Hamburg. Vor der ersten Vorstellung demonstrierten 300 Menschen gegen den Auftritt von Wildtieren. Die aber faszinierten das Publikum besonders.

Es war eine Premiere mit Protest: Bevor die Künstler des Circus Krone am Freitagabend mit 3000 Zuschauern Premiere ihrer Show „ Evolution“ feierten, protestierten rund 300 Tierschützer verschiedener Organisationen gegen Wildtiere im Zirkus. Sie skandierten "Manege frei für Tierquälerei!", „Tiere raus aus der Manege!“ und zeigten Spruchbänder wie „Wenn dein Spaß ihr Schmerz ist“ oder „Ihr Applaus ist seine Angst“. Besucher wurden als „Tierquäler“ beschimpft.

Zu der Kundgebung hatten mehrere Tierschutzorganisationen aufgerufen, darunter Vier Pfoten, Peta Zwei, Animal Rights Watch und der Hamburger Tierschutzverein.

„Wir protestieren für ein generelles Wildtierverbot im Zirkus“, sagte Melitta Töller von Vier Pfoten: „Eine artgerechte Haltung ist im Zirkus nicht möglich. Das Leben ist für diese Tiere enormer Stress. Warum verbietet die Stadt das nicht?“ Sandra Gulla, Vorsitzende des Hamburger Tierschutzvereins, sagte: „Die Tradition, wilde Tier im Zirkus zu halten, passt nicht mehr in die Zeit.“

Größte Raubtiernummer der Welt

Trotz des starken Gegenwindes in Hamburg: Die Tierdarbietungen bleiben Höhepunkte der Show. So wie der Flug der Aras und Kakadus von Alessio Fochesato, die frei über die Köpfe der Zuschauer fliegen. Zur Musik zu Enyas "Orinoco Flow“ hat das etwas Erhabenes. Oder die kalifornischen Seelöwen Itchy und Scratchy, die ganz klassisch Bälle jonglieren und dem Tiertrainer Carlo Erwin Frankello Küsschen geben. Die Pferdedressuren von Direktorin Jana Lacey-Krone.

Und dann ist da ihr Ehemann Martin Lacey Jr. mit seinen 26 weißen und goldfarbenen Tigern und Löwen – die größte Raubtiernummer der Welt. Die Tiere fauchen und drohen. Alles Show. Sie küssen ihren Dompteur, schmusen mit ihm und der legt sich sogar auf sie. Und dann ein Weltrekord: 20 Tiere gehen gleichzeitig auf ihre Hinterbeine. Das ist wohl das, was die Tierschützer kritisieren. Dem Publikum gefällt diese faszinierende Zusammenarbeit von Mensch und Tier.

Verletzter Wilson feiert Comeback

Und es sind nicht nur die Tiere, die an diesem Abend für Begeisterung sorgen. Außerdem im Repertoire: dreifacher Salto Mortale am fliegenden Trapez der Flying Zuniga, mongolische Seilsprünge der Truppe Khadgaa, die Clowns Fumagalli & Daris, die viele tatsächlich zum Lachen bringen. Aber standing ovations gibt es an diesem Abend nur für einen. Für Crazy Wilson. Der 46-jährige Kolumbianer tritt in Hamburg das erste Mal nach seinem schweren Unfall im Mai wieder auf. Ist er dort oben in vier Metern Höhe auf seinem Todesrad im Motorraddesign wirklich so unsicher, oder tut er nur so?

Der verrückte Wilson war im Mai im Müchen bei einer Vorstellung gestürzt und schwer verletzt worden. In Hamburg jetzt sein Comeback. Erfolgreich. Drei Stunden Zirkus pur.

Krone: "Wir werden streng kontrolliert"

Der Circus Krone trat letztmals 2011 in Hamburg auf.Im gleichen Jahr hatte die Stadt eine Bundesratsinitiative für ein Wildtierverbot in Zirkussen gestartet. Wegen behördlicher Auflagen an die Sicherheit hatte Krone kurzfristig auf eine Elefantendressur in Hamburg verzichtet.

Zirkus-Pressesprecher Andreas Kielbassa wies die Vorwürfe der Tierschützer zurück: „Ohne Liebe und Fürsorge geht es mit Tieren nicht. Wir werden besonders streng kontrolliert, was die Haltung unserer Tiere angeht. Es gibt nichts zu beanstanden.“

SPD und Grüne fordern Wildtierverbot

Gut 300 Tierschützer versammelten sich vor dem Circus Krone auf dem Heiligengeistfeld
Gut 300 Tierschützer versammelten sich vor dem Circus Krone auf dem Heiligengeistfeld © HA | Michael Arning

Die Grünen-Bürgerschaftsfraktion forderte, dass das Tierschutzgesetz voll angewendet wird und Wildtiere künftig nicht mehr im Zirkus zu sehen sind. „Wenn Tiere zur Schau gestellt werden, deren natürlicher Lebensraum die Wildnis ist, hört der Spaß auf“, sagte Christiane Blömeke, Sprecherin der Grünen-Bürgerschaftsfraktion für Tierschutzpolitik.

Gert Kekstadt, Experte der SPD-Bürgerschaftsfraktion für Tierschutz, bedauerte, dass die Hamburger Initiative am Widerstand von CDU und CSU gescheitert sei. „Die Zirkusbetriebe müssen sich weiterentwickeln und verstehen, dass sich die Einstellungen in der Bevölkerung und auch die Ansprüche an den Tierschutz verändert haben. Zirkusvorstellungen können ein herausragendes Schauspiel sein, aber Wildtiere sollten nicht dazugehören. Ich erwarte, dass die für den Tierschutz zuständige CDU-Bundesministerin Julia Klöckner tätig wird, denn im Koalitionsvertrag der Großen Koalition heißt es: 'Deutschland soll beim Tierschutz eine Spitzenposition einnehmen.' Es ist Zeit zu handeln – Wildtiere gehören nicht in den Zirkus.“

Stephan Jersch, tierschutzpolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke, warf Rot-Grün vor, durch die Bereitstellung der städtischen Infrastruktur die Tierquälerei zuzulassen: „Der Senat sieht nicht nur zu, wie völlig überkommene Zirkuspräsentationen mit Wildtieren in der Stadt stattfinden – er leistet dem sogar Vorschub."