mit Bundesverkehrsminister An­dreas Scheuer (CSU) für diesen Freitag zu einem Luftverkehrsgipfel in das Rathaus eingeladen. „Das Ausmaß der Verspätungen ist untragbar geworden. Leidtragende sind vor allem die Passagiere und Anwohner, die vom Lärm verspäteter Flüge am Abend und in der Nacht betroffen sind“, sagte Tschen­tscher dem Abendblatt.

Kommentar: Kampf gegen Verspätungen

Vom Gipfel solle ein Signal ausgehen, dass der Flugverkehr wieder pünktlicher und zuverlässiger werde. Auf der Teilnehmerliste stehen die Airline-Vorsitzenden Spohr (Lufthansa). Thorsten Dirks (Eurowings), die Flughafen-Chefs Stefan Schulte (Frankfurt), Michael Kerkloh (München), Michael Eggenschwiler (Hamburg) sowie Klaus-Dieter Scheurle (Vorsitzender der Geschäftsführung der Deutschen Flugsicherung) und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU).

Tschentscher rechnet mit einem Erfolg des Treffens: „Ich erwarte eine Reihe sehr konkreter Ergebnisse und Verabredungen.“ Als Beispiel nannte er ein Preissystem, das unpünktliche Airlines zusätzlich zur Kasse bittet. „Kurzfristig sollte jeder Flughafen seine Start- und Landegebühren so gestalten, dass verspätete Ankünfte und Abflüge für die Airlines spürbar teurer werden.“

Am Helmut-Schmidt-Flughafen gibt es gestaffelte Zuschläge bei Starts und Landungen zwischen 22 und 0 Uhr, Verspätungen am Tag werden aber nicht geahndet. Die Branche ist sich in einem Punkt einig: Der Flugbetrieb muss wieder besser funktionieren – doch die Interessen der einzelnen Gruppierungen sind unterschiedlich. Das Abendblatt fasst die Problemfelder zusammen.


Engpass Fluglotsen:
In Hamburg gaben die Airlines bei jeder dritten Flugbewegung zwischen 23 und 0 Uhr die Flugsicherung als Grund an. Die Tagesrotation war mit 17 Prozent die zweithäufigste Ursache, also wurde zum Beispiel eine Verspätung am Morgen im Laufe des Tages nicht mehr aufgeholt.

Die Überwachung der Flüge ist eine Aufgabe der einzelnen EU-Staaten. Doch viele nationale Flugsicherungen haben Personalengpässe, zudem gibt es zu wenig Kooperationen unter ihnen. Dadurch kommt es zu Staus. Für die Ausbildung der Fluglotsen gibt es Vorgaben aus Brüssel, die aus dem erwarteten Wachstum des Luftverkehrs den Personalbedarf ermitteln. Die Gewerkschaft der Fluglotsen (GdF) hält diese Prognose für zu gering. Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) fordert eine stärkere technische Überwachung, eine grenzübergreifende Zusammenarbeit und Ausbildung sowie ein flexibleres Anpassen der Personal- und Ausbildungsplanung – allerdings dauert es bis zu fünf Jahre, bis Fluglotsen selbstständig arbeiten können. Die französischen Fluglotsen sind zudem äußerst streiklustig. Legen sie die Arbeit nieder, geht über Frankreich nichts mehr. Fast alle Flüge zu und vom Hauptreiseziel Spanien weichen dann über Deutschland und Schweiz aus, dort ist der Luftraum aber ohnehin schon sehr eng. Folge: Es kommt zu Verspätungen.

Für die Zukunft schlägt Eurocon­trol Alarm. Wachse der Flugverkehr in Europa wie erwartet um 53 Prozent bis 2040, steige die Zahl der von bis zu zweistündigen Verspätungen betroffenen Fluggäste von heute rund 50.000 auf 470.000 – täglich! Luftfahrtexperte Cord Schellenberg fordert: „Es muss einen einheit­lichen Luftraum in Europa geben.“ Läge die Flugsicherung in einer Hand, gäbe es nur ein technisches System, die Abstimmung wäre leichter.

Kapazitätsmängel an Flughäfen: Der neue Flughafen in Berlin verzögert sich immer weiter, die Terminals in Frankfurt und Düsseldorf sind an der Kapazitätsgrenze, in München gibt es ein neues Terminal, aber eine dritte geforderte Landebahn fehlt. Bis 2040 bauen die deutschen Flughäfen nur 16 Prozent Kapazität auf. Durch die Vernetzung wirken sich diese Probleme auch in Hamburg aus, auch wenn der Helmut-Schmidt-Flughafen sich gut aufgestellt sieht. Für mehr Komfort werde in den nächsten zehn Jahren rund 540 Millionen Euro in Fuhlsbüttel ausgegeben. Die Terminals werden Schritt für Schritt modernisiert, die Gepäckanlage wird erweitert. Auf dem alten Frachthof werden an der Pier Süd sechs neue Fluggastbrücken gebaut. Noch in diesem Jahr wird für den doppelstöckigen A380 an einer Doppelfluggastbrücke eine zusätzliche Anbindung zum Boarden der oberen Etage eingeweiht.


Rivalität der Fluglinien: Nach der Insolvenz von Air Berlin stritten sich die anderen Fluggesellschaften um deren Nachlass. Eurowings flottete 77 Maschinen der Pleite-Airline ein. Die Lufthansa-Tochter übernahm ebenso wie die Billigflieger Ryanair und Easyjet Strecken und hatten Probleme, diese pünktlich zu bedienen. Es kam zu massiven Flugausfällen. Als Lehre daraus wollen Airlines versprechen, Flugpläne zu entzerren und mehr Reserven an Jets und Personal vorzuhalten.


Sicherheitskontrollen:
Die Kontrolle der Passagiere erfolgt unter Regie der Bundespolizei von privaten Dienstleistern. Im internationalen Vergleich gelten sie als zu langsam und führen immer wieder zu langen Wartezeiten. Große Flughäfen wie Frankfurt möchten Verträge mit den Dienstleistern direkt abschließen anstelle des Bundes. Sie erhoffen sich davon einen effizienteren Personaleinsatz. Der Hamburger Flughafen begrüßte auf Anfrage, wenn die Organisation der Sicherheitskon­trollen überprüft würde und den Flughäfen mehr Kompetenzen übertragen würden. (mit dpa/rtr)