Hamburg. Noch immer kein Nachfolger für Frank Horch in Sicht. Job könnte attraktiver werden, wenn anderes Ressort Bereich Verkehr übernimmt.

Klar, der Mann hat einen vollen Terminkalender: Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) hat in dieser Woche unter anderem den Vize-Bürgermeister Jean Roatta und dessen Delegation aus Hamburgs Partnerstadt Marseille begrüßt, das 26. Filmfest Hamburg eröffnet, dem Ehepaar Christa und Eugen Block zu „50 Jahren Block House“ gratuliert, und er war dabei, als bekannt wurde, dass die Universität bei der Vergabe der Fördergelder im Rahmen der „Exzellenzstrategie“ mit gleich vier Projekten abräumen wird.

Dann gibt es noch politische Nüsse der Extraklasse zu knacken – wie das Ringen um den Rückkauf des Fernwärmenetzes vom Energiekonzern Vattenfall. Es könnte sein, dass dem Ersten Bürgermeister ein wenig die Zeit fehlt, sich um die bislang wichtigste Personalentscheidung seiner noch kurzen Amtszeit zu kümmern: Vor mittlerweile fast vier Wochen hat Wirtschafts- und Verkehrssenator Frank Horch (parteilos) seinen Rücktritt spätestens zum Jahresende erklärt, um sich ganz um seine schwer kranke Frau zu kümmern. Ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin für Horch ist noch nicht in Sicht.

Keine lange Einarbeitungsphase

Insider gehen davon aus, dass sich die Sache noch bis in den November hinziehen wird, in den jetzt bevorstehenden zweiwöchigen Herbstferien wird nicht mit einer Entscheidung gerechnet. Zwar drängt die Zeit noch nicht so stark, weil Horch ja weiterhin im Amt ist, aber manche Parteifreunde Tschen­tschers werden doch zunehmend nervös. Ungelöste Personalfragen laden die Opposition zu hämisch-bösen Kommentaren ein. Schon ist von „Entscheidungsschwäche“ des Bürgermeisters die Rede und davon, dass es offensichtlich nicht sehr attraktiv sei, in diesen rot-grünen Senat einzutreten.

Auch kein Sozialdemokrat würde vermutlich behaupten, dass eineinhalb Jahre vor der nächsten Bürgerschaftswahl im Frühjahr 2020 ein günstiger Zeitpunkt ist, um einen hochkarätigen Wirtschaftssenator zu finden. Wer immer den Posten übernimmt, muss sich am rot-grünen Koalitionsvertrag orientieren und das abarbeiten, was noch nicht erledigt ist. Eine lange Einarbeitungsphase kann nicht gewährt werden, und ein halbes Jahr vor der Wahl passiert dann ohnehin nicht mehr viel. Und ob es nach der Wahl weitergeht, entscheiden bekanntlich die Wähler, die in Hamburg mitunter wechselfreudig sind.

Frau wäre eine Premiere

Vielleicht sind es auch diese gestaltungsunfreundlichen Rahmenbedingungen, die dazu geführt haben, dass sich Tschentscher bereits zwei Absagen eingehandelt hat: von Ex-Deutsche-BahnChef Rüdiger Grube und dem früheren Industrieverbandschef und Ex-Siemens-Manager Michael Westhagemann. Es kommt hinzu, dass sich diejenigen, die noch aktiv in einer Spitzenposition der freien Wirtschaft tätig sind, mit hoher Wahrscheinlichkeit bei einem Wechsel in den Senat finanziell verschlechtern würden.

Aus Tschentschers Umfeld ist zu hören, dass es trotz der Schwierigkeiten dabei bleibt, dass ein Mann oder eine Frau aus der Wirtschaft gesucht wird, der oder die den Wirtschaftskapitänen auf Augenhöhe begegnen kann. Es muss keine Frau sein, das haben die Spitzen der SPD vereinbart, die das Vorschlagsrecht in der rot-grünen Koalition hat. Sollte es am Ende eine Wirtschaftssenatorin werden, fänden das gleichwohl viele sehr gut. Es wäre eine Premiere.

