Hamburg. Seit Freitag gastiert der weltweite Branchenprimus in Hamburg. Chefin gibt im Abendblatt Einblicke in ein hartes Geschäft.
Das große, bunte Zelt, Personal in verschiedenen Fantasieuniformen, die kreisrunde Manege mit ihrem Geruch nach Sägemehl und Tieren, trompetende Musikclowns – Zirkusatmosphäre ist unverwechselbar. Doch etliche der einstmals berühmten Namen wie Sarrasani, Barum, Busch-Roland oder Ringling Brothers sind heute nur noch Geschichte.
Niemand wüsste das besser als Jana Mandana Lacey-Krone, denn sie ist in der kleinen Welt der Artisten aufgewachsen. Seit Juni 2017 ist sie die Direktorin des Circus Krone, der bis zum 22. Oktober in Hamburg gastiert. Lacey-Krone räumt offen ein, dass das Zirkusgeschäft in den zurückliegenden beiden Jahrzehnten schwieriger geworden ist. Dafür gibt es mehrere Gründe, einer davon ist die Digitalisierung: „Im Bereich der Unterhaltung hat sich durch das Internet vieles verändert.“
Erlebnischarakter verstärken
Aber, so die Direktorin, die selbst mit einer Pferdedressur auftritt: „Wenn wir es richtig machen, benutzen unsere Gäste im Zelt ihre Smartphones nur, um damit zu fotografieren.“ Man räume den Zuschauern auch zunehmend die Möglichkeit ein, „Selfies“ zusammen mit Artisten aufzunehmen. „Wir wollen den Erlebnischarakter eines Zirkusbesuchs noch verstärken, aber wir müssen uns an die beste Form dafür herantasten“, sagt Lacey-Krone.
Eine Konsequenz aus den durch die Digitalisierung veränderten Gewohnheiten der Zuschauer hat der Circus Krone schon vor einigen Jahren gezogen: Während das Programm früher länger als drei Stunden dauerte, sind es jetzt nur noch zweieinhalb Stunden – „uns selbst kommt das jetzt kurz vor.“ Dafür seien Investitionen in die Beleuchtungs- und Tontechnik wichtiger geworden.
Allerdings haben sich auch die Ausgaben für andere Posten, die für einen Zirkus besonders bedeutend sind, stärker erhöht als das allgemeine Preisniveau: Diesel und Futtermittel schlagen in einem Betrieb, der von Anfang April bis Mitte November mit rund 260 Menschen – knapp 200 sind fest angestellt – und etwa 100 Tieren quer durch Deutschland tourt, stark zu Buche. Noch vor wenigen Jahren waren es jedoch 400 Menschen und 200 Tiere. „Wir haben das alles etwas reduziert“, sagt Lacey-Krone dazu.
Rote Zahlen im Sommer
Kleiner geworden sind aber auch die Orte, die im Tourneeplan stehen: Ging es bis in die 1980er-Jahre auch nach Paris, Brüssel oder Wien, sind es heute Stationen wie Stendal, Goslar oder Biberach. „Es wird für uns immer schwerer, in Großstädten passende Veranstaltungstermine zu finden, an denen nicht schon ein anderes ‘Event’ stattfindet und die Fläche, die wir benötigen, frei ist“, erklärt die Direktorin. Ihr ist der Hinweis wichtig, dass ein Zirkus im Gegensatz zu manchen der konkurrierenden Veranstalter keine Förderung etwa von Kulturbehörden erhält, sondern sich allein aus den Einnahmen finanzieren muss. „Wir sind ein mittelständisches Unternehmen“, so Lacey-Krone.
Den Umsatz will sie nicht beziffern, er dürfte im mittleren zweistelligen Millionenbereich liegen. An einzelnen Tagen schrieb der Circus Krone, dessen tägliche Betriebsausgaben unterwegs bei mehr als 28.000 Euro liegen, in diesem Sommer auch schon mal rote Zahlen. Die ungewöhnlich hohen Temperaturen und die Fußballweltmeisterschaft waren nach Angaben der Direktorin dafür verantwortlich.
Das in München beheimatete Familienunternehmen galt lange Zeit als größter Zirkus Europas, seit der letzten Vorstellung von Ringling Brothers im Mai 2017 bezeichnet es sich als der größte der Welt. In Deutschland gibt es heute insgesamt gut 200 – fast ausschließlich sehr kleine – Zirkusbetriebe, zur Jahrtausendwende waren es einer Zählung des Europäischen Parlaments zufolge noch doppelt so viele.