Ärger mit den Velorouten

Ein weiterer, sehr zentraler Pro­blempunkt kommt hinzu: Wer in Hamburg Wirtschaftssenator werden will, „erbt“ zugleich auch die Verkehrsbehörde. Es war der ausdrückliche Wunsch von Horch, die beiden Ressorts Wirtschaft und Verkehr zusammenzuführen und zu übernehmen, als er 2011 Senator wurde. So wichtig dem Ex-Handelskammer-Präses die Verkehrsinfrastruktur mit Blick auf die Wirtschaft zu Recht war, so hat er später ein ums andere Mal angesichts so mancher Zumutung aus dem Ressort aufgestöhnt.

Es geht in der Verkehrspolitik eben nicht nur um die großen Projekte wie die Hafenquerspange oder den Bau der neuen U-Bahn-Linie 5, sondern da wird schon mal die Tiefe der Schlaglöcher mit dem Zollstock nachgemessen und anklagend der Zeigefinger gehoben. Ganz zu schweigen von dem Ärger mit den Velorouten oder dem Dauerbrenner Baustellenkoordinierung. „Die Verkehrsbehörde ist nur bedingt vergnügungssteuerpflichtig“, sagt ein prominenter Sozialdemokrat denn auch.

Konfliktträchtige Schnittstellen

Um es für Wirtschaftsbosse attraktiver zu machen, die Horch-Nachfolge anzutreten, kursiert im Rathaus mittlerweile die Überlegung, die Verkehrsbehörde einfach abzutrennen. Der Wirtschaftssenator würde sich dann prestigeträchtig ausschließlich um Hafen und Wirtschaft kümmern können. Die Zuständigkeit für Straßen, Busse und Bahnen soll in die Finanzbehörde wechseln, obwohl die Stadtentwicklungsbehörde thematisch naheliegender wäre.

Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) ist zugleich für die Bezirke zuständig. Und tatsächlich lassen sich in der Verkehrspolitik zahlreiche, mitunter gerade konfliktträchtige Schnittstellen zwischen Senat und Bezirken finden. Das spräche für eine Koppelung im Sinne des Interessenausgleichs. Andererseits könnte schnell die Vermutung entstehen, der Finanzsenator würde den Verkehrssenator mit besonders viel Geld ausstatten und dadurch für politischen Unfrieden sorgen. Das Modell der Verlagerung des Verkehrsressorts in die Finanzbehörde ist überdies nicht ganz frei von Ironie. Dressel, zu dem Zeitpunkt noch Vorsitzender der SPD-Bürgerschaftsfraktion, hatte im Frühjahr den Posten des Ersten Bürgermeisters ausgeschlagen, weil er sich mehr um seine Familie kümmern wollte. Mit der zusätzlichen Übernahme der arbeitsintensiven Verkehrsbehörde dürfte dieser Anspruch dahin sein.

Schiedek fühlt sich in Kulturbehörde wohl

Aber so weit ist es ja noch nicht. Tschentscher, so viel ist klar, hat in der Frage der Horch-Nachfolge Rat und Unterstützung seines Vorgängers Olaf Scholz (SPD) gesucht. Wer den Bundesfinanzminister kennt, der weiß, dass sich Scholz und sein bestens vernetzter Staatssekretär Wolfgang Schmidt längst intensiv darum bemühen, in Berlin und bundesweit einen für Hamburg geeigneten Kandidaten zu finden.

Als unwahrscheinlich gilt aus jetziger Sicht, dass Kulturstaatsrätin Jana Schiedek (SPD) Wirtschaftssenatorin wird. Schiedek, über deren Wechsel in den Reihen der SPD-Fraktion diskutiert wird, hat als frühere Mitarbeiterin der Hamburg Port Authority (HPA) einen Bezug zum Hafen. Andererseits war Schiedek schon im Gespräch als Nachfolgerin von Wirtschaftsstaatsrat Rolf Bösinger, kam aber nicht zum Zuge. Im Übrigen, so ist zu hören, fühlt sich Schiedek in der Kulturbehörde ausgesprochen wohl.