Schärfste Konkurrenten
Als Folge der Veränderungen in der Branche sei es allerdings zuletzt leichter geworden, gute Artisten für das eigene Programm zu gewinnen, sagt Lacey-Krone: „Wir erhalten im Schnitt sieben Bewerbungen per E-Mail pro Tag. Die Artisten sind froh, auch über den Sommer arbeiten zu können, während ihnen im Winter auch die Varietés eine Beschäftigung bieten.“ Zu den schärfsten Konkurrenten der Münchner gehören die sogenannten Weihnachtszirkusse, die inzwischen in verschiedenen Städten nur von Ende Dezember bis Anfang Januar präsent sind und nach Angaben von Lacey-Krone jeweils nur mit sehr wenigen fest angestellten Beschäftigten arbeiten: „Als Unternehmerin ärgert mich das. Schließlich gehen die Gäste in der Regel nur einmal im Jahr in einen Zirkus.“
Täglich auf dem Heiligengeistfeld
Allerdings hat auch Krone für die Wintermonate einen festen Spielort: Seit 1919 finden die Vorstellungen von November bis März in einem eigenen Gebäude in München statt. Die Wintersaison steuert nach Unternehmensangaben rund 400.000 Besucher zu der gesamten Gästezahl von etwa 1,5 Millionen Menschen bei, die seit Jahren relativ konstant ist. „Für die kommende Jubiläums-Wintersaison erhoffen wir uns noch etwas mehr“, sagt Lacey-Krone.
Kritik von Tierschützern
Geplant war darüber hinaus, von Dezember 2019 an für fünf Jahre mit einem eigenen „Weihnachtscircus“ in Ingolstadt zu gastieren. Doch der dortige Stadtrat erließ im Juli ein Verbot für Auftritte mit Wildtieren wie Löwen oder Tiger. Ähnliche Beschlüsse gab es bereits in rund 100 Städten, darunter Leipzig, Stuttgart und Düsseldorf. Der Hamburger Tierschutzverein hatte für den Premierentag des Circus Krone zu einer Protestaktion vor der ersten Vorstellung aufgerufen und weist zudem gemeinsam mit dem Deutschen Tierschutzbundes mit Plakaten auf sein Anliegen hin.
Der Auftritt von Löwen oder Nashörnern in der Manege stellt nach Auffassung von Sandra Gulla, Erste Vorsitzende des Hamburger Tierschutzvereins, eine „Herabwürdigung“ dieser Tiere dar: „Zirkus ist kein Spaß für Tiere“. Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, weist darauf hin, dass insbesondere Wildtiere hohe Ansprüche an ihre Unterbringung stellen. In einem „fahrenden Unternehmen“ seien diese Ansprüche nicht zu erfüllen – „egal, wie sehr der Zirkus selbst seine Tierhaltung schönredet.“
Elefanten müssen diesmal zu Hause bleiben
Jana Mandana Lacey-Krone, die mit dem Raubtierdompteur Martin Lacey verheiratet ist, sieht solche Argumente als unbegründet an: „In Deutschland gibt es dafür eine gute gesetzliche Regelung, und unser Unternehmen wird wöchentlich von Amtstierärzten kontrolliert.“ Vor allem aber sorge schon die enge Verbindung der Zirkus-Mitarbeiter zu den Tieren dafür, dass diese gut behandelt werden: „Wir leben ja das ganze Jahr über mit ihnen. Bevor man uns verteufelt, sollten sich die Menschen selbst ein Bild machen.“ So biete der Circus Krone einen Einblick in die Tierhaltung – jeweils am Premierentag kostenlos –, Besucher könnten mit dem Personal darüber sprechen. Beim vorherigen Hamburg-Gastspiel im Jahr 2011, als insgesamt mehr als 250.000 Gäste zu den Aufführungen kamen, sei das auf großes Interesse gestoßen.
„Wir wären gerne auch 2015 schon wieder hier gewesen“, sagt Lacey-Krone. Doch die Wirtschaftsbehörde verweigerte die Gastspielerlaubnis für das Heiligengeistfeld und begründete das mit der noch nicht abgeschlossenen Suche nach Fliegerbomben-Blindgängern aus dem Zweiten Weltkrieg. Auch in diesem Jahr hatte man dem Zirkus als Alternative die Trabrennbahn in Bahrenfeld angeboten. Aber das kam für Lacey-Krone nicht infrage: „Wir gehören hierher, auf das Heiligengeistfeld.“
Allerdings ist das mit einer Einschränkung verbunden: Weil wegen der Blindgänger-Gefahr noch immer keine Befestigungshaken in den Boden getrieben werden dürfen und eine andere Methode der Sicherung des Elefanten-Zelts zu aufwendig wäre, ist Krone diesmal ohne seine traditionellen Wappentiere in Hamburg.